Generationenwechsel in der Zulassungsbranche „Jetzt beginnt erst der Prozess, wirklich Geschäftsführer zu werden“
DAS INVESTMENT: Herr Kroschke, wie kam es dazu, dass Sie sich mit dem Thema generationenübergreifende Transformation beschäftigt haben?
Philipp Kroschke: Das liegt in der Natur der Sache. Wir sind ein Familienunternehmen in der dritten Generation. Ich bin der Älteste von sechs Kindern und führe das Unternehmen zusammen mit meinem zehn Jahre jüngeren Bruder Felix. Bei mir war schon früh klar, dass ich in die Firma einsteigen würde. Ich wurde als Kind oft ins Büro mitgenommen und habe auf dem Firmengelände meines Opas gearbeitet. Irgendwann sagte meine Tante zu mir:
„Als Ältester bist Du der Kronprinz.“
Dieser Gedanke hat sich festgesetzt.
Wie sah Ihr Weg ins Unternehmen konkret aus?
Kroschke: Ich habe 2005 im Unternehmen angefangen, zunächst im Außendienst. Das war wichtig, um ein Gefühl für den Markt zu bekommen. Nach zwei Jahren dachte ich, mein Vater würde mich zu Höherem berufen. Aber das kam nicht. Ich musste lernen, dass ich selbst aktiv werden und mich positionieren muss. So habe ich verschiedene Projekte übernommen, den Innendienst geleitet und schließlich 2011 die gesamte Außenorganisation mit über 450 Standorten übernommen. Ein Jahr später, an seinem 60. Geburtstag, zog sich mein Vater aus der operativen Geschäftsführung zurück und ich rückte nach.
Wie war der Moment, als Sie offiziell Geschäftsführer wurden?
Kroschke: Zunächst dachte ich: Großartig, jetzt hab ich's geschafft! Aber dann wurde mir klar: Ich bin derselbe, der ich einen Tag zuvor war. Mit dem gleichen Wissen und den gleichen Erfahrungen. Da habe ich verstanden:
Jetzt beginnt erst der Prozess, wirklich Geschäftsführer zu werden.
Sie sprechen von Transformation. Was genau verändert sich in Ihrem Unternehmen?
Kroschke: Unser Geschäftsmodell basiert auf dem dezentralen Zulassungswesen für Fahrzeuge. Wir haben an 400 Stellen kleine Shops an Zulassungsstellen, wo wir Autoschilder verkaufen und Zulassungsdienste anbieten. Jetzt wird das Zulassungswesen digitalisiert. In Zukunft wird man sein Auto von zu Hause aus zulassen können, ohne persönlich auf einer Behörde zu erscheinen. Das bedeutet, dass unser bisheriges Geschäftsmodell in seiner jetzigen Form nicht mehr existieren wird. Wir mussten uns also fragen: Wer sind wir morgen? Was sind unsere Stärken?
Wie gehen Sie diese Herausforderung an?
Kroschke: Wir haben Thesen entwickelt, sozusagen unsere Leitgedanken für die Zukunft. Zum Beispiel glauben wir, dass es den Autohandel auch in Zukunft geben wird, wenn auch in veränderter Form. Wir glauben, dass es weiterhin eine „Verheiratung“ von Auto-Daten und Halter-Daten geben wird. Und wir glauben, dass das Zulassungswesen bestehen bleibt, nur eben in digitaler Form.
Basierend auf diesen Thesen haben wir digitale Bausteine entwickelt, um im Fahrzeugverkaufsprozess präsent zu sein. Wir bieten jetzt Lösungen für Autohäuser, Privatkunden und sogar für Automobilhersteller an, die auf Direktvertrieb setzen. Das erfordert eine echte Transformation: von 400 lokalen Büros hin zu Softwareprodukten und völlig neuen Prozessen.
Gleichzeitig arbeiten wir an Lösungen für den Direktvertrieb von Autos über das Internet. Hier geht es darum, den gesamten Prozess von der Auswahl des Fahrzeugs bis zur Zulassung digital abzubilden. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit mit Autoherstellern und Online-Plattformen.
