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Professor Schwintowski „Fehler in IDD-Entwurf verletzen Vermittler-Interessen“

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Wer den Entwurf liest, dem entgeht nicht, dass es die Versicherer geschafft haben, das Provisionsabgabeverbot zu reaktivieren und auf den Makler auszudehnen. Was halten Sie davon?

Schwintowski: Die gewerberechtliche Neufestlegung verstößt nach meiner Überzeugung gegen das stand‐still-Gebot des Artikels 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, wonach die Mitgliedstaaten keine neuen Wettbewerbsbeschränkungen einführen dürfen.

Da das Provisionsabgabeverbot, so wie es bisher bestand, laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main rechtswidrig war, handelt es sich nicht um eine Fortsetzung eines alten aus der Nazizeit stammenden Verbotes, sondern um die Neueinführung einer Wettbewerbsbeschränkung auf Vermittlungsmärkten. Ich glaube nicht, dass das europarechtlich haltbar ist – ich verstehe aber auch nicht, warum die Bundesregierung das will, denn die drei Legitimationsziele, die es bisher gab, sind allesamt obsolet.

Die Kosten bei den Versicherern sind nie gesenkt worden durch dieses Verbot; die Beratungsqualität und Transparenz sind nicht verbessert worden durch dieses Verbot, sondern im Gegenteil, der „Principal Agent“-Konflikt ist verstärkt worden – Fehlberatungen zulasten der Versicherten waren und sind die Folge. Die Absicherung der Vermittlerschaft hat auch nicht funktioniert – der Bundesgerichtshof hat schon im Jahre 2004 die Weitergabe von Provision für rechtmäßig erklärt und daran will man, wenn ich es recht sehe, durch den neuen Paragrafen 48b Absatz 4 Versicherungsvertragsgesetz auch festhalten.

Warum, um Himmels Willen, brauchen wir diesen uralten Zopf, den es nach meiner Kenntnis in keinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gibt. Der Wettbewerb im gewerblichen Bereich funktioniert doch auch. Es mag schon sein, dass es mittel‐ und langfristig weniger Vermittler im Jedermannbereich gibt.

Das sind Strukturveränderungen, wie wir sie in vielen Branchen in der Vergangenheit immer wieder erlebt haben. Die Menschen orientieren sich neu und zwar in aller Regel zu ihrem Vorteil. Dafür sorgt letztlich der Wettbewerb. Das Internet wird im Jedermannbereich erhebliche Anteile übernehmen ­ das sieht man heute schon bei Kfz. Das heißt der Strukturwandel ist in vollem Gange – warum will man ihn aufhalten?

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Das Sondervergütungs‐ und Provisionsabgabeverbot in Paragraf 48b VAG‐E ist nach meiner festen Überzeugung verfassungs‐ und europarechtlich nicht haltbar. Wenn ich das richtig verstehe, so führt man diese Neuregelung im Grunde nur wegen Absatz 4 ein. Man will nämlich, dass die Weitergabe von Provisionen in dem Umfang, den Paragraf 48c VAG‐E für Honorarberater festlegt, auch beim Vermittler erlaubt ist.

Warum macht man es sich so schwer? Verzichtet man auf das Verbot des Paragraf 48b und regelt ansonsten, dass der Honorarberater einen Anspruch auf den Nettotarif hat, wird die Sache viel einfacher. Das hätte große Vorteile nicht nur für den Honorarberater, sondern vor allem auch für den Makler, der sich ebenso überlegen könnte, ob er nicht den Nettotarif anbietet und daneben seine Vergütung mit dem Versicherungsnehmer verabredet.

Das würde dann auch zu echtem Wettbewerb führen und zwar nicht nur auf den Vermittlermärkten, sondern auch zwischen den Versicherern, siehe die Entwicklungen in Großbritannien. Die Versicherer würden nämlich in Zukunft einen Produktvergleich zwischen Netto‐ und Bruttopolicen erleben. Die Regelung zur 80-Prozent‐Provisions‐Auskehrung wird nach meiner festen Überzeugung dazu führen, dass die Versicherer große Teile der heutigen Provision in Kosten anderer Art switchen und indirekt den Vermittlern zugutekommen lassen.

Nach meiner Meinung ist das zu viel Bürokratie und es ist umgehungs‐ und missbrauchsanfällig. Ich glaube auch nicht, dass eine solche Regelung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Drei-Stufen-Theorie zu Artikel 12 Grundgesetz und dem europäischen Recht zu vereinbaren ist.

Außerdem drängt sich die Frage auf, warum nur 80 Prozent der Provisionen auszukehren sind. In der Gesetzesbegründung ist von den Kosten, die die Versicherer mit der Auskehrung haben, die Rede. Dies unterschlägt aber, dass die Versicherer in Wahrheit keine Mehrkosten haben, wenn sich nur der Adressat für die gleichhohe Auszahlung ändert. Bei der aktuellen Gestaltung sind doch eher erhebliche Einsparungen zu erwarten, die sich aus geminderten Vorfinanzierungseffekten ergeben, denn die Regelung sieht vor, dass die 80 Prozent nicht sofort vollständig ausgezahlt werden.

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