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Provisionen, Transparenz, Dokumentation So verändert Mifid II die Anlageberatung in Deutschland

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Produktgeber prüfen Geeignetheit

Es gibt aber auch Chancen: „Der Gesetzgeber sollte die Einführung der Geeignetheitserklärung anstelle des Beratungsprotokolls nutzen, um die in der Praxis überfrachteten Protokolle durch aussagekräftige Informationen für den Anleger zu ersetzen“, sagt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI. „Entscheidend ist dass der Berater in der Erklärung erläutert, wie seine Empfehlung zum Anlageziel, den Kenntnissen, der Risikobereitschaft und Verlusttragfähigkeit des Anlegers passt“, so Richter. Keinen Mehrwert hingegen lieferten bislang detaillierte Aufzeichnungen dazu, wie der Anleger im Gesprächsverlauf seine Anliegen und deren Gewichtung geändert hat.

Einer der umstrittensten Punkte in der Mifid II ist das Verbot der Zuwendungen für unabhängige Berater und für Vermögensverwalter. „Unabhängige Berater werden sich verstärkt um finanzkräftige und zahlungswillige Kundengruppen bemühen und das Massengeschäft aufgeben“, erwartet Carsten Hahn, der als Partner die Themenbereiche Regulatory & Risk beim internationalen Beratungsunternehmen Capco verantwortet. Neben dem Zuwendungsverbot komme es durch stringentere Qualitätsanforderungen auch zu steigenden Kosten. „Viele Anbieter werden daher ihr Angebot in Richtung Vermögensverwaltung verstärken, um auf diesem Weg höhere Gebühren besser rechtfertigen zu können“, so Hahn weiter.

Die Bezeichnung „unabhängig“ wird demnach durch Mifid II wesentlich gestärkt. Sie könnte ein branchenweit anerkanntes Qualitätssiegel werden, auch wenn der deutsche Gesetzgeber bisher nicht vorhat, den Begriff gesetzlich zu verankern. Provisionen bleiben zwar erlaubt, aber nur, wenn sie mit einer erwiesenen Qualitätsverbesserung der Beratung – also zum Beispiel einer Nachsorgepflicht des Beraters einhergehen.

Hier könnten künftig verstärkt Begriffe wie „umfassende Beratung“, „individuelle Beratung“ oder „ganzheitliche Beratung“ auftauchen. „Bei den kreativen Wortschöpfungen in der ‚abhängigen‘ Beratung werden sowohl die Aufsicht als auch der Wettbewerb genau darauf achten, dass es nicht zu möglichen Irreführungen der Anleger oder anderen unlauteren Geschäftspraktiken kommt“, ist sich Hahn sicher. Inwieweit diese Form der Beratung eine Zukunft hat, wird davon abhängen, ob der Kunde sie in Kombination mit dem detaillierten Ausweis der erhaltenen Provisionen akzeptiert.

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Wie wird sich der Vertrieb aufseiten der Asset Manager verändern? „Bei Banken wird Mifid II eine stärkere Standardisierung von Produkten für die jeweiligen Vertriebssegmente sowie für die Prozessketten erfordern. Die neue Regulierung erfordert oftmals eine noch größere Abstimmung zwischen den Produktanbietern sowie den Banken, Sparkassen und Verwaltern als Berater der Kunden“, betont J.P.-Morgan-Experte Bergweiler.

„Wir rechnen damit, dass mit Mifid II White-Label-Produkte beliebter werden: Vertriebe dürften dazu übergehen, Fonds unter ihrem Namen aufzulegen. Das verschafft ihnen eine zusätzliche Marge“, ergänzt Clemens Bertram, Head Distribution Partners UBS Global Asset Management. Falls dieser Fonds ein Dachfonds sei, könnte man Zielfonds auch leichter auswechseln – verglichen damit, die Anleger von einem Fondswechsel zu überzeugen. „Für uns heißt das: Wir müssen als Lösungsanbieter bereitstehen und können zudem effektives (Dach-)Fondsmanagement für Dritte bieten“, so Bertram weiter.

Klar ist, Mifid II wird die bereits bestehenden Trends zu Transparenz und Kundenorientierung in der Anlageberatung nachhaltig beschleunigen und verstärken. Eine stärkere Konzentration von Anbietern im Vertrieb scheint logisch, da sich durch den Ertragsdruck die höheren Kosten und Risiken nicht kompensieren lassen und sich damit individuelle Berater und kleinere Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken aus dem Anlagegeschäft zurückziehen.

„Wir erwarten mehr Direktvertrieb der Anbieter insbesondere für Selbstentscheider und für den von der Anlageberatung vernachlässigten Massenmarkt. Hier werden die Robo Adviser wohl eine gewichtige Rolle spielen“, meint Capco-Experte Hahn. Kunden, die sich mithilfe von Vergleichsportalen und ähnlichen Angeboten mündig durch den Angebotsdschungel navigieren, werden künftig niedrigere Kosten verzeichnen. Auf der anderen Seite muss mit einem erschwerten Zugang zur Anlageberatung für weniger finanzkräftige Kundenschichten gerechnet werden – es sei denn, der Staat führt noch verpflichtende Modelle zur privaten Altersvorsorge ein. Damit ist derzeit aber nicht zu rechnen, denn das Finanzministerium dürfte mit der Umsetzung von Mifid II vorerst genug zu tun haben.

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