Mal ehrlich, wer hat schon Lust, sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen? Natürlich niemand. Dass die Menschen hierzulande auf das eigene Ableben schlecht vorbereitet sind, kann deshalb kaum überraschen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Bank vom November 2024 haben nur 35 Prozent der potenziellen Erblasser in Deutschland ein Testament verfasst.

Allerdings ist ein fehlendes Testament nur ein Indiz dafür, dass Menschen sich und ihre Liebsten schlecht auf das eigene Ableben vorbereiten. Denn es gibt noch zahlreiche andere Punkte, wo mangelnde Vorsorgemaßnahmen bei einem plötzlichen Ableben des Erblassers zu unangenehmen Überraschungen für die Familie führen kann.

Magisches Viereck der Nachfolge als Ausgangsbasis

Dabei wird es immer wichtiger, sich mit der Vermögensnachfolge intensiv auseinanderzusetzen – einerseits weil es immer mehr Vermögen zu vererben gibt, andererseits weil die Vermögensübertragung immer komplexer wird.

Wie also lässt sich feststellen, ob jemand für den Fall des eigenen Ablebens ausreichend vorgesorgt hat? Im ersten Schritt sollte es darum gehen, das „Magische Viereck“ der Nachfolge, das die Bereiche Familie, Vermögen sowie Recht und Steuern umfasst, genau zu betrachten. Zwischen diesen vier Bereichen bestehen Wechselwirkungen und Zusammenhänge, daher ist eine ganzheitliche Betrachtung unerlässlich.

 

Auf dieser Basis gilt es den Status quo zu erarbeiten, zugleich aber auch die Wünsche und Ziele des potenziellen Erblassers abzuklopfen. Es geht also beispielsweise darum, welche Absicherung für den Partner und die Kinder nach dem Tod bestehen soll und welche Konflikte es zu vermeiden gilt.

Um dann konkret Handlungsfelder zu identifizieren und mögliche Lösungswege aufzeigen zu können, gibt es einen – für die Betroffenen oft emotional unangenehmen – Kniff: das „Probesterben“. Was wäre, wenn gestern etwas passiert wäre. Das eigene Ableben wird also simuliert. Nur lässt sich genau analysieren, welche Auswirkungen ein Tod auf das Vermögen des Erblassers und auf seine Erben hat.

Häufig unterschätzt: die Höhe der Erbschaftssteuer

Tatsächlich, so die Erfahrung, tut dieses Probesterben manchmal weh. Denn nicht selten zeigt sich dabei, dass sich eine nicht unerhebliche Kluft zwischen den Erwartungen und Zielen des Erblassers auf der einen Seite und der Realität auf der anderen Seite auftut. Regelmäßig unterschätzt wird beispielsweise die Höhe der zu erwartenden Erbschaftssteuer und daraus folgende Auswirkungen.

Welches Vermögen kommt nach zwei Erbgängen bei unterschiedlicher Versterbensfolge von Eheleuten bei bestehenden Testamenten oder in der gesetzlichen Erbfolge bei den Erben an? Diese Analyse ist für Kunden oft verblüffend und erschreckend zugleich.

Die Vermögenswerte unter Eheleuten sind häufig nicht gleich verteilt. In der Regel bleibt jedoch Zeit, um optimierende Maßnahmen einzuleiten. Berater sollten ihre Kunden daher auf die Mehrwerte der Dienstleistung ansprechen, da die Kunden selbst das Thema häufig zurückstellen.

Mancher Erblasser ist weit von den eigenen Wünschen und Erwartungen entfernt – es gibt ungenutzte Freibeträge, ein nicht sinnvoll verteiltes Vermögen, fehlende Liquidität oder unzureichende Vollmachten. Eine Simulation des Ablebens kann bei Ehepaaren auch aufzeigen, welche Konsequenzen es jeweils hat, wenn der eine oder der andere Partner zuerst stirbt.

Darüber hinaus bestehen bei den Erblassern oft große Irrtümer in der Nachfolgeplanung, wie zum Beispiel: „Ich brauche kein Testament, mein Ehegatte bekommt doch alles“, „Uns gehört das Vermögen gemeinsam, mein Ehegatte hat die Vollmacht“ und „Für das Testament bin ich noch zu jung“. In diesem Zusammenhang ist die Evaluierung der Ausgangssituation und der Einzelfall ausschlaggebend. Wie sind die Vermögensverhältnisse verteilt, besteht ein Testament, mit welchen Regelungen, in welchem Güterstand lebt man und welche Regelungen sind im Ehevertrag fixiert.

Hinzu kommen weitere mögliche Unwägbarkeiten: Besteht das Vermögen überwiegend aus Sachwerten wie Immobilien oder aus einer Firma? Dann kann die anfallende Erbschaftssteuer für die Nachfolgegeneration zum Problem werden. Auch hier sollte der Erblasser noch zu Lebzeiten Strategien entwickeln, um die Steuern zu reduzieren.

