Pierre Puybasset von LFDE Steuern wir auf eine Rezession zu?
Die Signale, die auf eine bevorstehende Rezession hindeuten, verdichten sich:
- Ein erster historischer Indikator für eine sich nähernde Rezession, der für viel Aufregung sorgt, ist die Inversion der Zinskurve. Konkret handelt es sich um die Umkehr der Zinskurve zehnjähriger US-Schatzanweisungen, d. h. eine zehnjährige US-Staatsanleihe bringt weniger Rendite als das gleiche Papier mit zweijähriger Laufzeit. Dies war seit 2007 nicht mehr der Fall.
- Der US-Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe, ein Frühindikator, der die Aktivität von Industrieunternehmen misst, ist auf den niedrigsten Stand seit fast 10 Jahren gesunken. Die US-amerikanische Industrieaktivität ist rückläufig.
Hinzu kommen geopolitische Spannungen, welche die Volkswirtschaften und Märkte belasten:
- Der Handelskrieg zwischen den USA und China sorgt für Verunsicherung und bringt Unternehmen, wie beispielsweise Nike, in Bedrängnis.
- Die Hängepartie um den Brexit lässt kaum genauere Voraussagen zu. Allem Anschein nach läuft in Großbritannien alles auf Neuwahlen hinaus.
Aber es gibt auch Signale, die gegen eine Rezession sprechen: Die entgegenkommende Geldpolitik der Zentralbanken stützt die Wirtschaft und beruhigt die Märkte:
- In den USA und in Europa haben sich die Zinserwartungen des Marktes vom Anfang des Jahres inzwischen ins komplette Gegenteil verkehrt. Niemand dachte noch vor einigen Monaten, dass die Renditen von Staatsanleihen so stark sinken könnten. Zudem glaubt der Markt, dass die Renditen in den nächsten Monaten noch weiter sinken könnten.
- Für viele Akteure ist das Niedrigzinsumfeld eine gute Nachricht: Für Staaten, die sich billiger verschulden können und durch die Verschuldung sogar noch „Geld verdienen“, für Unternehmen - mit Ausnahme der Banken - und für die Verbraucher.
- Allerdings ist dieses Niedrigzinsumfeld mit Vorsicht zu genießen, denn es könnte zum Beispiel am Immobilienmarkt zu einer Blasenbildung kommen.
Auftrieb dürften die Märkte ferner durch US-Präsident Donald Trump erhalten, der bestrebt sein wird, ein günstiges Klima für seine Wiederwahl zu schaffen. In der Vergangenheit sind die Kurse vor Wahlen stets gestiegen, und zwar ausnahmslos.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Betrachtet man neben dem vorstehend erwähnten schlechten Ergebnis des PMI-Index für das verarbeitende Gewerbe auch das Pendant für den Dienstleistungssektor, so relativiert sich das Bild: Letzterer ist im Vergleich zum PMI eher positiv. Grund ist der robuste Konsum, vor allem in den USA. Darüber hinaus können sich mittelständische Unternehmen durchweg gut behaupten, und mehreren Großunternehmen, wie z.B. L’Oréal und Microsoft, kann auch der Handelskrieg nichts anhaben.
Wie werden sich die Märkte unter diesen Rahmenbedingungen entwickeln und welche Strategien sollen Anleger fahren?
Seit Jahresbeginn 2019 wurde das Risiko vergütet: Aktien schnitten am besten ab, allen voran die Werte im S&P 500 und im Euro Stoxx. Doch trotz höherer Aktienkurse standen 74 der letzten 80 Wochen im Zeichen von Mittelabflüssen. Mit Blick auf die Bewertungsniveaus sehen wir einen eklatanten Performanceabstand zwischen Wachstumswerten und günstigen Value-Aktien. Wir glauben, dass die Märkte wieder zu ihrer normalen Bewertungslogik zurückfinden. Die Bewertungslücke dürfte sich somit wieder schließen. Die US-Märkte sind dabei teurer als ihre europäischen Pendants.
Zum Jahresauftakt hätte niemand gedacht, dass die Renditen von Staatsanleihen so stark sinken könnten. Die derzeitigen Rahmenbedingungen legen einen massiven Abverkauf von Anleihen nahe, doch das ist nicht der Fall. Daher stellt sich die Frage, wann das Ende der Fahnenstange an der Zinsfront erreicht ist.
Aktuell raten wir zu folgenden Strategien:
- Anleger sollten die Bewertungen aufmerksam im Auge behalten und bei den teuersten Wachstumswerten auf der Hut sein.
- Europäische Small Caps sind unserer Ansicht nach für einen Handelskrieg besser gerüstet, denn sie weisen eine stärkere Abhängigkeit von der Binnenwirtschaft auf.
- Die Beschleunigung der M&A-Dynamik in Europa kann den Aktionären der übernommenen Unternehmen zugutekommen, da das übernehmende Unternehmen in der Regel eine Prämie zahlt, von der die Aktionäre profitieren.
Insgesamt rechnen wir nicht mit einer Blasenbildung, weil die Märkte sehr pessimistisch sind. Allerdings ist angesichts der politischen Risiken Volatilität das wahrscheinlichste Marktszenario in den kommenden Monaten.