Entscheidungshilfe vom Experten Warum sich eine Immobilie als Kapitalanlage nicht für jeden eignet
Eine Immobilie als Geldanlage kaufen – ja oder nein? Wer vor dieser Entscheidung steht, sollte sich zunächst einmal ein paar grundlegende Fragen stellen, meint Dirk Scobel, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg: „Immobilien als Kapitalanlage sind eine langfristige Sache und da muss man sich sehr genau überlegen, ob man das wirklich will.“ Das eigne sich nicht für jeden und in jeder Lebenssituation – und sei auch nicht unbedingt notwendig. „Es gibt auch andere Wege, um fürs Alter vorzusorgen.“ Wichtig sei, ehrlich zu sich selbst zu sein und seine Motive zu hinterfragen. „Weil andere es auch machen“ reiche als Grund nicht aus, so der Baufinanzierungsexperte.
Scobel rät, sich zunächst einmal mit der eigenen Lebensplanung auseinanderzusetzen. Dabei könnten Fragen helfen wie: Wo möchte ich (in einigen Jahren) leben? Welche beruflichen Pläne habe ich und wie würde sich das auf mein Gehalt auswirken? Möchte ich eine Familie gründen und was würde das für meine Wohnsituation bedeuten? Wer etwa einen Umzug quer durch Deutschland plane, sollte sich gut überlegen, ob eine vermietete Immobilie am jetzigen Wohnort das richtige sei. Lebt man selbst zu Miete, könnte es – je nach Lebenssituation und Wohnort – sinnvoll sein, zunächst in eine Immobilie zur Eigennutzung zu investieren. „Es kann hilfreich sein, verschiedene Szenarien durchzuspielen“, meint Scobel.
An zweiter Stelle stehe dann die Bestandsaufnahme: Wie viel Geld kann und möchte ich ausgeben? Was für eine Immobilie suche ich? Welche Ziele möchte ich damit erreichen? Wer diese Fragen für sich geklärt habe, könne mit der Suche nach einem passenden Objekt beginnen. Wichtig sei, sich dabei Zeit zu lassen. Scobel rät, sich im Umkreis von 50 bis maximal 100 Kilometer vom eigenen Wohnort nach Immobilien umzuschauen. „Man sollte die Gegend kennen.“ Auch sei entscheidend, die Wohnung immer selbst zu besichtigen – im besten Fall mit einem Sachverständigen, der einschätzen könne, worauf man achten muss.
Bei Eigentumswohnungen sei auch der Blick in die Protokolle der Eigentümerversammlung unerlässlich. Wie ist die Eigentümer-Struktur? Welche Renovierungs- und Sanierungsarbeiten wurden bereits erledigt, was ist noch geplant? Interessenten sollten sich genügend Zeit für die Prüfung der Unterlagen nehmen und sich nicht unter Druck setzen lassen.
Vorsicht bei Finanzierungsmodellen mit Sparprodukten
Das gilt auch für die Verträge: „Ich würde immer ein Finanzierungsmodell wählen, das ich auch verstehen kann“, rät Scobel. Generell sei die Rückzahlung von Krediten sinnvoller als stattdessen in Sparprodukte einzuzahlen. Verstehe man etwas nicht, solle man unbedingt nachfragen. Auch die Prüfung eines Vertrags durch einen Rechtsanwalt oder anderen Experten könne hilfreich sein. Dann empfehle es sich, im Darlehensvertrag zu schauen, wie lange die Rückzahlung des Kredits dauern soll. „Man sollte wissen, wann das Darlehen abbezahlt ist“, so der Experte.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Vorsicht sei bei größeren Zahlungen im Kaufvertrag geboten, die nicht genau erklärt sind. „In einem solchen Fall sollten Käufer unbedingt fragen, wofür die Zahlung ist“, sagt Scobel. Sei das Geld etwa für eine Sanierung gedacht, müsse das auch so drinstehen.
Bei all dem sollten Anleger bedenken, dass eine vermietete Immobilie Arbeit bedeute. Der Vermieter müsse nicht nur geeignete Mieter finden, sondern sich auch um Reparaturen, Renovierungen und Abrechnungen kümmern. Zwar sei es möglich, Aufgaben an eine Hausverwaltung auszulagern, allerdings sei das teuer. „Anleger sollten genau schauen, ob ihre Kalkulation dann noch stimmt“, empfiehlt Dirk Scobel. Wer jeden Monat draufzahle, müsse sich genau überlegen, ob das sinnvoll sei.
All-Inklusive-Angebote – mit denen etwa der in die Kritik geratene Influencer „Immo Tommy“ wirbt – sieht Scobel daher skeptisch: „Bei solchen Angeboten sollten Anleger genau hinschauen und sich nicht von Versprechen blenden lassen.“ Generell gelte, sich nicht auf eine Quelle zu verlassen und sich gut zu informieren, sagt Scobel: „Man sollte sich auf keinen Fall allein auf die Aussagen eines Influencers verlassen.“