Besonders kompliziert wird es in einer Patchwork-Situation. Hier muss der Erblasser genau wissen, wem er was zukommen lassen möchte. Die Simulation des eigenen Ablebens kann für den Erblasser auch Klarheit schaffen, was er wirklich möchte und was noch nicht den eigenen Wünschen entspricht.

Mit Estate Planning zur individuell passenden Vorsorge

Wenn bereits identifiziert wurde, was verbesserungswürdig ist, dann – so lautet die gute Nachricht – gibt es zahlreiche Möglichkeiten sich in finanzieller Hinsicht besser und zielgerichteter auf den eigenen Tod vorzubereiten.

Das Estate Planning, wozu auch das Konzept des Probesterbens gehört, geht im Unterschied zur Nachfolgeberatung über die reinen rechtlichen und steuerlichen Aspekte der Vermögensnachfolge hinaus. Dabei werden auch die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Vermögensübergangs seitens des Erblassers, seiner Erben und der nachfolgenden zweiten Generation geplant und transparent gemacht. Es geht beim Estate Planning also um eine generationenübergreifende Beratung. Estate Planning ist somit „Financial Planning zu Ende gedacht“.

Der Instrumentenkasten der Nachfolgeplanung ist groß. Ein Ausschnitt der anfallenden Fragen:

  • Wurden alle Möglichkeiten genutzt, um die Erbschaftssteuer zu reduzieren?
  • Empfiehlt sich eine Änderung des Güterstands und die Nutzung des steuerfreien Zugewinnausgleiches?
  • Stellt eine Familienwohnheimschaukel eine Option dar, um insbesondere nicht vermögenden Ehepartnern Vermögenswerte zu verschaffen?
  • Wie schafft man Liquidität für die Erbschaftssteuer und wie sorgt man selbst für das eigene Alter vor?
  • Sind Wertpapiernießbrauch oder Vermögensplanung mit Versicherungen (verbunden mit den Stichwörtern „Optimierung von Vermögensanlage durch Einkommensteuerstundungseffekte, einkommensteuerfreie Todesfallleistung und kontrollierte Vermögensübertragung zu Lebzeiten“) als Gestaltungen mit liquiden Anlagen bekannt?
  • Wurde der digitale Nachlass berücksichtigt?
  • Ist die Gründung einer Familiengesellschaft oder einer Stiftung der richtige Weg?
  • Sind alle Vollmachten vorhanden und sind sie in Händen derjenigen, die sie haben sollen?
  • Bei Unternehmern: Sind alle Vorkehrungen für die eigene Firma getroffen – Gesellschaftsrecht geht vor Erbrecht und stimmen die Nachfolgeklauseln in Gesellschaftsvertrag mit dem Testament überein?

Probesterben – um sorgenfreier zu leben

Um die eigenen Ziele und Erwartungen umzusetzen und größere Komplikationen, Streitigkeiten und Unklarheiten im Fall des plötzlichen Ablebens zu vermeiden, braucht es individuelle Lösungen. Um diese vorzubereiten, ist das Probesterben ein entscheidender Baustein.

Schematisch lässt sich der Prozess der Nachfolgeberatung mit den folgenden Prozess-Schritten beschreiben:

  • Ausgangslage sondieren
  • Ziele und Wünsche definieren
  • Probesterben 
  • Gestaltungsoptionen prüfen und abwägen
  • entscheiden und umsetzen

Das Probesterben in der beschriebenen Weise und im Vermögenskontext stellt aus Sicht von Generationenberatern oder Estate Plannern keine Rechtsberatung dar. Wenn es allerdings um das Aufsetzen von Testamenten, Erbverträgen, also quasi um die rechtliche oder steuerliche Umsetzung geht, sind den Generationenberatern oder Estate Plannern regulatorische Grenzen gesetzt. Es empfiehlt sich, dass die finanzberatenden Berufe und die rechts- wie steuerlich beratenden Berufe eng zusammenarbeiten.

Das Probesterben bietet einen sehr guten Einstieg in das eher sensible Thema der Nachfolgeberatung und -planung. Um Kunden wirkliche Mehrwerte zu bieten, sollten Berater die gesamthafte Vermögenssituation und sonstige relevante Aspekte ihrer Ausgangssituation kennen.

Im Kern geht es um Vermögenserhalt über Generationen und um das Wohl der Kunden. Das Probesterben erzeugt viele positive Effekte: Interesse beim Kunden, Handlungsbedarf, Kundenbindung, Kundenzufriedenheit, Kennenlernen der NextGen, Akquisitionspotential. Im Ergebnis ein Win-Win-Ansatz für Kunde und Berater.

Über den Autor:

Maximilian Kleyboldt ist Direktor Wealth Planning bei der Bethmann Bank. Der vom FPSB zertifizierte Finanzplaner (CFP) ist zugleich Co-Vorstand bei dem Finanzplanerverband FPSB Deutschland.