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Abseits der Börse Private Equity im Märchenland

Schild der Beteiligungsgesellschaft Blackstone in der Park Avenue in New York
Schild der Beteiligungsgesellschaft Blackstone in der Park Avenue in New York: Immer mehr Privatbanken wollen Private-Equity-Fonds einem größeren Kundenkreis anbieten. | Foto: Imago Images / Becker & Bredel

Alle börsengehandelten Immobilienfonds hatten 2022 wegen steigender Zinsen einen schweren Stand, im Mittel verloren sie in den USA 25 Prozent. Alle Immobilienfonds? Ein einzelner privater Megafonds, der Blackstone Real Estate Income Trust, wies ein Plus von 8 Prozent auf.

Wie ist das möglich? Diese Frage stellten sich im Jahresverlauf immer mehr Investoren im riesigen Trust und wollten lieber ihr Geld zurück. Das ging so weit, dass Blackstone Milliarden von Rücknahmen ablehnen musste. Aber wieso wollen so viele Investoren ihr Geld zurück, wenn die Mitarbeiter von Blackstone einen so viel besseren Job abliefern als die öffentlich Immobilienfirmen? Steckt hinter der hervorragenden Performance wahre Magie oder handelt es sich hier einfach nur um einen billigen Zaubertrick bei der Bewertung der Immobilien?

„A man hears what he wants to hear and disregards the rest“, heißt es so schön zeitlos in Paul Simons Song „The Boxer“. Sich selbst etwas vorzumachen ist natürlich auch eine der größten Gefahren beim Investieren. Doch es sind nicht nur Privatanleger, die oft zu lange an längst geplatzten oder gar als Betrug entlarvten Storys festhalten. Institutionelle Investoren besitzen genauso die Fähigkeit, sich selbst zu belügen.

Nirgends wurde dies deutlicher als beim fantastischen Boom von Private Equity Investments über die letzten zwei Dekaden. Laut Bain&Company generierten Private Equity Investments von 1980 bis 2020 am US-Markt eine jährliche Rendite von 13,1 Prozent gegenüber einer Rendite des US-Aktienmarktes von 8,1 Prozent. Diese Überrendite kam auch noch mit viel weniger Volatilität zustande als bei Publikumsaktien. Das ist der Traum aller institutionellen Investoren, welche ganz gemäß der orthodoxen Finanzmarkttheorie die Volatilität einer Anlage als ihr einziges Risiko betrachten. Gemäß Empirical Research haben US-Pensionsfonds ihre Allokation in Private Equity über die letzten 20 Jahre von 3 auf 12 Prozent ihrer Portfolios ausgebaut.

 

Doch die schönen Leistungsausweise in den Präsentationen sind mit Vorsicht zu genießen, weil die Private Equity Fondsanbieter ihre Nettoinventarwert (NAV) selbst bewerten oder nur selektiv die erfolgreichen Fonds zeigen. Seit die Anlageklasse boomt, schwinden zudem die Renditen durch die starken Zuflüsse zwangsläufig. Wie Antti Ilmanen in seinem Standardwerk „Investing Amid Low Expected Returns“ berichtet, weisen Private-Equity-Fonds ab 2006 keine Mehrrendite mehr gegenüber einem Investment am öffentlichen Aktienmarkt aus, wenn man das Leverage durch Kredite in den Vergleich einbezieht.

Grob gesagt entstanden gemäß Illmanens Studien die Renditevorteile von Private Equity früher durch tiefe Bewertungen der übernommenen Firmen, also den Value-Faktor, später noch durch höheres Leverage. Jetzt sind sie ganz verschwunden. Der einzige Vorteil, der bleibt: Die Kurse schwanken nicht so stark, da sie oft nur monatlich ermittelt und die Fondspreise selbst geschätzt werden.

