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Postbank-Chefvolkswirt: Bleibt der Euro-Crash aus?

Quelle: Fotolia
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Mit aktuell 1,44 notiert der Euro gegenüber der US-Währung nur leicht unter dem Niveau vor Ausbruch der Krise in Griechenland Ende 2009. Auch gemessen an den Wechselkursen gegenüber anderen Währungen kann von einer signifikanten Euroschwäche keine Rede sein. So liegt der Index für den nominalen handelsgewichteten Euro-Außenwert gegenüber den Währungen der 20 wichtigsten Handelspartner nur knapp 9 Prozent unter dem Stand Ende 2009. Zwischenzeitlich hatte der Euro allerdings etwas stärker abgewertet. Bis Juni 2010, also kurz nach Verabschiedung des ersten Hilfspaketes für Griechenland, verbilligte sich die Gemeinschaftswährung bis auf 1,20 US-Dollar, das entsprach einer Abwertung von rund 20Prozent. Bei früheren Verschuldungskrisen kam es in der Regel zu einer deutlich dramatischeren Reaktion der Wechselkurse auf einen (drohenden) Zahlungsausfall des Staates. So wertete der russische Rubel gegenüber dem US-Dollar nach Ausbruch der Krise in 1998 innerhalb eines Jahres um 75 Prozent ab. Auch der argentinische Peso verbilligte sich gegenüber dem Greenback nach dem Zahlungsausfall des Staates im Jahr 2001 und Freigabe des Wechselkurses innerhalb kürzester Zeit um fast 75 Prozent. Die indonesische Rupie wertete Ende der 1990er Jahre sogar um 85 Prozent ab, der mexikanische Peso im Zuge des staatlichen Zahlungsausfalls 1982 um gut 80 Prozent. Droht dem Euro bei einer Fortsetzung der Krise und einem Zahlungsausfall weiterer Mitgliedsländer der Währungsunion ein ähnliches Schicksal? Verschuldungskrise im Euroraum ist keine Währungskrise Der Euro weist zu den genannten Währungen einige wesentliche Unterschiede auf. Viele Währungen der von einem Zahlungsausfall betroffenen Schwellenländer waren bis zum Ausbruch der Krise in einem System fester Wechselkurse an eine Leitwährung gekoppelt. Dies führte in einigen Fällen zu einer starken Überbewertung der heimischen Währung. Eine Freigabe des Wechselkurses bzw. signifikante Abwertung war ein wichtiger Bestandteil zur Lösung der Verschuldungskrise, nicht zuletzt um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft wieder herzustellen. Ganz anders die Situation beim Euro heute: Wie bei den anderen bedeutenden Währungen bilden sich die Wechselkurse beim Euro frei an den Devisenmärkten. Ein signifikanter, lang anhaltend über- oder unterbewerteter Wechselkurs durch eine feste Bindung an andere Währungen kann somit gar nicht erst entstehen. Dass keine grundlegende Fehlbewertung des Euro vorliegt, zeigt sich auch in der weitgehend ausgeglichenen Leistungsbilanz der Eurozone. Eine anhaltende Überbewertung einer Währung führt früher oder später immer zu einem ausgeprägten Leistungsbilanzdefizit, da die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der betreffenden Volkswirtschaft leidet. Dies war beispielsweise in einigen asiatischen Volkswirtschaften vor Ausbruch der Währungskrise Ende der 1990er Jahre der Fall. