Die Condor hatte vor zehn bis 15 Jahren eine der besten Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) auf dem Markt. Sie war jahrelang alleiniger Inhaber der (kostenfreien) Arbeitsunfähigkeitsklausel und hatte generell sehr guten Bedingungen. Mittlerweile ist die Condor für mich noch einer von vielen Anbietern. Mit dem Update im Herbst 2025 versucht man wieder attraktiver am Vermittlermarkt zu werden. Zumindest auf dem Papier sorgt der Versicherer dabei für einen Paukenschlag.
Umbenennung der Tariflinien
Die Condor bietet seit 2022 in Ihrer BU-Versicherung drei verschiedene Tariflinien ein, was generell am BU-Markt eher selten ist. Anders als zu vermuten, ist die einfache”Tariflinie schon eher leistungsstark und keine abgespeckte Version mit Lücken. Die beiden besseren Tariflinien enthalten dann noch einige Leistungsverbesserungen wie Sofortleistung bei schweren Krankheiten, Rehabilitationshilfe oder eine anlasslose Nachversicherung.
Die neuen Namen der Tarife lauten „classic pro“, „komfort pro“ und „premium pro“. Außer bei der Bezeichnung gibt es nach meiner Kenntnis keine Änderungen oder weitere Mehrwerte in den höheren Tariflinien. Dafür steckt hinter dem Produkt mittlerweile nicht mehr die Condor Lebensversicherung, sondern als Rechtsträger die Muttergesellschaft R+V.
Genial oder Marketing? Unbegrenzte Nachversicherungshöhe
Einzigartig ist, dass die Condor jetzt in Ihrer BU-Versicherung auf eine absolute Obergrenze zur Nachversicherung verzichtet. Damit möchte man nach eigener Aussage den Trend in Richtung von zwei Vertragslösungen und der am Markt immer weiter verbreiteten Karrieregarantie brechen und dem Kunden die Möglichkeiten bieten, seine gewünschte BU-Höhe langfristig bei einem Versicherer abzusichern.
Das ist soweit absolut nachvollziehbar. Auf den ersten Blick könnte dies für die Condor ein absoluter Gamechanger sein. Wie so oft sollte aber ein zweiter Blick folgen, denn es gibt zwei Nachteile nach meiner Auffassung.
Beitragsdynamik endet bei 5.000 Euro
Ein Problem ist die Deckelung der Beitragsdynamik, die es bei anderen Versicherern nicht gibt. Ein 25-jähriger Ingenieur, der mit 2.500 Euro monatlicher BU-Rente bei der Condor beginnt und eine Beitragsdynamik von fünf Prozent vereinbart hat, würde schon nach 16 Jahren an diese Grenze kommen. Auch wenn es die unbegrenzte Nachversicherungsgarantie besitzt, muss man sich schlichtweg die praxisorientierte Frage stellen, ob es dann noch einen Grund zum Nachversichern gibt.
Anlässe, wie die Geburt eines Kindes, eine Immobilienfinanzierung oder der Einstieg ins Berufsleben sind zu diesem Zeitpunkt in der Regel schon längst passiert. Es gibt zwar noch die Möglichkeit zur Erhöhung durch einen Gehaltssprung, dieser muss aber bei Angestellten mindestens 10 Prozent betragen. Eine Zahl, die für viele Berufstätige unrealistisch sein dürfte. So kann es sein, dass man trotz unbegrenzter Nachversicherungshöhe bei circa 5.000 Euro monatlicher BU-Rente im Vertrag verweilen muss.
Schwache finanzielle Angemessenheit
Ein weiterer negativer Punkt ist die Tatsache, dass die Condor die maximale BU-Rentenhöhe bei Vertragsabschluss wie auch bei der Erhöhung auf das Nettogehalt bezieht. Davon können 80 Prozent abgesichert werden. Marktüblich ist mittlerweile die Berechnung nach dem Bruttogehalt.
Bei einem Bruttojahresgehalt von 100.000 Euro können bei der Nachversicherung folgende BU-Renten im Vergleich abgesichert werden:
Während man bei der Condor circa 4.500 Euro BU-Rente monatlich absichern kann, liegt der Wert bei anderen Versicherern merklich höher. Bei Kammerberufen wie Rechtsanwälten oder Steuerberatern erfolgt zudem auch die Anrechnung zu 50 Prozent der Rente aus dem Versorgungswerk ab einer privaten BU-Jahresrente von 50.000 Euro. Hier verzichten Versicherer wie die Barmenia Gothaer oder die Baloise mittlerweile komplett auf eine Anrechnung. Betrachtet man die Abzüge im BU-Leistungsfall, kann bei der Condor keine bedarfsgerechte Absicherung stattfinden.
Positiv ist dagegen, dass eine Erhöhung nun statt nur 500 Euro 1.000 Euro betragen kann.
Kleine Verbesserungen jenseits der Bedingungen
Folgende Verbesserungen halte ich zudem auch noch für erwähnenswert: Makler und Vermittler dürfen sich über einen verbesserten Tarifrechner freuen. Der Windows-95-Stil wurde endlich begraben. Zudem können jetzt Risikozuschläge direkt in den Tarifrechner eingegeben werden und es muss somit nicht mehr direkt bei der Condor die Berechnung angefordert werden.
Mit einer Überprüfung im sechsten Versicherungsjahr der Einstufung gibt es zudem eine neue Option der beruflichen Besserstellung (ohne erneute Gesundheitsfragen). Überdies wurde die Überschussvariante „Bonusrente“ gestrichen.
Der Preiskampf geht weiter
Fast schon traditionell bringt jedes große BU-Update auch das Ziehen an der Preisschraube mit sich. Die Tarifkalkulation hat sich dabei folgendermaßen geändert:
- 380 Berufe profitieren von einer besseren Einstufung
- Insgesamt werden ca. 3.300 Berufe günstiger, laut Ankündigung der Condor um bis zu 40 Prozent
- Im Fokus sind vor allem IT-Berufe, Ingenieure sowie Studenten
Meine Haltung zu der Thematik ist unverändert kritisch. Ich habe schlichtweg die Befürchtung, dass wir uns als Branche hier selber abschaffen. Prämien müssen langfristig nachhaltig sein. Meine Bedenken zielen hier nicht auf die Condor, sondern den gesamten Markt.
Mein Fazit
Auf dem Papier bleibt die Condor weiterhin ein Top-BU-Versicherer, der auch in vielen Lebenslagen passt. Zum Beispiel, weil die Tarife automatisch eine Dienstunfähigkeitsklausel beinhalten. Meine bisherige Kritik beziehungsweise Nichtberücksichtigung in der Beratung bezog sich auf die technische Ausgestaltung und die bisherigen Erhöhungsmöglichkeiten.
Diese haben sich durch das Update massiv verbessert, im Detail gibt es aber noch Nachholbedarf. Die Gesundheitsfragen finde ich nicht sehr kundenfreundlich, zudem ist die Risikoprüfung in meinen Augen zu hart und wenig individuell. Eine Kombination, die in meiner Beratung aber so wichtig ist, wie die Luft zum Atmen.
Über den Autor:
Tobias Bierl wurde 1984 geboren. Als ausgebildeter Versicherungsfachmann und Finanzanlagenfachmann gründete er mit seinem Bruder 2008 Stefan die Finanzberatung Bierl in Walderbach in der Oberpfalz. Als einer der Geschäftsführer liegt sein Schwerpunkt im Bereich Biometrie / Berufsunfähigkeitsversicherung. Bierl gewann 2019 den OMGV Makler-Award für den besten Blog / Content auf der Homepage und 2021 für die besten Kundenbewertungen.
