Plädoyer für Zuversicht Wagen wir mehr Optimismus in Zeiten der Polykrise
Krieg, Repression, moderne Sklaverei, Ungleichheit und nicht zuletzt Pandemie und Klimakatastrophe – es gibt viele Themen, mit denen wir uns in der sogenannten Polykrise auseinandersetzen müssen.
Der berühmte US-amerikanische Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau formulierte es so: „Auf je tausend, die an den Blättern des Übels zupfen, kommt einer, der es an den Wurzeln packt.“ Ich möchte niemand sein, der nur an Blättern zupft. Aber ist das Geflecht aus Ursachen und Wirkungen nicht so kompliziert, dass wir die eigentlichen Wurzeln kaum erkennen können?
Auf meinen weltweiten Reisen erlebe ich viel Optimismus – ganz anders, als es oft geschrieben wird. Ich sehe hart arbeitende Menschen, die freundlich zueinander sind. Ich sehe neue Kraft nach der Pandemie. Ich sehe Leidenschaft und Engagement für die Erde und ihre Bewohner. Ich sehe … Hoffnung.
In meinen Gesprächen mit Unternehmen habe ich oft gehört (und manchmal wiederholt), dass Hoffnung keine Strategie sei. Das soll natürlich vor einer nachlässigen Planung warnen. Denn wie sagte schon der berühmte Polarforscher Robert Swan? „Die größte Bedrohung für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anders ihn rettet.“ Ich fordere weder blindes Vertrauen noch möchte ich, dass wir uns aus unserer Verantwortung stehlen. Ganz im Gegenteil: Ich glaube, dass wir eine Zukunftsstrategie brauchen, die auf Hoffnung beruht – vorausschauend und optimistisch, ehrgeizig und konsequent, wirtschaftlich erfolgreich und zugleich menschlich. Ohne Hoffnung und Entschlossenheit werden wir die Probleme der Menschheit kaum bewältigen – und auch nicht ohne Zusammenarbeit und Innovationen.
Wir müssen gemeinsam vorgehen, damit sich in drei voneinander abhängigen Bereichen wirklich etwas tut: in der Politik, in der Wirtschaft und bei uns selbst. Wenn wir die Herausforderungen wirksam angehen wollen, müssen wir umdenken und unser Verhalten ändern. Dann kann Großes entstehen.
Politik
Die Politik muss klare und erreichbare Ziele vorgeben und zum langfristigen Wohlstand beitragen. Dazu braucht sie Informationen. Die Entscheider müssen die Welt genau verstehen und brauchen Mut, damit die Marktwirtschaft ihr Potenzial entfaltet. Politiker können dies nicht allein leisten. Führungskräfte aus allen Bereichen müssen sie unterstützen, auf sie Einfluss nehmen und sie informieren – für politische Entscheidungen im Einklang mit den gemeinsamen Zielen.
Wirtschaft
In einer Welt voller Herausforderungen muss die Wirtschaft krisenfester werden und ihre Geschäftsmodelle anpassen. Wir dürfen nie vergessen, dass der Kapitalismus wesentlichen Anteil am gesellschaftlichen Fortschritt des letzten Jahrhunderts hatte. Jetzt erleben wir aber große Veränderungen, angestoßen von den Aktionären. Die Marktteilnehmer müssen daher ehrlich zu sich selbst sein. Sie müssen erkennen, dass sie bei sich selbst etwas ändern müssen. Sie dürfen ihr Kapital nicht nur hin- und herschieben, sondern müssen es investieren – vor allem längerfristig.
Wir alle
1903 schrieb die taubblinde US-amerikanische Schriftstellerin Helen Keller ein Buch mit dem Titel „Optimism: An Essay.“ Man könnte meinen, dass es zu einer positiven Sicht auf den Alltag ermutigt. Doch darum geht es nicht. Keller, eine Frau, die weder sehen noch hören konnte (wohl aber sprechen, wenn auch mit Schwierigkeiten), analysiert den Optimismus am Beispiel verschiedener Völker, Länder und Führungskräfte. Das Buch führt uns vor Augen, dass wir es selbst in der Hand haben, ob wir Optimisten sind.
Natürlich kann man sich angesichts der großen Herausforderungen für die Menschheit leicht überfordert fühlen. Man kann niedergeschlagen oder verzweifelt sein und deshalb Verantwortung meiden. Wir alle müssen, um unseren Teil beizutragen, hart arbeiten und mehr vertrauen. Wir müssen Vorurteile aufgeben und neugieriger werden. Wir müssen unsere Komfortzone verlassen und etwas tun.
Optimismus ist eine Entscheidung. Wir haben es in der Hand. Jeder von uns muss überlegen, was er oder sie tun kann, um die Welt zu verbessern. Ja, die Demokratie ist gefährdet. Aber sie war es schon immer. Die Welt ist chaotisch und komplex, aber sie ist auch etwas ganz Besonderes. Sie ist so aufgebaut, dass sie sich immer wieder weiterentwickeln und verbessern kann. Ich bitte Sie, sich zu fragen, was Sie dazu beitragen können. Was können Sie geben?