LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MärkteLesedauer: 7 Minuten

Politische Risiken Nach Minus im ersten Halbjahr – was bei Aktien und Anleihen jetzt zu erwarten ist

Seite 2 / 2

Aktien untermauert durch positive Unternehmensergebnisse

Konfrontiert mit steigenden politischen Risiken zogen Investoren ihren Optimismus vor allem aus den starken Unternehmensergebnissen. Gewinnrevisionen nach oben zeigen im bisherigen Jahresverlauf ein starkes Momentum in den großen Industrieländern – auch wenn Japan in den vergangenen drei Monaten etwas an Dampf verloren hat. Besonders ausgeprägt ist der Trend in den USA, und zwar nicht nur aufgrund der gesenkten Unternehmenssteuern: Die Konsenserwartung für S&P 500-Unternehmen liegt für 2018 bei einem durchschnittlichen Umsatzanstieg von knapp 10 Prozent! (Quelle: Factset.) Die verbesserten Daten in Europa könnten im leicht gefallenen effektiven Wechselkurs des Euros im zweiten Quartal begründet sein. Auf Sektorenebene führt wenig überraschend der Energiebereich das Feld bei den erwarteten Wachstumsraten und den positiven Revisionen an. In den globalen Sektoren ist jedoch insgesamt ein Wachstum in diesem Jahr zu verzeichnen. Nur in einigen defensiven Bereichen (Basiskonsum, Telekommunikation und Versorger) sowie in der Finanzindustrie wurden die Schätzungen im zweiten Quartal nach unten korrigiert. Zu beachten ist, dass auch in den Schwellenländern Gewinnrevisionen nach unten zu beobachten waren, vor allem in Staaten, deren Währung deutlich abgewertet hatte und die durch eine straffere Geldpolitik versuchten, diesen Trend umzukehren.

Durchmischte Aktienerträge in der ersten Jahreshälfte

Wir müssen uns der aktuellen optimistischen Annahmen bewusst sein, vor allem während der Berichtssaison im Sommer. Vorsichtige Ankündigungen von Unternehmen und sogar Gewinnwarnungen haben im Juni bereits zugenommen – inmitten wachsender Bedrohungen eines möglichen Handelskriegs. Die meisten Aktienmärkte lieferten in der ersten Jahreshälfte durchmischte Erträge, während die Unternehmensgewinne weiter stiegen. Das hat zu sinkenden Bewertungskennziffern geführt und damit eine Sorge aus dem Januar abgemildert. Unsere Analyse der Positionierung von Investoren deutet zudem daraufhin, dass der Optimismus und die Selbstgefälligkeit bezüglich der Aktienmärkte deutlich gesunken sind. Der Momentum-Ansatz, also die Übergewichtung der am besten laufenden Aktien, hat – wie schon 2017 – exzellente Stockpicking-Ergebnisse geliefert, aber 2018 als Anleitung, in die richtigen Märkte zu investieren, komplett versagt.

Titel lieber thematisch als geographisch auswählen

Als Konsequenz nimmt unsere geografische Differenzierung ab. Wir bleiben vorsichtig bei Schwellenländeraktien aufgrund extern anfälliger Märkte wie die Türkei, Argentinien, Brasilien und Südafrika, wo die monetären und finanziellen Bedingungen sehr schlecht geworden sind. Ebenso sehen wir die Spannungen zwischen den USA und China kritisch, die ausschlaggebend für den zunehmend wachsenden Protektionismus zu sein scheinen. Wir haben aber unsere Präferenz europäischer Aktien gegenüber US-Titeln zurückgefahren. Die Fragilität der Regierungen in Großbritannien, Deutschland, Spanien und Italien sowie die politische Instrumentierung der Flüchtlingskrise haben die Schwächen des Aufbaus der Europäischen Union hervorgehoben. Gleichzeitig wurden die zaghaften Fortschrittsbemühungen ausgebremst und die Gespräche zum Post-Brexit-Abkommen verkompliziert. Auch wenn die EZB ihren Ausstieg aus dem Quantitative Easing (QE)[1] erfolgreich kommunizieren konnte, so wird ihre Entscheidung, den negativen Einlagenzins für fünf weitere Quartale beizubehalten, die Gewinnaussichten für den Bankensektor belasten. In den USA bevorzugen wir den Technologiesektor (entsprechend der Definition nach der veränderten Sektorenklassifizierung im September), da er von einer starken Erholung der Investitionen profitieren wird. Uns gefallen ebenfalls der Finanz- und der Energiesektor aufgrund ihres Gewinnwachstums und der angemessenen Bewertungen.

Bei Anleihen zählt weiterhin Selektivität

Wie wir erwartet hatten, sind die Renditen langfristiger Anleihen Anfang 2018 gestiegen. Bei deutschen Staatsanleihen hielt dieser Anstieg jedoch nur kurz an und die Rendite bewegte sich schnell wieder auf das niedrige Niveau von Herbst 2017 zu. Der Aufwärtstrend bei US-Anleihen zeigt sich zum Ende des ersten Halbjahrs mit zunehmender Risikoaversion ebenfalls leicht rückläufig. Die derzeit historisch hohe Differenz zwischen der Anleiherendite deutscher und US-amerikanischer Staatsanleihen beruht auf dem beträchtlichen Abstand im geldpolitischen Zyklus der EZB und der Fed. Allerdings wird diese Differenz ohnehin komplett eliminiert durch die Kosten der Währungsabsicherung. Die Situation für europäische Besitzer von Unternehmensanleihen war weniger vorteilhaft. Nervöse Investoren haben im Vorfeld des Auslaufens des Kaufprogramms der EZB, das auch Unternehmensanleihen umfasst, verkauft. Entsprechend haben die sich Ende 2017 noch sehr engen Risikoaufschläge ausgeweitet, obwohl die Fundamentaldaten weiterhin solide sind. Die Risikoaufschläge für Hartwährungsanleihen aus den Schwellenländern haben sich hingegen mit dem Erstarken des US-Dollars weiter verengt.

Von den Kernländer Europas fernbleiben

Wir halten an unserer Meinung fest, dass das Zinsrisiko in den Kernländern der Eurozone nur sehr dürftig belohnt wird und Investoren sich fernhalten sollten. Auch wenn die EZB entschieden hat, sich nur sehr langsam einer geldpolitischen Normalisierung anzunähern, hat der Prozess begonnen und wird im zweiten Halbjahr 2018 noch an Dynamik gewinnen. Die realen Zinssätze und die Laufzeitprämie spiegeln unserer Ansicht nach nicht eine Notenbank wider, die zunehmend bereit scheint, den Entwicklungen mit ihrer Politik hinterherzuhinken. Die Kreditmärkte scheinen derzeit weniger teuer. Wir sind daher hier etwas optimistischer für die zweite Jahreshälfte und konzentrieren uns auf Segmente, die im ersten Halbjahr trotz guter Fundamentaldaten am stärksten nachgegeben haben.

Fazit: Aufgrund des niedrigen Niveaus der Carry-Rendite[2], zumindest für europäische Investoren, bevorzugen wir weiterhin Aktien gegenüber Anleihen und bleiben unserem taktischen und antizyklischen Allokationsmanagement treu.

[1] Der Begriff "Quantitative Easing" (deutsch: quantitative Lockerung) bezeichnet eine unkonventionelle Art der Geldpolitik, die Notenbanken bei außergewöhnlichen Umständen anwenden können.

[2] Die Carry-Strategie besteht im Halten von Wertpapieren bis zur Fälligkeit, um insbesondere von den Zinskupons zu profitieren.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion