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Interview mit Walter Liebe „Pictet ist seit zwei Jahrhunderten in vielerlei Hinsicht im Vorteil“

Walter Liebe, Leiter Intermediäre Deutschland
Walter Liebe, Leiter Intermediäre Deutschland: „Für uns zählt nicht Hurra-Performance. Wir agieren sehr bedacht und gehen sehr langfristig vor.“ | Foto: Pictet Asset Management

DAS INVESTMENT: Herr Liebe, angesichts der hohen Mittelabflüsse bei der Credit Suisse sind derzeit enorme Kundengelder in Bewegung. Was macht das mit dem Finanzplatz Schweiz?

Walter Liebe: Lassen Sie es mich so formulieren: Pictet und die meisten Banken und Asset Manager bedauern, dass das Vertrauen in die Credit Suisse gesunken ist. Die Schwierigkeiten der Bank, aus denen sich enorme Abflüsse von Kundengeldern ergeben, schaden dem Finanzplatz Schweiz insgesamt. Auch wenn viele Geldinstitute, darunter auch wir, vom Zustrom der Kundengelder in die eigenen Anlageprodukte profitieren, ist uns allen die Glaubwürdigkeit und das internationale Renomee des Schweizer Finanzplatzes mit seinen starken Finanzinstituten ein hohes Gut.

Was kann die Pictet-Gruppe, die auf die Vermögensverwaltung für anspruchsvolle private und institutionelle Kunden weltweit spezialisiert ist, besser als mancher Mitbewerber?

Liebe: Die Bank Pictet ist seit gut zwei Jahrhunderten in vielerlei Hinsicht im Vorteil, weil sie inhabergeführt ist und nicht börsennotiert. Wir können daher eine Geschäftspolitik betreiben, bei der die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden sehr langfristig ausgerichtet ist. Wir sind in der Lage, Entscheidungen und strategische Weichenstellungen zu treffen und durchzuhalten, ohne uns vom Berichterstattungszyklus der Kapitalmärkte abhängig machen und kurzfristig den Aktienkurs unseres Unternehmens verteidigen zu müssen. Das erlaubt es uns, sehr bedacht und sehr langfristig vorzugehen und systematisch in die Solidität unseres Hauses zu investieren.

Gibt es weitere Besonderheiten der Pictet-Gruppe, die sie vom Wettbewerb unterscheiden?

Liebe: Wir haben ein defensiveres Geschäftsmodell als die großen Universalbanken der Schweiz, dadurch, dass wir nur Anlagegeschäfte betreiben; also keine Kreditgeschäfte, kein Investmentbanking und keine Immobilienfinanzierung. Infolgedessen können wir in stärkerem Maß als andere wiederkehrende Erträge vereinnahmen, tätigen aber zugleich weniger transaktionsabhängige Geschäfte. 

Welche Themen und Fonds stehen bei Pictet Asset Management besonders im Fokus, um die genannten wiederkehrenden Erträge zu erwirtschaften?

Liebe: Bei Pictet Asset Management, dem Spezialisten für institutionelle Vermögensverwaltung, der Anlagelösungen und -dienstleistungen weltweit anbietet, setzen wir strategische Schwerpunkte. Wir investieren in thematische Aktien, in Schwellenländer – sowohl auf der Aktien- als auch auf der Anleiheseite – und in den Schwerpunkt Liquid Alternatives.

 

Das Themenfondsgeschäft und auch der Bereich Emerging Markets haben bereits ein gutes Momentum. In zunehmendem Maße öffnen wir auch unser seit vielen Jahrzehnten bestehendes Geschäft in Private Markets – Hedgefonds, Private Equity, Immobilien und Private Debt – für externe Investoren. Zuvor war dieser Bereich, dessen Ertragskraft und Qualität für einen Asset Manager sehr vorteilhaft sind, überwiegend nur dem eigenen Kernklientel zugänglich. Große institutionelle Investoren waren schon lange in Private Markets investiert, gleichermaßen große internationale Privatvermögen, die in der Schweiz gemanagt wurden. Inzwischen interessieren und öffnen sich immer breitere Schichten für das Thema Private Markets, um Portfolios stärker zu diversifizieren. Das Jahr 2022 mit dem gleichzeitigen Schlag ins Kontor bei Aktien und Anleihen und der fehlenden Möglichkeit, Schutz zu finden und Verluste zu vermeiden hat diesen Wunsch nach mehr Diversifikation verstärkt. Das Thema Private Markets ist dabei sowohl für die Investoren interessant als auch für die anbietenden Banken, weil mit dem Geschäft eine lange Kapitalbindungsdauer und relativ solide Margen einhergehen.

Könnte sich der Einstieg in Private Markets für Anleger jetzt lohnen oder ist bereits viel eingepreist?

Liebe: Die restriktivere Geldpolitik mit der damit einhergehenden Korrektur der Märkte hat in Ansätzen auch die Bewertungen von Private Equity und Private Debt beeinflusst. Wer jetzt anfängt neu zu investieren, sieht deutlich attraktivere Einstiegspreise als diejenigen, die der Euphorie in den Jahren 2020 und 2021 erlagen.

