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Pro & Contra Börse Indien: Reformer-Wunderland oder viel Lärm um nichts?

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Contra: Michael Keppler, Manager des GAF Emerging Markets High Value

„Indiens Börse verdient keine Prämie, sondern einen Abschlag!“

Mit einem am MSCI India gemessenen Plus von 32,3 Prozent (auf Euro-Basis) gehört die indische Börse in diesem Jahr zu den am besten gelaufenen Aktienmärkten der Welt. Damit sind die Kurse jedoch der fundamentalen Entwicklung des Landes weit vorausgeeilt.

Aktuell liegt das Kurs-Buchwert-Verhältnis des MSCI Indien bei 2,95 und damit um 84 Prozent höher als das KBV des MSCI Emerging Markets (1,60). Bei anderen konventionellen Bewertungskennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (19,6 zu 13,4) oder der Dividendenrendite (1,38 Prozent zu 2,66 Prozent) steht Indien ebenfalls deutlich schlechter da. Insgesamt ist der MSCI India unseren Berechnungen zufolge gegenüber dem MSCI Emerging Markets derzeit um 71 Prozent überbewertet. Während der Gesamtkomplex der Emerging Markets im Vergleich zu den Börsen der Industrieländer derzeit um 22 Prozent unterbewertet ist, liegt die Prämie für den indischen Aktienmarkt aktuell bei 35 Prozent.

Nun mag man der Auffassung sein, dass indische Aktien aufgrund ihrer vergangenen Entwicklung, ihrer außergewöhnlichen Ertragsstrukturen oder wegen ihrer günstigen Zukunftserwartungen etwas Besonderes seien und deshalb einen hohen Bewertungsaufschlag im Vergleich zu anderen Emerging-Markets- beziehungsweise auch Industrieländer-Aktien rechtfertigen. Ein historischer Vergleich scheint diese Annahme tatsächlich zu bestätigen. Zumindest in punkto Ertragssteigerungen war es nämlich in der jüngsten Vergangenheit tatsächlich ein Privileg, im Besitz indischer Aktien zu sein.

So stiegen die Unternehmensgewinne in lokaler Währung seit Ende 2007 mit 10,6 pro Jahr dreimal so stark wie jene der im MSCI Emerging Markets enthaltenen Unternehmen (3,4 Prozent pro Jahr). Jedoch fand diese Erkenntnis bereits ihren Niederschlag in den Bewertungen gemessen an Buchwerten, Cashflows, Gewinnen und Dividenden. Diese waren nämlich auch im Durchschnitt der vergangenen sieben Jahre um 70 Prozent höher als die des MSCI Emerging-Markets-Index.

Was ist also das Besondere am indischen Aktienmarkt, das so hohe Prämien rechtfertigt? Sehen wir uns die Renditen an, die ein Investor ohne Spesen und sonstige Kosten dort hätte theoretisch erzielen können. Hier sind die Jahresergebnisse des MSCI Indien in Euro nach Abzug von Quellensteuern seit 2008 (in Klammern die jeweilige Rendite des MSCI Emerging Markets):

2008 - 62,8 % (- 50,9 %)
2009 + 96,5 % (+ 72,9 %)
2010 + 29,4 % (+ 27,1 %)
2011 - 35,1 % (- 15,7 %)
2012 + 24,0 % (+ 16,4 %)
2013 - 8,0 % (- 6,8 %)
2014* +32,3 % (+15,7 %)
* bis Ende August

Die enormen Kursschwankungen der vergangenen Jahre zeigen, dass indische Aktien selbst für hartgesottene Anleger schwer verdaulich waren und die in sie gesetzten Erwartungen zumindest seit Jahresbeginn 2008 keineswegs erfüllt haben. Vier Jahren mit einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung stehen drei Jahre mit einer unterdurchschnittlichen Wertentwicklung gegenüber. Aufgrund der geometrischen Verknüpfung der Kapitalmarktrenditen schlugen die schlechten Jahre jedoch stärker zu Buche als die guten Jahre: Um einen Verlust von 50 Prozent wieder aufzuholen, braucht man bekanntlich einen Gewinn von 100 Prozent! Deshalb verlor der indische Aktienmarkt in den sechs Jahren und acht Monaten seit Anfang 2008 bis Ende August 2014 gemessen am MSCI Indien Index 7,3 Prozent, während der MSCI Emerging Markets Index im gleichen Zeitraum um 14,2 Prozent zulegte.

Bedauerlicherweise sieht es mit den Risikostrukturen ebenfalls nicht gut aus. Traditionelle Risikokennzahlen wie der größte Wertverlust von einem vorherigen Höchststand (Largest Drawdown) war im MSCI Indien mit 64,2 Prozent deutlich höher als der der Benchmark (52,6 Prozent). Noch schlechter steht es beim monatlichen Verlusterwartungswert (3,10 Prozent im Vergleich zu 1,99 Prozent bei der Benchmark) und bei der Standardabweichung der Monatsrenditen (8,63 Prozent gegenüber 5,86 Prozent). Resultat: Niedrigere Renditen bei überdurchschnittlichem Risiko. Also, Indien – Nein Danke!

Der indische Aktienmarkt verdient keine Prämie von 70 Prozent gegenüber dem MSCI Emerging Markets, sondern einen Bewertungsabschlag! Ich überlasse es den Befürwortern dieser Anlageklasse, dessen Höhe zu berechnen. Für mich als Value-Anleger stellt sich die Frage, in indische Aktien zu investieren, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

Aktuelle Hintergrundartikel zum Thema:

Kleine Schritte statt großer Würfe (NZZ Online vom 19. September) 

Wo ein Abbruch-Bungalow 80 Millionen Euro kostet (Spiegel Online vom 20. September) 

Fünf Gründe, warum der Aktien-Kult in Indien am Ende ist (Economictimes.com vom 16. September)

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