Suche Event Calendar Icon EVENTKALENDER Newsletter Icon Newsletter Icon Newsletter Abonnieren

Pilnys Asia Insights Eine Kanzlerreise ins Ungefähre

Von Lesedauer: 10 Minuten
Olaf Scholz (links) und Xi Jinping in Peking
Olaf Scholz (links) und Xi Jinping in Peking: „Die Rufe nach keinen weiteren Abhängigkeiten werden von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft immer lauter und lasten beim Besuch auf Kanzler Scholz“, so Pilny. | Foto: Imago Images / Xinhua

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz in Peking Xi Jinping als erstes europäisches Regierungsoberhaupt und – nach dem vietnamesischen Staatschef – zweites Regierungsoberhaupt überhaupt, als altem und neuem Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCH) die Aufwartung macht, trifft er einen Mann auf dem Zenit seiner Macht, der zahlreichen Herausforderungen gegenübersteht. Abgesehen vom Wirtschaftsabschwung infolge der Null-Covid Politik, einem Techno-Krieg mit den USA und der heiklen Gemengelage mit dem wenig erfolgreichen Kampfgefährten Putin stehen die Wahrung des sozialen Friedens und die äußere Sicherheit als Ziele ganz oben.

Auf dem XX. Parteitag wurden diesbezüglich nochmals die Globale Sicherheitsinitiative und die Globale Entwicklungsinitiative bekräftigt. Mit ersterer will Xi aktiver in der Weltpolitik mitmischen und bei der zweiten soll im Rahmen eines neuen Gesellschaftsvertrags, eines New Deals, ein niedrigeres Wirtschaftswachstum durch mehr Lebensqualität, eine umfassendere soziale Sicherung, mehr Umweltschutz und Umverteilung kompensiert werden. Vor allem die Jugend, die unter grassierender Arbeitslosigkeit leidet, soll am „Gemeinsamen Wohlstand“ des neuen China teilhaben können.

Doch nicht wenige befürchten, dass der China-Boom seinem Ende entgegengeht. Gleichwohl setzt Xi weiter auf Machterhalt durch Ideologisierung zulasten von Innovation und Marktwirtschaft. Die KPCH betrachtet dabei die internationale demokratische Ordnung als Gefahr für den Machterhalt, was zu einem Kampf um die „Neuverteilung der Macht in der Welt“ führt. Deshalb versucht China vermehrt in internationalen Organisationen eigene Wertvorstellungen durchzusetzen. Dies und die wachsende Aggressivität in der Außenpolitik ist kein Widerspruch mit dem multipolaren Verständnis, das China von der Weltordnung hat. Vielmehr verfügt China über immer mehr internationales Gewicht und strebt immer offener danach, wieder das zu werden, was es d3.000 Jahre lang war: die weltweite Nummer 1.

 

 

Die deutsche Öffentlichkeit nimmt dies immer bewusster wahr und beginnt vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges zunehmend Parallelen zwischen dem Umgang Deutschlands mit Russland und China zu ziehen. Naivität, Opportunismus und Skrupellosigkeit werden konstatiert, klare Abgrenzungen und keine weiteren Abhängigkeiten werden von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft immer öfter und lauter eingefordert. Dieses neue Bewusstsein für die Gefahren und Fallstricke im Umgang mit China lasten beim bevorstehenden Besuch auf Kanzler Scholz. In Peking muss er klare Worte finden, er darf den Alleinherrscher Xi aber nicht so konfrontieren, dass er die Wirtschaftsbeziehungen beschädigt. Eine äußerst delikate Gratwanderung.

Erschwerend hinzu kommt, dass Scholz statt wie zunächst erwogen ohne den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und auch ohne EU-Vertreter reist. Das gefällt der EU ebenso wenig wie die Genehmigung des chinesischen Einstiegs in den Hamburger Hafen. Macron zum Beispiel kritisierte beides. Zwischen Frankreich und Deutschland herrscht ohnehin zunehmend Eiszeit. So wird der französische Präsident wohl noch in diesem Monat allein nach Peking fliegen.

Doch nicht nur diese Reisepläne sind innerhalb der EU umstritten, sondern die gesamte europäische China-Strategie. Mitte Oktober diskutierte man innerhalb der EU das Thema China gleich zweimal auf höchster Ebene. Grundlage für beide Treffen war ein sogenanntes Non-Paper des EEAS (European External Action Service). Die Beamten des europäischen Auswärtigen Dienstes plädieren für einen härteren Kurs gegenüber China, denn es sei zu einem noch stärkeren globalen Wettbewerber für die EU geworden.

Bei beiden Treffen wurden keine Beschlüsse gefasst, eine strategische Neuorientierung der EU für China steht weiter aus. Zu unterschiedlich sind die Interessen der einzelnen EU-Staaten. Innerhalb der EU gibt es viele unterschiedliche Positionen. Die baltischen Staaten fahren einen dezidiert China-kritischen Kurs, was sie sich mangels wirtschaftlicher Verflechtung auch leisten können, ebenso Schweden. Die Niederlande und Belgien sind inzwischen auch Kritiker geworden. Viktor Orbán in Ungarn gilt als China-Freund. Frankreich und Deutschland versuchen einen schwierigen Balanceakt zwischen Werten und Interessen, der allerdings meist zugunsten der wirtschaftlichen Interessen ausfällt. So schnell wird es wohl keine gemeinsame europäische China-Politik geben.

Rivale China

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung der deutschen Geheimdienste. Die Leiter der drei deutschen Sicherheitsbehörden standen dem Parlamentarischen Kontrollgremium am 17. Oktober Rede und Antwort, wobei Russland und der Ukraine-Krieg natürlich das beherrschende Thema waren. Doch schon danach folgte China. Es herrschte Einigkeit darüber, dass Gesellschaft und Politik die Warnungen vor Russland zu lange ignoriert haben.

PDF nur für Sie. Weitergabe? Fragen Sie uns.
Newsletter Titelbild
Ja, ich möchte den/die oben ausgewählten Newsletter mit Informationen über die Kapitalmärkte und die Finanzbranche, insbesondere die Fonds-, Versicherungs-und Immobilienindustrie abonnieren. Hinweise zu der von der Einwilligung mitumfassten Erfolgsmessung, dem Einsatz der Versanddienstleister June Online Marketing und Mailingwork, der Protokollierung der Anmeldung, der neben der E-Mail-Adresse weiter erhobenen Daten, der Weitergabe der Daten innerhalb der Verlagsgruppe und zu Ihren Widerrufsrechten finden Sie in der Datenschutzerklärung. Diese Einwilligung können Sie jederzeit für die Zukunft widerrufen.
+
Anmelden
Tipps der Redaktion