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Analyse vom ESG-Profi So setzen Investoren auf nachhaltige Lieferketten

Arbeiter bei Apple-Zulieferer in China
Arbeiter bei Apple-Zulieferer in China: Unternehmen müssen bei ihren Lieferketten genau hinschauen, fordert Nachhaltigkeitsexperte Leon Kamhi. | Foto: Imago Images / China Foto Press

Die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) umfassen die Beendigung der Armut (SDG 1) und die Sicherstellung menschenwürdiger Arbeit für alle (SDG 8) – wichtige Grundlagen für den Aufbau einer lebendigen Zivilgesellschaft und florierender Volkswirtschaften.

Viele der von diesen beiden SDGs adressierten Probleme lassen sich unverhältnismäßig oft in Lieferketten feststellen. Dieser Umstand ist ihrer Komplexität, Dynamik und Intransparenz geschuldet. Obwohl diese Problematik immer stärker ins Bewusstsein rückt, bestehen Armut, moderne Sklaverei und Ungleichheit nach wie vor weiter. Mit den strengen neuen Vorschriften, die Anfang des Jahres in Deutschland eingeführt wurden, wächst der Druck auf Unternehmen und ihre Investoren, in ihren Lieferketten die Einhaltung grundlegender Menschenrechts- und Umweltstandards zu gewährleisten.

Preissteigerungen und Pandemie haben viele Menschen in die Armut getrieben

Unkontrollierbare Preissteigerungen bei Kraftstoffen und Nahrungsmitteln und die Corona-Pandemie haben viele Menschen in den vergangenen zwei Jahren näher an die Armutsgrenze gebracht. Zudem wirkt sich die Klimakrise negativ auf die Arbeitsbedingungen von Millionen von Menschen weltweit aus. 2019 meldete die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der UN, dass 80 Millionen Arbeitsplätze gefährdet wären, sollte es tatsächlich zum prognostizierten Temperaturanstieg kommen. Dann würde die Produktivität durch untragbare Arbeitsbedingungen beeinträchtigt.

Geringverdiener, die im Freien tätig sind, wie etwa Arbeiter in der Landwirtschaft oder im Bauwesen, sind besonders durch Hitzestress bedroht, der ihre Arbeit zur Qual werden lässt und sich allgemein auf Produktivität und Leistung auswirkt. Indien und Pakistan hatten im Frühling 2022 unter Temperaturen von fast 50 Grad zu leiden. Dies gab eine Vorstellung von den Szenarien, die in der Zukunft drohen.

 

Vor diesem Hintergrund ist unternehmerisches Handeln ein Muss. Soziale Ungerechtigkeit ist ein systemisches Risiko, das die politische und wirtschaftliche Stabilität untergräbt. Ein Engagement für breitere Interessengruppen und wirtschaftliche Nachhaltigkeit muss auch dazu beitragen, Menschen aus der Armut zu befreien und Wege zu finden, um die Schwachen und Entrechteten zu erreichen. Abgesehen vom ethischen Grundsatz der Achtung der Menschenwürde und der Tatsache, dass Zwangs- und Kinderarbeit illegal sind, zeugt die Fähigkeit von Unternehmen, Gefahren für die Menschenrechte zu benennen und effektive Strategien zu deren Schutz umzusetzen, von einem robusten Risikomanagement.

Schließlich sind menschenwürdige Arbeitsbedingungen und eine faire Behandlung seit Jahren in internationalen Standards verankert – in Form von Übereinkommen der ILO und betrieblicher Verhaltenskodizes. Die Verantwortung, die Unternehmen in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte zukommt, ist in den United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights (UNGPs) festgelegt. Auf dieser Grundlage werden Unternehmen weltweit, die möglicherweise auch „nur“ unabsichtlich mit Menschenrechtsverletzungen in ihrem Betrieb und ihren Lieferketten in Zusammenhang stehen, durch aktuelle und anhängige Vorschriften vor große Herausforderungen gestellt.

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Menschenrechtsverletzungen in Unternehmen: Was Anleger tun können

Fondsselektoren und Vermögensverwalter sollten sich an den UNGPs orientieren und ein starkes politisches Engagement und Governance-Mechanismen entwickeln, um sicherzustellen, dass ernsthafte Risiken hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte identifiziert und angemessene Sorgfaltsmaßnahmen ergriffen werden. Dies sollte auch eine Auseinandersetzung mit den Unternehmen und Sektoren beinhalten, bei denen die Risiken besonders groß sind.

Die Principles for Responsible Investment (PRI) bieten eine nützliche Orientierungshilfe bei der Beschleunigung von Veränderungen in Bezug auf menschenrechtsbezogene und soziale Probleme. So wurde im Rahmen der PRI kürzlich die neue Stewardship-Initiative Advance ins Leben gerufen. Institutionelle Anleger arbeiten dabei gemeinsam an Maßnahmen zur Bekämpfung solcher Probleme. Die Anleger werden in diesem Zusammenhang ihren kollektiven Einfluss auf Unternehmen und andere Entscheidungsträger geltend machen, um positive Ergebnisse für Arbeitskräfte, Communities und die Gesellschaft als Ganzes voranzutreiben.

 

Anleger sollten beim Austausch mit Unternehmen über diese Probleme einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. So könnte es sein, dass ein US-Unternehmen im Hinblick auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in seiner Lieferkette schlecht abschneidet, während ein Unternehmen aus Taiwan in derselben Lieferkette mit Problemen mit seinen direkten Angestellten zu kämpfen hat.

Arbeitgeber könnten sich verpflichten, Löhne zu zahlen, von denen man leben kann, doch dies wird eher bei Mitarbeitern des eigenen Unternehmens umgesetzt. Unternehmen können sich zwar zur Zahlung existenzsichernder Löhne entlang ihrer Lieferketten verpflichten, aber es ist weithin bekannt, dass es keine klare Definition davon gibt, was dies bedeutet oder wie solche Löhne gezahlt werden sollen – vor allem in einkommensschwachen Märkten, wo dies wahrscheinlich besonders relevant ist.

Wir würden es sehr begrüßen, wenn wir bei Investoren ein verstärktes Engagement zur Unterstützung von Unternehmen bei der Entwicklung eines klaren Verständnisses wichtiger menschenrechtsbezogener Probleme in ihrem Betrieb und in ihren Lieferketten beobachten könnten. Wir bei Federated Hermes werden prüfen und nachhalten, wie effektiv und verhältnismäßig die eingerichteten Kontrollen sind, mit deren Hilfe diese Probleme identifiziert, eingedämmt und behoben werden sollen.

Über den Autor:
Leon Kamhi ist Nachhaltigkeitschef beim Fondshaus Federated Hermes.

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