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass eine staatliche Verschuldungskrise nicht notwendigerweise mit einer Währungskrise, also einem rapiden Kursverfall der Währung, einhergeht. Dies ist nur dann der Fall, wenn neben der Überschuldung gleichzeitig eine signifikante Fehlbewertung der heimischen Währung besteht und/oder der Wechselkurs als Instrument zur Lösung der Verschuldungskrise eingesetzt wird. Auch bei einer frei schwankenden Währung wie dem Euro kann sich ein Wechselkurs zumindest eine zeitlang von seinem fundamental gerechtfertigten Niveau entfernen. So kann beispielsweise die jüngste Stärke des Schweizer Franken vor allem mit der Flucht der Anleger in einen vermeintlich sicheren Hafen erklärt werden. Welches Wechselkursniveau tatsächlich fundamental gerechtfertigt ist, lässt sich in der Praxis gar nicht so einfach ermitteln. Ein weit verbreiteter Ansatz ist das Konzept der Kaufkraftparität, das aber allenfalls auf sehr lange Sicht Gültigkeit beanspruchen kann. Danach verändert sich der Wechselkurs eines Währungspaares so, dass Unterschiede in den Inflationsraten ausgeglichen werden. Der Außenwert einer Währung, dessen Land eine höhere Inflationsrate aufweist, wertet gegenüber einem Land mit einer geringeren Inflationsrate tendenziell ab und umgekehrt. Auf diese Weise werden preislich bedingte Wettbewerbsunterschiede immer wieder ausgeglichen. Gemessen an der Kaufkraftparität ist der Euro gegenüber den anderen „großen“ Währungen aktuell etwas zu hoch bewertet. Der US-Dollar müsste gegenüber dem Euro um rund 15 Prozent aufwerten, um die Bedingung der Kaufkraftparität zu erfüllen. Demgegenüber weisen der Australische Dollar (plus 29 Prozent) und der Schweizer Franken (plus 38 Prozent) eine deutlich zu hohe Bewertung gegenüber dem Euro auf. Summa summarum lässt sich auf Basis der Kaufkraftparitäten eine signifikante Fehlbewertung des Euro, insbesondere gegenüber anderen bedeutenden Währungen, nicht nachweisen. Problemländer würden von Euro-Schwäche kaum profitieren Der Euro wird bei einem Zahlungsausfall Griechenlands aber auch aus einem weiteren Grund nicht so stark abwerten, wie dies bei anderen Verschuldungskrisen in der Vergangenheit der Fall war. Denn im Unterschied beispielsweise zum russischen Rubel oder dem argentinischen Peso handelt es sich beim Euro nicht um eine nationale, sondern um eine Gemeinschaftswährung. Der Außenwert des Euro ist letztendlich Resultat makroökonomischer und geldpolitischer Entwicklungen im gesamten Euroraum. Die griechische Wirtschaft trägt gerade einmal 2,6 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung im Euroraum bei. Auf Irland und Portugal entfallen sogar nur jeweils 1,8 Prozent. Zusammengenommen haben die Staaten, die sich unter dem Rettungsschirm der EU/des IWF befinden, somit nur einen Anteil von etwas mehr als 6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt der Eurozone. Werden Spanien (11,7 Prozent) und Italien (17,1 Prozent) als weitere mögliche Problemländer hinzugerechnet, steigt der Anteil auf ein Drittel der Wirtschaftsleistung. Die geringe wirtschaftliche Bedeutung der Problemländer ist allerdings auch genau Teil des Problems. Da der Euro kaum auf makroökonomische Fehlentwicklungen in diesen Staaten reagiert, findet auch kein vollständiger Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit über eine Abwertung der Gemeinschaftswährung statt. Stattdessen müssen sich die betroffenen Volkswirtschaften einem harten realen Anpassungsprozess unterziehen, der unter Anderem auch mit sinkenden Löhnen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit einhergeht. Sie würden von einer stärkeren Abwertung des Euro aber ohnehin nur wenig profitieren, da ein Großteil ihres Außenhandels innerhalb der EWU stattfindet und somit von Wechselkursänderungen nicht beeinflusst wird. Der Anteil der Exporte in Nicht-EWU-Länder liegt in Griechenland bei nur 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in Portugal bei 8 Prozent, in Spanien bei 9 Prozent und in Italien bei 11,5 Prozent. Lediglich die