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Pläne der EU-Kommission
Provisionsverbot – ein Gespenst ist zurück
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Pläne der EU-Kommission Provisionsverbot – ein Gespenst ist zurück

Beratungsgespräch
Beratungsgespräch | Foto: imago images/Shotshop

Das Thema Provisionsverbot ist wieder auf dem Tisch, und zwar hochaktuell. Die EU-Kommission berät darüber im Rahmen der von ihr angekündigten EU- Kleinanlegerstrategie. Die Kommissionvertreter tagen hinter verschlossenen Türen, dennoch dringt immer wieder das eine oder andere Detail nach draußen. Zum Beispiel durch einen Brief von Finanzkommissarin Mairead McGuiness vom vergangenen Dezember, in dem die EU-Politikerin klare Sympathien für die Idee äußerte. Der EU-Parlamentarier Markus Ferber hatte den Inhalt des Briefs öffentlich gemacht.  

Für die deutsche Finanz- und Versicherungsvermittler-Branche ist das Provisionsverbot wie ein Damoklesschwert, das stets im Hintergrund schwebt, aber nur hin und wieder sichtbar wird. Die Finanzmarktrichtlinie Mifid II, in Kraft seit dem 3. Januar 2018, hatte das generelle Provisionsverbot im europäischen Finanzvertrieb noch ausgeklammert. Doch schon damals war es durchaus im Gespräch gewesen.

Die Verfechter eines Provisionsverbots argumentieren: Verbraucher würden eine objektivere Beratung erhalten, wenn sie die Berater per Honorar, also direkt bezahlten – und kein Geld von den Produktgebern an den Vertrieb flösse.

Provisionen als vorherrschendes Geschäftsmodell

In Deutschland, wo der Finanzvertrieb mehrheitlich über Provisionen funktioniert, ist das Thema Provisionsverbot für weite Teilen der Branche ein rotes Tuch. Die Mehrzahl der Berater in Banken und freien Vermittlerbetrieben stützt ihr Geschäftsmodell auf die Kickbacks von Fondsgesellschaften und Versicherern. Provisions-Befürworter argumentieren jedoch auch mit dem Verbraucherwohl: In Deutschland seien Kunden es nicht gewohnt, für Finanzberatung direkt zu zahlen. Gerade wer über nur wenig Geld verfüge, würde dann vermutlich eher auf Beratung verzichten – oder sich möglicherweise auf eigene Faust im Internet Angebote suchen, mit ungewissen Folgen.

In einer aktuellen Stellungnahme spricht sich der vertriebsnahe Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) für ein Beibehalten der Provisionsberatung aus. Genauer: Verbraucher sollten das Vergütungsmodell wählen, also zwischen Provisions- und Honorarberatung entscheiden können. „Die Provisionsvermittlung eröffnet auch Kunden mit einem geringen Budget eine qualifizierte Beratung, ohne dass diese sofort ein Honorar auf den Tisch blättern müssen, auch wenn es zu keinem Vertragsabschluss kommt“, gibt BVK-Präsident Michael H. Heinz zu bedenken. Ein Provisionsverbot könne „nicht nur zu einer mangelnden Absicherung, sondern in der Folge auch zu sozialpolitischen Verwerfungen führen“.

Heinz macht auf Erfahrungen aus Deutschlands Nachbarland, den Niederlanden, aufmerksam: „Hinzu kommt, dass in den Niederlanden, dem einzigen EU-Mitgliedsstaat mit Provisionsverbot, nach Erlass des Verbots ein Rückgang in der Anlageberatung festgestellt wurde“, so der BVK-Chef.

Provisionsverbot – Erfahrungen der Nachbarn

Neben den Niederlanden existiert darüber hinaus auch in Großbritannien ein Provisionsverbot. Das Vereinigte Königreich hatte es am 31. Dezember 2012 eingeführt, im Rahmen des Gesetzesprojekts RDR (Retail Distribution Review). Das Verbot gilt für den Vertrieb von Kapitalanlageprodukten, auch im Versicherungsmantel, nicht jedoch etwa für Baufinanzierungen oder Sachversicherungen. Über die dortigen Erfahrungen berichtete kürzlich AfW-Vorstand Norman Wirth. Er war auf einer Veranstaltung zugegen, auf der britische Vermittlerunternehmen, Interessenverbände und die Finanzaufsicht ein Fazit zogen.