Das klingt nach einem umfassenden Wandel. Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeiter bei dieser Transformation mit?
Kroschke: Das ist eine zentrale Herausforderung. Viele unserer Mitarbeitenden sind seit Jahrzehnten im Unternehmen und haben unser bisheriges Geschäftsmodell perfektioniert. Nun müssen sie sich auf völlig neue Arbeitsweisen einstellen. Wir setzen hier auf intensive Kommunikation und Weiterbildung. Wir haben interne Schulungsprogramme aufgesetzt, um digitale Kompetenzen zu vermitteln. Gleichzeitig versuchen wir, eine Kultur der Offenheit und des kontinuierlichen Lernens zu etablieren.
Es ist wichtig, dass wir den Mitarbeitenden die Angst vor der Veränderung nehmen und ihnen Perspektiven in der neuen digitalen Welt aufzeigen.
Das gelingt nicht immer reibungslos, aber wir sehen, dass viele Mitarbeitende die Chancen erkennen und den Wandel aktiv mitgestalten wollen.
Wie gehen Sie mit Widerständen um, sei es von Mitarbeitern oder auch von Kunden, die vielleicht an den alten Prozessen festhalten wollen?
Kroschke: Widerstände sind natürlich und sogar wichtig. Sie zwingen uns dazu, unsere Ideen zu hinterfragen und zu verbessern. Wir versuchen, offen damit umzugehen und die Bedenken ernst zu nehmen.
Bei den Mitarbeitenden setzen wir auf Überzeugungsarbeit durch gute Beispiele. Wir haben interne Champions identifiziert, die den digitalen Wandel vorantreiben und andere motivieren. Gleichzeitig machen wir aber auch klar, dass der Wandel alternativlos ist. Wer sich komplett verweigert, wird es langfristig schwer haben.
Bei den Kunden ist es ähnlich. Wir zeigen ihnen die Vorteile der digitalen Prozesse auf, etwa die Zeitersparnis und die geringere Fehleranfälligkeit. Gleichzeitig bieten wir aber auch Übergangslösungen an, um niemanden zu überfordern. Es ist ein schrittweiser Prozess.
Welche Rolle spielt der Generationswechsel bei dieser Transformation?
Kroschke: Er ist entscheidend. Als jüngere Generation können wir freier denken und sind offener für neue Technologien und Geschäftsmodelle. Mein Vater kommt noch oft mit den alten Erfolgsrezepten. Diese haben zwar das Unternehmen groß gemacht – er hat aus drei, vier Filialen den größten Anbieter in Deutschland aufgebaut –, helfen uns jetzt aber nicht mehr weiter. Wir müssen uns jetzt in einer digitalen und internationalen Welt neu aufstellen.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Ich muss zum Beispiel Netzwerke im Handel und zu angrenzenden Dienstleistungsbereichen aufbauen. Wir expandieren jetzt auch international, nach Frankreich, Italien, Spanien und Portugal.
Das klingt nach einem schwierigen Balanceakt zwischen Tradition und Innovation. Was sind die größten Fehler, die man beim Generationenübergang machen kann?
Kroschke: Der größte Fehler auf der übergebenden Seite ist es, jemanden in die Position zu zwingen, der es nicht will. Auf der übernehmenden Seite ist es gefährlich, sich Dinge zuzutrauen, die man nicht kann. Man muss ehrlich zu sich selbst sein und sich fragen: Ist es das, was ich wirklich will?
Die Verantwortung ist riesig. Wenn das Gehalt nur Schmerzensgeld ist, ist das nicht der richtige Weg.
Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit Familienmitgliedern von der mit externen Geschäftsführern?
Kroschke: Familienmitglieder denken eher in Generationen, nicht in Vertragslaufzeiten. Das führt zu einem langfristigeren Fokus. Allerdings kann ich meinen Bruder nicht einfach rausschmeißen oder er mich, wenn es nicht funktioniert. Das führt dazu, dass man intensiver um Lösungen ringt.
