Pilnys Asia Insights Eine Kanzlerreise ins Ungefähre
Ein Fehler, der sich nun bei China wiederhole. Seit Jahren bemühe sich der Bundesnachrichtendienst gemeinsam mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bewusstsein in Wirtschaft und Wissenschaft für die Risiken zu schärfen. Die Wirtschaft habe nunmehr die Zeichen der Zeit erkannt, wohingegen im wissenschaftlichen Bereich noch viel Vertrauen und Naivität gegenüber China vorhanden sei. Für den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz geht eine weit erheblichere Bedrohung deutscher Sicherheit und deutscher Interessen von China aus als von Russland. Auch der Militärische Abschirmdienst berichtete, dass abgesehen von nachrichtendienstlichen Aktivitäten Russlands auch jene Chinas gegenüber der Bundeswehr seit Jahren auf hohem Niveau seien. In dieses Bild passt ein aktueller Skandal im Vereinigten Königreich, wo China aggressiv ehemalige britische Kampfpiloten anwirbt, um seine Luftwaffe zu verbessern.
Cosco-Deal
Bei uns gab es große Aufregung um den Hamburger Hafen. Der chinesische Staatskonzern Cosco wollte sich an einem der vier Terminals mit 35 Prozent beteiligen. Diese Beteiligung wurde dann per Machtwort von Bundeskanzler Scholz auf 24,9 Prozent reduziert. Den Kritikern ist selbst das zu viel, sie befürchten auch bei dieser Minderheitsbeteiligung einen Einfluss Chinas auf einen wichtigen Bereich der kritischen Infrastruktur. Die chinesische Cosco Shipping Ports wird Anteile in Höhe von 24,9 Prozent an der Terminal Tollerort GmbH (CTT) erwerben. Diese Anteile begründen keine Sperrminorität und keine Sonderrechte. Die CTT ist das kleinste von vier Terminals im Hamburger Hafen.
Vielmehr ist zu befürchten, dass der Standort Hamburg im internationalen Wettbewerb zum Beispiel mit Rotterdam und Antwerpen weiter ins Hintertreffen gerät. Bis zum Jahr 2014 war Hamburg die Nummer 2 der Häfen in Europa. Derzeit ist Hamburg gemessen am Containerumschlag nach Rotterdam und Antwerpen nur noch der drittgrößte Hafen Europas und verliert aufgrund schleppender Elbvertiefung und geographischer Standortnachteile weiter Marktanteile. Beteiligungen an Häfen sind bei Reedereien international inzwischen üblich. Darüber hinaus ist einer der größten Logistikkonzerne und Reedereien der Welt, die Moeller-Maersk Group, über seine Tochter APM Terminals an 75 Terminals weltweit beteiligt, nicht nur in Bremerhaven, sondern unter anderem an mehreren chinesischen Häfen.
Laut dem aktuellen Maersk-Geschäftsbericht 2021 sind das Shanghai East Container Terminal (APM-Beteiligung: 49 Prozent), Shanghai Tie Yang Multimodel Transportation (29), Xiamen Songyu Container Terminal (25), Qingdao Qianwan Container (20), Guangzhou South China Oceangate Container Terminal (20), Tianjin Port Alliance International Container Terminal (20) und Qingdao New Qianwan Container Terminal (19). In der Tat erhält die beteiligte Reederei bei Engpässen besseren Zugang zu den Terminals, was jedoch nicht automatisch mit sich bringt, dass andere Reedereien ausgeschlossen werden. Die wirklich kritische Infrastruktur bleibt ohnehin in kommunaler Hand. Natürlich muss man die Beteiligung eines chinesischen Staatskonzerns kritisch überprüfen – muss sich dabei aber bewusst machen, dass dies mittelfristig auch wirtschaftliche Perspektiven in Deutschland berührt.
Elmos-Deal
Schon steht die nächste umstrittene Entscheidung an. Es verdichten sich die Anzeichen, dass die Übernahme der Chip-Fertigung des Dortmunder Unternehmens Elmos durch den Konkurrenten Silex voraussichtlich genehmigt wird. Der schwedische Käufer ist eine 100-prozentige Tochter des chinesischen Konzerns Sai Microelectronics. Der Verkauf der Fabrik wird derzeit durch das Bundeswirtschaftsministerium geprüft, demnächst soll die endgültige Entscheidung erfolgen. Auch hier würde die Bundesregierung gegen die Empfehlung des Bundesverfassungsschutzes und der zunehmend kritischen öffentlichen Meinung handeln, die beide auf die Gefahr zunehmender Abhängigkeiten von China im Halbleiter-Markt verweisen.
Die geplante Genehmigung dürfte die aktuelle Debatte um Deutschlands strategischen Umgang mit chinesischen Investoren und der asiatischen Großmacht noch intensivieren. Der Streit um Cosco und die China-Reise haben ohnehin schon für erhebliche Konflikte innerhalb der Regierungskoalition und eine öffentliche Grundsatzdebatte gesorgt. Gleichzeitig laufen in der Regierung die Arbeiten an einem umfassenden, neuen China-Strategiepapier als wichtiger Teil einer Nationalen Sicherheitsstrategie, wo sich das Auswärtige Amt mit seiner „wertebasierten Außenpolitik“ und das pragmatische Wirtschaftsministerium gegenüberstehen, während das Kanzleramt eine chinafreundliche Politik verfolgt.