irische Volkswirtschaft würde von einer Abwertung des Euro in nennenswertem Ausmaß profitieren, da etwa ein Drittel der Wirtschaftsleistung in Länder außerhalb der Eurozone exportiert wird. Globale Anleger kommen am Euro nicht vorbei Ein weiterer Grund für eine vergleichsweise hohe Stabilität des Euro in der Krise liegt in der Bedeutung des Währungsraumes für den Welthandel und globalen Kapitalmarkt. Bei den eingangs erwähnten Währungen, die im Zuge eines staatlichen Zahlungsausfalls massiv abgewertet haben, handelt es sich ausnahmslos um Währungen von Schwellenländern. Diese sind aufgrund der relativ geringen Marktgröße sehr viel anfälliger für spekulative Attacken und unterliegen einer sehr viel größeren Volatilität. Bereits geringfügige Kapitalabflüsse, ausgelöst durch einen Vertrauensschwund bei Investoren und Gläubigern, können daher große Schwankungen im Wechselkurs bewirken. Der Euro befindet sich hier in einer deutlich komfortableren Position: Die Gemeinschaftswährung ist nach dem US Dollar die weltweit bedeutendste Anlagewährung. Gut 60 Prozent der globalen Devisenreserven entfallen auf den US Dollar, gut ein Viertel auf den Euro. Der Euro hat in der Krise nur geringfügig Marktanteile an andere Währungen verloren. Ein massiver Kapitalabfluss aus dem Euroraum ist bis dato nicht erkennbar. Andere Währungen spielen neben dem US-Dollar und dem Euro nur eine marginale Rolle. So entfallen auf das britische Pfund gerade einmal 4 Prozent der globalen Devisenreserven, beim japanischen Yen sind es 3 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei einer Analyse der globalen Devisenmarktumsätze. US-Dollar und Euro sind hier mit einem Anteil von 40 Prozent bzw. 20 Prozent mit weitem Abstand die wichtigsten Währungen. Die bislang erfolgslosen Versuche Chinas und anderer Staaten, einen Ersatz für den Dollar als Anlagewährung zu schaffen, zeigen wie schwer es ist eine einmal etablierte Reservewährung mit einem großen Anlagemarkt von ihrem Platz zu verdrängen. Letztlich sind viele Währungen und die damit zusammenhängenden Anlageprodukte viel zu klein und illiquide, um die globale Ersparnis zu absorbieren. Insofern wird es auch in den kommenden Jahren trotz Krise allenfalls graduelle Verschiebungen in den Marktanteilen der Währungen geben. Euro-Crash nur bei Zahlungsausfall eines großen Mitgliedsstaates Eine ernsthafte Gefahr für den Außenwert des Euro bestünde unseres Erachtens nur dann, wenn es zu einem Zahlungsausfall oder sogar Austritt eines der drei großen Mitgliedsstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien) käme oder die Europäische Zentralbank im Vergleich zu anderen Notenbanken signifikant vom Ziel der Preisniveaustabilität abrücken würde. Beide Szenarien halten wir auf absehbare Zeit für unwahrscheinlich. Allerdings ist es für den langfristigen Erhalt der EWU unerlässlich, die grundlegenden Konstruktionsmängel der Währungsunion – wie von der Wissenschaft gefordert – zu beseitigen.  Hierzu zählt insbesondere eine verbesserte EWU-weite Koordinierung in weiteren Politikbereichen, insbesondere der Fiskal-, Lohn- und Sozialpolitik. Mit dem Euro-Plus-Pakt wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Allerdings sollte die Verbindlichkeit der vorgesehenen Maßnahmen durch Sanktionen bei Nichteinhaltung noch erhöht werden. Anderenfalls besteht ein Risiko, dass sich die Staaten nicht an die Vereinbarungen halten und sich innerhalb des Euroraums immer wieder Ungleichgewichte aufbauen, die den Euro vor eine Zerreißprobe stellen.

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