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Prinzip „Sovereign Ceiling“ Kann ein Unternehmen kreditwürdiger sein als sein Staat?

Gerd Kommer ist Honorarfinanzanlagenberater und Chef des Münchner Finanzdienstleisters Gerd Kommer Invest. Aus Kommers Feder stammen auch mehrere Sachbücher zu Finanzthemen.
Gerd Kommer ist Honorarfinanzanlagenberater und Chef des Münchner Finanzdienstleisters Gerd Kommer Invest. Aus Kommers Feder stammen auch mehrere Sachbücher zu Finanzthemen. | Foto: Gerd Kommer Invest

Aufgrund des historisch niedrigen Zinsniveaus in Deutschland haben Privatanleger, getrieben von ihren Finanzberatern oder den Medien, ab ungefähr 2014 immer häufiger ihre bestehenden Investments in sicheren Staatsanleihen oder Tagesgeldern innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherung in "ertragsstärkere" Anlageformen umgeschichtet. Eine der Asset-Klassen, die in diesem Zusammenhang oft als ertragsstärkere Alternative genannt wird, sind Unternehmensanleihen von großen, mittleren oder kleinen Unternehmen. Nicht wenige Privatanleger halten Staatsanleihen im Kontext der allgemeinen Staatsschuldendiskussion sogar grundsätzlich für eine fragwürdige, weil zu risikoreiche Asset-Klasse.

Um die Implikationen einer aus Risikosicht oft hochproblematischen Umschichtung von im Vergleich sicheren Staatsanleihen in weniger sichere Unternehmensanleihen oder Bankguthaben (also Bankschulden) voll verstehen zu können, ist es hilfreich, sich mit dem Prinzip des Sovereign Ceiling (sinngemäß "staatliche Deckelung", Sovereign = der Staat) zu befassen. Es besagt, dass Unternehmen einschließlich Banken als Schuldner aus strukturellen Gründen fast immer eine schlechtere Kreditqualität (Bonität) als der "Heimatstaat" des Unternehmens bzw. der Bank haben müssen.

Die "Sovereign Ceiling" ist ein Grundpfeiler der Bonitätsanalyse von Unternehmensanleihen (der "Souverän" = Staat, "Ceiling" = Decke) durch Rating-Agenturen und Kreditabteilungen von Banken. Das Sovereign-Ceiling-Prinzip besagt, dass Unternehmensanleihen den Rating-"Deckel" des Staats, der das Unternehmen beherbergt, eigentlich nicht durchstoßen können. Dass also das Rating der Unternehmensanleihe bestenfalls gleich gut und in der Regel schlechter ist als des betreffenden Staates. In diesem Zusammenhang sind zwei begriffliche Präzisierungen notwendig: (a) Mit "beherbergender" Staat ist dasjenige Land gemeint, in dem ein Unternehmen den größten einzelnen Teil seiner wirtschaftlichen Aktivität entfaltet und in dem es typischerweise seinen Unternehmenssitz hat – gewissermaßen der "Heimatstaat" des Unternehmens. (b) Wenn hier Unternehmensanleihen und Anleihen des beherbergenden Staates in Bezug auf Bonität (ausgedrückt im Rating der Anleihen) miteinander verglichen werden, wird stets unterstellt, dass diese Anleihen die gleiche Währung und die gleiche Laufzeit aufweisen.

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Unternehmen in Industrieländern, die ein besseres Rating besitzen als der Staat, in dem sie ihren Hauptsitz haben, kann man weltweit an wenigen Händen abzählen und fast alle dieser seltenen Ausnahmen sind nur eine Rating-Stufe (einen "Notch") besser als ihr Heimatstaat. Bei ca. 25 Rating-Stufen ist das – insbesondere in den oberen Rating-Stufen – ein vernachlässigbarer Vorteil. Erfahren die Anleihen eines Staates einen "Rating-Downgrade" (Rating-Herabsetzung), geschieht kurz danach dasselbe mit den in diesem Staat beheimateten Unternehmensanleihen. Das kann eigentlich nur dann ausbleiben, wenn das Rating des Unternehmens schon vorher deutlich schlechter war als das des Staates. Ein Beispiel: Sollte die Bundesrepublik Deutschland bonitätsmäßig "den Bach runtergehen", dann wäre es ein Wunder biblischen Ausmaßes, wenn BMW-Anleihen, die schon immer ein merklich schlechteres Rating besaßen als die Anleihen der Bundesrepublik Deutschland, sich im A+ Bereich (vier Stufen unter dem DE-Staats-Rating) halten könnten, wo sie derzeit angesiedelt sind; von Anleihen von Banken oder kleineren Unternehmen ganz zu schweigen. Sie alle würden mit dem Rating des Sovereigns im Konvoi nach Süden abdrehen.

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