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Pro & Contra Börse Istanbul: Türkischer Honig oder bitterer Mokka?

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Irina Topa-Serry, Managerin des Axa Framlington Emerging Europe

Wir alle sind Zeugen der türkischen Erfolgsgeschichte, die nach der Jahrhundertwende einsetzte. Sie begann 2001 mit der Bankenkrise, die zu einer Bankenreform, der Schaffung einer unabhängigen Bankenaufsicht, einer anziehenden Finanzpolitik und der Unabhängigkeit der Zentralbank führte. All dies hat die Entwicklungen in der Türkei positiv beeinflusst.

Nach ihrem Wahlsieg 2002 behielt die Regierungspartei AKP den politischen Kurs bei und ebnete damit den Weg für die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union im Jahr 2005. In der Folge wurde die Türkei mit ausländischen Direktinvestitionen überschwemmt. Es folgten massive Infrastrukturprojekte, die Arbeitslosigkeit und die Inflation gingen zurück und die Wirtschaft florierte.

Gestärkt durch die vorangegangenen Reformen überstand der Bankensektor auch die Finanzkrise 2008. Zwar erlebte die Wirtschaft 2009 eine tiefe – wenn auch nur kurze – Rezession, danach zog das Wachstum aber wieder an. Schließlich konnte Ankara 2013 sogar die bestehenden Schulden an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen. Als Krönung erhielt das Land ein Investment-Grade-Rating und wurde erneut von Investitionen überschüttet.

Seit drei Jahren jedoch stagniert die Wirtschaft und bleibt weit hinter ihrem Wachstumspotenzial zurück. Das wirft die Frage auf, ob sich die Türkei in der sogenannten Middle Income Trap befindet und somit nicht zu den führenden Industriestaaten aufschließen kann. Die Wachstumsdynamik bleibt schwach, da die Nachfrage stark von Regierungsausgaben sowie Nettoexporten abhängt, die wiederum zyklischen Schwankungen unterliegen.

Der verhaltene Kapitalzufluss und das stagnierende Wachstum der Arbeitsproduktivität trüben den Wirtschaftsausblick für die nahe Zukunft. Außerdem geraten auch die innenpolitischen Reformen ins Stocken. Die Politiker haben vor kurzem ein stärkeres Bewusstsein für strukturelle Hindernisse des türkischen Wirtschaftswachstums entwickelt. Und doch finden wir, dass ihr Reformpaket nicht ausreichend priorisiert. Im vergangenen Jahr enthüllten die Gezi-Proteste unangenehme politische Hintergründe. Die Unabhängigkeit der Zentralbank steht regelmäßig in Frage, was das Risiko finanzpolitischer Fehler erhöht.

Natürlich hat die Türkei von positiven exogenen Aspekten wie der Ölpreisentwicklung und den Notenbankprogrammen in Europa und den USA profitiert. Wir denken aber, dass der große Bedarf des Landes an Außenfinanzierung und die schlechte Entwicklung des Preisniveaus die makroökonomische Stabilität weiter trüben und die türkischen Finanzmärkte in die Abhängigkeit von den globalen Märkten drängen könnten. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Kapitalabflüsse die Schwachstelle der Türkei sind. Wenn die US-Notenbank Fed den Leitzins anhebt, die Wahlprognosen sich verschlechtern und der Ölpreis wieder steigt, könnte auch das Handelsrisiko wieder zum Thema werden. Da die Türkei selbst kaum Handlungsimpulse zeigt, ist das Land noch anfälliger für externe Schocks und bietet daher momentan kaum komfortable Investitionsmöglichkeiten.

In diesem Kontext ziehen wir es vor, die Türkei und vor allem den Bankensektor weiter zu vernachlässigen. An der Istanbuler Börse konzentrieren wir uns nur auf Unternehmen, die in einem starken Wachstumsmarkt operieren und über eine außerordentlich starke Marke verfügen – zum Beispiel Turk Traktor, den unangefochtenen Marktführer für Traktoren in der Türkei, oder den Coca Cola-Abfüller Icecek, der in der Region über herausragende Wachstumschancen verfügt. Ein anderes Beispiel ist Do & Co, einer der weltweit größten Airline-Caterer mit einer starken Präsenz im internationalen Event-Catering bei Formel 1-Rennen und ATP-Tennis-Turnieren.

Aktuelle Hintergrundartikel zum Thema:

Aufstand am Hofe Erdogans (Zeit Online vom 24. März 2015)

Schwacher Euro ist schuld am türkischen Exporteinbruch (Deutsch-türkische Nachrichten.de vom 12. März 2015)

Türkische Wirtschaft ausgebremst (Deutsche Welle.de vom 18. Februar 2015)

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