Investoren wollen die Preise nicht sehen

„Die Investoren akzeptieren wissentlich tiefere Renditen für das Privileg, die Preise nicht sehen zu müssen“, bringt es Cliff Asness von der Quantfirma AQR auf den Punkt. Niemand bei Verstand kann behaupten, dass ein mit Krediten gehebeltes Aktienportfolio in Private Equity weniger riskant sein soll als öffentlich gehandelte und damit liquidere Aktien. Nur auf die Volatilität als Risikokennzahl fixierte Institutionelle und ihre Consultants sind dazu fähig.

Den wahren Wert eines Private Equity Investments sieht man erst, wenn die gekauften Firmen verkauft werden und die Investoren das Geld zurückerhalten. Hier hat die Private Equity Industrie auch eine so raffinierte wie inzestuöse Lösung gefunden.

Laut Empirical Research werden mittlerweile 42 Prozent aller aus Private Equity Besitz verkauften Firmen von anderen Private Equity Fonds gekauft; die eine Hand wäscht die andere. Dieses Ringel-Reihe-Spiel war so lange möglich, weil die Zinsen auf das eingesetzte Fremdkapital über die letzten 30 Jahre immer günstiger wurden und sich somit die Private Equity Gesellschaften dank Krediten und Mittelzuflüssen die Unternehmen zu immer höheren Preisen weiterverkaufen konnten. Dieses Umfeld hat sich seit dem letzten Jahr aber wegen des Zinsanstiegs massiv verschlechtert (siehe Grafik unten).

Die Grafik zeigt die Zinsrate einer US-Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 3 Monaten
von 1979 bis 2022
Die Grafik zeigt die Zinsrate einer US-Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 3 Monaten von 1979 bis 2022: © St. Louis Fed

Laut den aktuellen Zahlen von Cambridge Associates verloren amerikanische Private Equity Investments im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich gerade mal 5 Prozent, während der S&P 500 über 20 Prozent im Minus notierte. Kann es sein, dass die Firmen im Besitz von Private Equity viel robuster sind und weniger vom Wirtschaftszyklus abhängen?

Laut Empirical Research liegt der Anteil des Technologiesektors bei Private Equity mit rund 36 Prozent doppelt so hoch wie im amerikanischen Small-Cap-Markt. Der Technologiesektor ist von Natur aus eher zyklisch, es kann also nicht sein, dass Private Equity Firmen als Ganzes weniger zyklisch sind als die börsennotierten Unternehmen.

Wenn man die Renditen des Small-Cap-Index Russell 2000 und die des Nasdaq Small Cap Technology Index betrachtet, standen diese bei miesen -20,5 Prozent und -35,8 Prozent für das Jahr 2022. Die Rendite von Private Equity als Industrie sollte also irgendwo in der Mitte liegen, wenn die Firmen etwa die gleichen Charakteristika wie diese Aktienindizes aufweisen.

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Anzeichen dafür gibt es. Wie der Stratege Chris Wood von Jefferies berichtet, werden Private Equity Funds mit Lockups derzeit zu Discounts von rund 20 Prozent zum offiziellen NAV gehandelt. Diese Marktpreise auf dem Sekundärmarkt dürften der Realität näherkommen als die offiziellen Preise der Fondsanbieter. Die große Gefahr eines zu hoch ausgewiesenen NAV ist jedoch, dass damit in der Krise der Anreiz steigt, die geschönten Preise für Rücknahmen zu nutzen. Damit erklärt sich der jüngste Run zur Rückgabe von Anteilen des Blackstone Real Estate Trust.

 

Schulden: Der Segen wird zur Achillesferse

Die eigentliche Achillesferse von Private Equity ist jedoch die hohe Schuldenaufnahme, die wesentlicher Teil des Geschäftsmodells ist. Diese Strategie hatte 40 Jahre lang durch fallende Zinsen Rückenwind. 2022 sind die Zinsen weltweit stark angestiegen. Was hat diese Tatsache für einen Einfluss auf den Sektor?

Unternehmen aller Art konnten enorm stark von den historisch tiefen Zinsen profitieren, sowohl private wie börsennotierte Unternehmen. In einem kleinen Detail liegt aber der Hund begraben: Börsennotierte Unternehmen nutzten die tiefen Zinsen dazu, sich eher langfristig zu finanzieren, die durchschnittliche Laufzeit ihrer Schulden liegt bei zirka acht Jahren.