Abgesehen von den thematisch zugespitzten Produkten, wie stellt sich Pictet AM im Wettbewerb auf?

Liebe: Die zunehmende Komplexität der Kapitalmärkte macht es erforderlich, dass man in den Bereichen, in denen man eine Expertise hat, deutlich in die Ressourcen investiert. Wir haben das Themenfonds-Team personell deutlich aufgestockt, hier betreuen mittlerweile 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 15 Strategien. Wir haben weitere Spezialisten nicht nur auf der Portfoliomanagement-Seite, sondern auch ESG-Analysten und Experten für das gezielte Engagement mit Unternehmen eingestellt. Das alles macht unsere qualitative Arbeit noch besser. Im Bereich Emerging Markets-Anleihen haben wir ein 25-köpfiges Team, um die unterschiedlichen Teilbereiche abzudecken. Wir wollen sehr detailliert informiert sein, um richtig interpretieren und reagieren zu können. Wir haben zudem personell gut unterfütterte Private-Market-Teams aufgebaut.

Kurz gesagt: Um im Wettbewerb ganz vorne dabei zu sein, muss eine Spezialisierung aufgebaut werden…

Liebe: … um zu zeigen, dass man die Komplexität der Märkte versteht und entsprechend handeln kann. Stets gilt: Man sollte nicht versuchen, sein Glück herauszufordern, sondern man sollte auch die Risiken managen und beherrschen können – das ist der entscheidende Faktor für langfristigen Erfolg. Für uns zählt nicht Hurra-Performance. Für uns zählt die Beherrschung von schwierigen Marktphasen oder teilweise sogar systemischen Risiken, wenn sie auftreten sollten. Ein Haus mit mittlerer Größe, wie wir es sind, muss sich auf seine Kernkompetenzen fokussieren. Dabei ist ganz klar, dass wir nicht alles mit der gleichen Intensität betreiben können.

Stichwort mittlere Größe: Wo bewegen sich derzeit die AuM?

Liebe: Bei Pictet Asset Management sind wir bei 220 Milliarden Schweizer Franken, die Pictet-Gruppe verwaltet insgesamt ungefähr 600 Milliarden Franken. Wenn man sich die Top 10 der globalen Vermögensverwalter ansieht, ist die Nummer 10 ungefähr 2 Billionen US-Dollar schwer. Wir besetzen also eine – selbstgewählte – mittlere Position. Der Hintergrund: In der Historie sind wir immer nur organisch gewachsen. Die Pictet-Gruppe, die seit mehr als 200 Jahren besteht, hat niemals eine andere Bank oder einen anderen Asset Manager übernommen. Wir haben es trotzdem geschafft, zu dieser Größe heranzuwachsen und dabei auch profitabel zu bleiben.

Welche Vorteile ergeben sich aus der gewählten Größe und der Unabhängigkeit?

Liebe: Die Vorteile, sich nicht an diesem M&A-Karussell zu beteiligen, sind enorm. Übernahmen und Fusionen binden Ressourcen, sind häufig nicht wertsteigernd und lenken über längere Zeiträume die eigenen Mitarbeiter von den eigentlichen Geschäftszwecken ab. Wir sehen uns als ausreichend groß, um in einem Wettbewerb zu bestehen, in dem tendenziell Skaleneffekte belohnt werden. Wir sind profitabel und wachsen sehr ansehnlich organisch, deshalb sehen wir uns gut positioniert. 

Könnten Sie am Beispiel zeigen, wie organisches Wachstum funktionieren kann?

Liebe: Wir haben in den 1980er-Jahren ein Büro in Japan aufgebaut. Heute arbeiten dort 150 Mitarbeiter. Das Unterfangen war jahrelang defizitär. Ein börsennotierter ausländischer Asset Manager hätte eine so lange Durststrecke niemals durchhalten können. Heute liefert diese Dependance einen der großen Wertbeiträge innerhalb des Asset Managements. Genauso systematisch bauen wir die Präsenz von Pictet AM in China und in den USA auf. Wir sind nicht gezwungen, dass diese Dependancen innerhalb von einem, zwei oder drei Jahren profitabel arbeiten müssen.

Der Fall ist klar: Ihr Haus schöpft aus einem reichen Erfahrungsschatz.  

Liebe: In der Tat, es hat sich auch bewährt, in Asset-Klassen zu investieren, die sonst noch keiner auf dem Schirm hat. So haben wir Ende der 1990er-Jahre in Emerging Market Debt investiert; zu einem Zeitpunkt, als noch keiner davon sprach. Wir haben 2015 als eine der ersten europäischen Adressen einen Fonds auf Chinese Local Currency Debt aufgelegt. Kurz: Wir sind in der Lage, unsere Vorhaben Schritt für Schritt zum Erfolg zu führen.

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