Externe Geschäftsführer sind schon mal die besseren Manager, während wir als Unternehmer versuchen, einen Schritt weiter zu denken und in Visionen zu leben. Wir fragen uns: Wo wollen wir in 20 Jahren stehen? Wie sichern wir das Unternehmen für die vierte Generation?
Und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Ihrem Vater?
Kroschke (lacht): Das ist nicht immer einfach. Mein Vater ist in einer ambivalenten Situation. Einerseits will er loslassen und die Geschichte erzählen, dass er nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer war, sondern das Unternehmen auch erfolgreich in die nächste Generation übergeben hat. Andererseits fällt genau das ihm oft schwer, wirklich loszulassen. Er glaubt häufig noch, Dinge besser zu wissen und kritisiert manchmal unsere Entscheidungen.
Ein klassisches Beispiel ist der Umgang mit Personal. Er findet uns oft zu nachsichtig und würde am liebsten härter durchgreifen. Wir dagegen sagen: In der heutigen Zeit musst du die Menschen auf Augenhöhe führen, das ist eine andere Generation.
Wie gehen Sie damit um?
Kroschke: Man muss es aushalten. Es gibt keinen klaren, disziplinierten Weg.
Am Ende geht es darum, sich zu beweisen. Nicht durch Herablassung, sondern durch eigene Erfahrung, Wissensaufbau und die Übernahme von Verantwortung.
Und manchmal hilft es, einen neutralen Dritten zu haben. Deshalb haben wir einen Beirat, der auch mal als Mediator fungiert.
Was können andere Familienunternehmen im Transformationsprozess von Ihnen lernen?
Kroschke: Erstens: Man muss Leidenschaft für das Geschäft haben. Ohne echte Begeisterung wird man scheitern. Zweitens: Man muss bereit sein, alte Erfolgsrezepte infrage zu stellen und neue Wege zu gehen. Drittens: Es braucht einen klaren Plan für die Zukunft. Wir haben uns gefragt: Wo müssen wir präsent sein? Die Antwort war: dort, wo Autos verkauft werden. Das hat unsere gesamte Strategie bestimmt. Viertens: Kommunikation ist entscheidend. Sowohl innerhalb der Familie als auch mit externen Managern und Mitarbeitende. Man muss erklären können, warum Veränderungen notwendig sind und wohin die Reise gehen soll. Und schließlich: Man muss geduldig sein. Transformation braucht Zeit. Wir arbeiten seit Jahren an unserer digitalen Strategie und sind immer noch mitten im Prozess. Man muss den langen Atem haben, auch wenn nicht alles sofort funktioniert.
Zum Schluss: Was treibt Sie persönlich an?
Kroschke: Ich habe große Ambitionen.
Ich will der weltgrößte Zulassungsdienst werden.
Ich habe jeden Tag die Chance, daran zu arbeiten. Das gibt mir unglaublich viel Energie und Motivation, auch wenn es manchmal anstrengend ist.
Natürlich gibt es auch schwierige Zeiten. Im letzten Jahr hatte ich ein sehr anstrengendes Jahr, in dem ich vieles hinterfragt und mit meinem Vater und Bruder in unseren unterschiedlichen Ansichten gerungen habe. Und gerade in dieser Zeit habe ich mir sehr häufig wieder die Frage gestellt: Ist mir das alles wert? Die Antwort war immer: Ja. Ich liebe dieses Geschäft und sehe die enormen Möglichkeiten, die vor uns liegen.
Über den Interviewten
Philipp Kroschke arbeitet seit 2005 im familieneigenen Unternehmen, zunächst als Trainee, anschließend in verschiedenen Positionen von der Gebietsleitung über den Innendienst bis zum Bereichsleiter für die Standorte. Seit 2012 ist er Geschäftsführer der Kroschke Gruppe, zu der neben der Christoph Kroschke GmbH auch die Kroschke Deutschland (vormals DAD Deutscher Auto Dienst ) und die DKT Deutsche Kennzeichen Technik gehören, die er mitgründete. Fünf Jahre später ist auch sein Bruder Felix Kroschke als Geschäftsführer ins Unternehmen gekommen. Gemeinsam sind die beiden in dritter Generation für den Familienbetrieb tätig.