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Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Provisionen: „Der Schaden ist riesig“

Beratungsgespräch
Beratungsgespräch: Ein Provisionsverbot würde die Finanzberatung verbraucherfreundlicher machen, ist man bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg überzeugt. | Foto: Westend61

Provisionsverbot: Das Thema steht derzeit auf der Tagesordnung der Europäischen Kommission. Vertreter um Finanzkommissarin Mairead McGuinness denken darüber nach, diese Art der Vergütung im Finanzvertrieb europaweit verbieten zu lassen.  

Für deutsche Finanz- und Versicherungsberater ist das Thema mehrheitlich ein rotes Tuch. Denn die meisten Vertriebsprofis erhalten von Fondsgesellschaften oder Versicherern eine Rückvergütung, wenn sie deren Produkte vermitteln. Im hiesigen Finanzvertrieb bauen sogar die meisten Geschäftsmodelle darauf auf.

Während also Interessenvertreter der Vertriebsseite, wie die Verbände AfW, Votum oder BVK, Sturm gegen die Pläne aus Brüssel laufen, findet das Thema an anderer Stelle durchaus Anklang: Viele Verbraucherschützer würden ein Provisionsverbot lieber heute als morgen durchgesetzt wissen.

Provisionsverbot - Verbraucherschützer äußern sich im Podcast

So setzt sich zum Beispiel die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg schon seit Langem aktiv dafür ein. Das Provisionsverbot war nun auch Thema einer Podcast-Folge, die das Haus in seiner Reihe „Durchleuchtet – der Verbraucherfunk“ herausgegeben hat. Dort kommen die Verbraucherschützer Niels Nauhauser (Verbraucherzentrale Baden-Württemberg) und Dorothea Mohn (Verbraucherzentrale Bundesverband) sowie Professor Steffen Sebastian von der Universität Regensburg zu Wort. Ganz zentral geht es dabei um Erfahrungen, die andere Länder mit einem Provisionsverbot im Finanzvertrieb gemacht haben.

Die Verbraucherschützer Nauhauser und Mohn lassen am provisionsgestützten Finanzvertrieb kein gutes Haar: Nauhauser möchte selbst den Begriff „Beratung“ im Zusammenhang mit dem provisionsbasierten Vertrieb nicht gelten lassen. Über Vermittler, die sich von produktauflegenden Gesellschaften vergüten lassen, sagt er: „Ihre sogenannte Beratung ist Verkauf und daher nicht am Bedarf der Kund:innen ausgerichtet – sondern an der Höhe der Provision.“ Die Kickbacks der Produktgeber setzten falsche Anreize. Durch Provisionen gehe Anlegern ein erheblicher Teil der möglichen Rendite aus Finanzanlagen verloren. „Der Schaden ist riesig“, klagt Nauhauser.

Gleichzeitig kritisiert Nauhauser jedoch auch die oft als Alternative angepriesene Honorarberatung: Die Tätigkeit von Honorarberatern werde nicht ausreichend überwacht, findet Nauhauser. Auch bei ihrer Ausbildung hapere es oft.

 

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Dorothea Mohn vom VZBV pflichtet den Kernaussagen Nauhausers bei: Vermittler, die mit Provisionen arbeiten, würden sich von den Finanzanlagen hiesiger Verbraucher „ein viel zu großes Stück abschneiden“. Die Situation zu ändern, sei in Deutschland allerdings schwierig: Es gebe eine starke Lobby, die solchen Veränderungen im Finanzvertrieb entgegenwirkte.

Finanzprofessor und Podcast-Gast Steffen Sebastian stellt Erkenntnisse aus einer Studie zum Thema Provisionsverbot vor. Die Studie, die Daten aus Großbritannien, den Niederlanden, Finnland, Norwegen, Australien und Neuseeland berücksichtigt, stammt von der Universität Regensburg, Sebastian besetzt dort den Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung und ist Direktor des Center of Finance.

Provisionsverbot gilt auch für andere Berufsgruppen

„Ein Provisionsverbot ändert nicht von heute auf morgen die Vermögensstruktur der privaten Haushalte“, räumt Sebastian ein. Einen Effekt von Provisionsverboten hätten die Studienautoren jedoch durchaus gemessen: „Die Einführung des Provisionsverbots hat in allen Ländern das Vermögen der privaten Haushalte deutlich gesteigert“, sagt Sebastian. Die Rendite von Finanzanlageprodukten sei in der Folge um durchschnittlich rund 170 Basispunkte gestiegen. Besonderheiten einzelner Märkte habe man dabei herausgerechnet.

Sebastian erinnert zudem daran, dass auch bei Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten keine Provisionen fließen dürften. Diese Berufsgruppen dürfen nur von ihrem Mandanten Geld nehmen. „Da muss eine Analogie geschaffen werden“, findet Sebastian.

Das Thema Provisionsverbot im Finanzvertrieb stand deutschlandweit und auf EU-Ebene bereits mehrfach zur Debatte. Formal wurde ein Rückvergütungsverbot bereits mit der Finanzmarktrichtlinie Mifid II auf EU-Ebene eingeführt. Die Richtlinie lässt sich allerdings so großzügig auslegen, dass dieses Verbot im Alltag keine Bedeutung hat. Anfang Mai will die EU-Kommission nun eine neue Entscheidung fällen. Pläne für ein etwaiges Provisionsverbot müssten im Nachgang noch mit dem EU-Parlament und dem Rat der EU abgestimmt werden.

Während die Befürworter eines Provisionsverbots vor allem Interessenkonflikte im Finanzvertrieb sehen, argumentieren Gegner: Die Rückvergütungen der Produktgeber machten Finanzberatung überhaupt erst einem breiten Kundenkreis zugängig, da die meisten Verbraucher nicht bereit seien, für Beratung gesondert zu bezahlen. Eine gute Finanzberatung könne Verbraucher zu mehr privater Altersvorsorge animieren und so vor Finanzengpässen im Alter schützen.

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