 

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„Die Erfahrungen aus Großbritannien sind als ambivalent zu beschreiben“, berichtete Wirth im Nachgang. „Durch die RDR gibt es mehr Qualität und mehr Vertrauen in die Berater, aber auch eine große Beratungslücke gerade bei den Bevölkerungsgruppen, die es am nötigsten hätten.“ Britische Finanzberater betreuten heute vor allem wohlhabende Verbraucher, die durchschnittlich rund 170.000 Euro Vermögen mitbrächten. Die Beratungslücke, die sich durch das Provisionsverbot aufgetan habe, hätten auch die digitalen Geldanlage-Angebote nicht füllen können. Sogenannte Robo-Advisors machten nur einen niedrigen einstelligen Prozentsatz am Gesamtmarkt aus. Viele britische Verbraucher hielten stattdessen Vermögen in Form von Bargeld.

Die deutschen Vermittlerverbände, die sich für ein Beibehalten der Provisionsberatung einsetzen, erhalten hierzulande Unterstützung aus der Politik. Die Regierungsparteien FDP, in Teilen die SPD und die Oppositionspartei CDU/CSU wollen mehrheitlich an der Provisionsberatung festhalten. Kritische Stimmen gegen das Provisionssystem kommen vor allem aus den Reihen der Grünen.

Kleine Anfrage aus dem Bundestag

Die CDU richtete kürzlich eine kleine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung. Darin erkundigen sich Mitglieder um den Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz nach Vor- und Nachteilen des Provisionssystems in der Finanzberatung, Erfahrungen mit der Honorarberatung und möglichen Folgen eines Provisionsverbots für Verbraucher. Grundsätzlich befürworte man „ein Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung aus wettbewerblichen, verbraucherschutzrechtlichen und auch aus sozialpolitischen Gründen“, heißt es im Vortext zu der kleinen Anfrage.

Die Fragesteller erkundigen sich auch danach, ob ein mögliches Provisionsverbot nur Finanzanlagen oder möglicherweise auch kapitalbildende Versicherungen umfassen könnte. Diese Sorge treibt übrigens auch den erwähnten Vermittlerverband BVK um.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr bereits verlauten lassen, dass sie am aktuellen Vergütungssystem im Finanzvertrieb nicht rütteln wolle. Speziell für den Vertrieb von Lebensversicherungen war zuvor sowohl ein Provisionsdeckel als auch ein Provisionsrichtwert im Gespräch gewesen. Beides wurde jedoch wieder ad acta gelegt. Einen Provisionsdeckel gibt es bislang nur im Nischensegment der Restschuldversicherungen.

Details zur EU-Kleinanlegerstrategie Ende März erwartet

Dennoch stellte die beim Bundesfinanzministerium angesiedelte Bafin Anfang Januar den Entwurf eines Merkblatts vor, das in die Vergütung beim Verkauf kapitalbildender Versicherungen einzugreifen droht. Vermittlerverbände legten umgehend Protest ein. Doch diese Initiative der Bafin ist schon wieder ein anderes Fass. 

Die größte Bedrohung für den provisionsbasierten Finanzvertrieb liegt aktuell vermutlich bei der EU-Kommission. Dass das Provisionsverbot auf übergeordneter Stufe, der EU-Ebene, nun erneut auf die Tagesordnung rückt, dürfte für viele Beobachter überraschend kommen. In Deutschland kann der mehrheitlich provisionsbasierte Vertrieb zwar mit breiter Unterstützung für sein Anliegen aus der Politik rechnen. Ob aber die Argumente auf nationaler Ebene sich gegen etwaige europäische Pläne durchsetzen könnten, steht noch in den Sternen.  

Finanzkommissarin McGuinness will die Kleinanlegerstrategie der EU Ende März vorstellen. Dann dürfte auch klar werden, ob das Provisionsverbot tatsächlich zu deren Zielen gehört. 

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