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Pro & Contra Autoaktien: Zurück in die Spur oder Rauswurf in der nächsten Kurve?

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Martin Wirth, Manager des FPM Stockpicker Germany All Cap


Das durch die aktuellen Krisen überstrapazierte Nervenkostüm vieler Aktien-Investoren hat dazu geführt, dass Autoaktien deutscher Premium-Hersteller an der Börse in Ungnade gefallen sind. Dementsprechend werden sie mit einem über 40-prozentigen Abschlag auf den bereits fair bewerteten Gesamtmarkt gehandelt. Gleichzeitig produzieren diese Unternehmen Rekorde in jeder Hinsicht: Gewinne, Investitionen in künftige Produkte, Antriebstechnologien und Digitalisierung sowie freie Cash-Flows. Die Bestände an liquiden Mitteln erreichen ebenfalls Rekordniveaus.

Nach unserer Ansicht haben deutsche Autobauer überschüssige Cash-Bestände in Milliardenhöhe, die selbst bei vorsichtigen Erwartungen an die Aktionäre zurückgegeben werden könnten und sollten. Gleichzeitig bieten BMW und Daimler Dividendenrenditen von jährlich 4 bis 5 Prozent und erwirtschaften deutlich zweistellige Kapitalrenditen. Weil sie entgegen der Einschätzung des Kapitalmarktes keine Massenware herstellen, sondern Luxusprodukte: Diese werden von Konsumenten weltweit nachgefragt, sind dank deren Wahrnehmung unterscheidbar und lassen demzufolge Überrenditen zu.

Um den enormen Bewertungsabschlag zu rechtfertigen, muss man eigentlich einen Gewinneinbruch von mindestens 30 Prozent unterstellen. Dies ist nur bei einem massiven Absatzeinbruch beziehungsweise einer Rezession vorstellbar – oder aber, wenn bestimmte Marktveränderungen die Profitabilität massiv reduzieren würden. Aber ist das realistisch?

Weltweit wurden im vergangenen Jahr rund 85 Millionen Fahrzeuge verkauft. Für 2016 erwartet IHS Automotive, ein weltweit tätiges Analysehaus, ein globales Wachstum von 2 bis 3 Prozent, wobei China und Europa etwas stärker wachsen sollten. Optimistisch stimmen uns für Europa die breit angelegte Verbesserung der Absatzzahlen in allen wichtigen Ländern, die stabile konjunkturelle Entwicklung und die positive Beeinflussung des Konsumentenverhaltens (geringe Arbeitslosigkeit, Ölpreis und Niedrigzinsphase).

Eine global wachsende Mittelschicht wird auch künftig die Nachfrage des Premium-Segments treiben. Pessimisten verweisen auf das Ende des Autozyklus in den USA, der sich von der abgesetzten Stückzahl betrachtet zurzeit aber auf einem eher durchschnittlichen Niveau befindet. Mittelfristig könnten auch momentan gebeutelte Märkte wie Brasilien oder Russland wieder Impulse liefern. Alles in allem bewegt sich der globale Autoabsatz eher auf einem normalen Niveau als in einer Spitze.

Natürlich gibt es einige Entwicklungen, die mittelfristig eine Belastung darstellen könnten. So zum Beispiel die erschwerte Erfüllung von CO2-Vorgaben durch einen regulatorisch bedingten Rückgang des Dieselanteils oder den steigenden Anteil von SUV-Fahrzeugen. Allerdings sind höhere Kosten durch zum Beispiel mehr Plug-In-Hybride und Elektrifizierung für Premium-Hersteller eher zu verkraften als für Massen-Hersteller.

Autonomes Fahren ist für uns auf absehbare Zeit eine Chance: Assistenzsysteme sind als Extras vermutlich mit hohen Margen zu verkaufen. Vollautonomes Fahren in Städten, das den Fahrzeugbedarf theoretisch sinken lassen würde, ist aber noch Jahrzehnte entfernt. Und die Konkurrenz durch digitale Player wie Apple und Google? Während chinesische Unternehmen nach ein paar Jahren zu etablierten Herstellern fast gleichwertige Smartphones herstellen, ist Wettbewerb im Bereich der Premium-Fahrzeuge Fehlanzeige.

So viel zum Thema wahre Markteintrittsbarrieren. Um auch künftig bei Innovationen vorne dabei zu sein, war es ein wichtiger Schachzug der drei deutschen Hersteller Audi, BMW und Daimler, mit Nokia Here einen Anbieter von hochpräzisem Datenmaterial für 3-D-Straßenkarten zu kaufen.

Was die deutschen Automobilunternehmen zweifelsohne treffen würde, wäre eine Abwertung des Yuan. Mit Ergebnisanteilen je nach Hersteller von 20 bis 50 Prozent würde ein starker Wertverfall der chinesischen Währung einen mehr oder weniger großen Ergebniseinfluss haben. Aber angesichts des aktuell hohen Bewertungsabschlags erscheint uns dies bereits vorweggenommen.

Fazit: Diverse Ängste vor Ereignissen, deren Eintreten kurzfristig möglich, aber eher unwahrscheinlich ist, sowie vor Themen, die bestenfalls eher langfristiger Natur sind, haben die Bewertungen deutscher Autowerte auf Niveaus gedrückt, die für uns als antizyklische Value-Investoren ein vielversprechendes Umfeld darstellen.

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