Private Equity Firmen haben sich dagegen nur sehr kurzfristig finanziert, da dort die Zinsen tiefer waren. Rund 80 Prozent aller Schulden von Private Equity Firmen sind entweder variabel verzinst oder weisen eine Laufzeit von weniger als einem Jahr auf. Aus diesem Grund werden die gestiegenen Zinsen sehr viel schneller zum Problem bei Private Equity als bei börsennotierten Unternehmen. Am Markt werden Leveraged Loans, also Darlehen an hoch verschuldete Firmen im Besitz von Private Equity, derzeit mit erdrückenden Dollar-Zinsen von 9 Prozent gehandelt. Der Markt für diese Ramschpapiere ist wegen renditehungriger Investoren in den letzten Jahren auf 1430 Milliarden Dollar angeschwollen.

Der schwerste Rucksack von allen

Es kommt aber noch schlimmer: nicht nur sind Private Equity Firmen kurzfristiger finanziert, sie tragen auch noch eine massiv höhere Schuldenlast als Firmen an der Börse. Eine Analyse von Empirical Research hat ergeben, dass das Verhältnis der Schulden zum Bruttocashflow (Ebitda) bei Private Equity Unternehmen durchschnittlich bei über 5,5x liegt. Zum Vergleich beläuft sich die Schuldenlast im breiten Russell-2000-Index auf 4x und im S&P 500 auf passable 1.3x Ebitda.

Wie wir jetzt gesehen haben, ist Private Equity als Sektor eher zyklischer, höher verschuldet und kurzfristiger finanziert als öffentlich handelbare Unternehmen. Wie kann es also sein, dass die Renditen dieser privaten Aktienfonds im letzten Jahr trotzdem so viel besser gewesen sein sollen als die der öffentlichen Börsentitel? Besteht der Private Equity Sektor wirklich aus einem Haufen begnadeter Stockpicker und Unternehmenssanierer oder handelt es sich eher um eine Art stilles Einverständnis zwischen Gebühren kassierenden Anbietern und volatilitätsscheuen Großinvestoren, es bei der Preisermittlung nicht so genau zu nehmen?

Ein spektakulärer Kollaps vieler dieser schuldenfinanzierten Vehikel in naher Zukunft würde uns nicht überraschen, samt einer gewaltigen Verkaufspanik ihrer Investoren. Doch wegen der üblichen Lockups in Private Equity Fonds werden viele Institutionelle in der nächsten Krise zuerst verkaufen, was sie noch verkaufen können, nämlich börsengehandelte Aktien, anstatt dem, was sie eigentlich zuerst verkaufen sollten: Überbewertete und zu stark gehebelte Private Equity Investments.

Eine solche notgetriebene Verkaufswelle bei liquiden Publikumsaktien braucht uns Value-Investoren jedoch nicht zu beindrucken: Volatile Kurse sind in unseren Augen nicht das Risiko eines Investments. Hat eine Firma eine starke Bilanz und erzielt sie hohe Free Cashflows, so sind tiefere Preise ihrer Aktien kein Fluch, sondern sein Segen, den wir gerne zu Nachkäufen nutzen.

Livio Arpagaus
Livio Arpagaus © Quantex AG

Über den Autor: Livio Arpagaus wurde schon früh von der Faszination des Value Investings gepackt und investiert seit dem 12. Lebensjahr in Aktien. Um mehr über das Thema zu lernen, schloss er das Masterstudium in Rechnungswesen und Finanzen an der Universität St. Gallen und zeitgleich den CIIA-Lehrgang ab. Er nutzte die Möglichkeit schulischer Austauschprogramme und lebte während zwei Jahren in Alaska, Kanada und Taiwan. In seiner Freizeit versucht er so viel Zeit wie möglich in der Natur zu verbringen, entweder am Kletterseil, auf dem Snowboard oder in den Wanderschuhen.

 

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