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NFS-Netfonds-Chef Christian Hammer
Provisionsverbot: Was uns wirklich weiterbringt
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NFS-Netfonds-Chef Christian Hammer Provisionsverbot: Was uns wirklich weiterbringt

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Aktuell haben acht von zehn neu eröffneten Depots eine Beratungsfee-Vereinbarung beiliegend oder sind mit einer Vermittlung in die Vermögensverwaltung honorarbezogen. Allerdings war der Schwenk von provisionsorientierten Einmalbeträgen hin zu laufenden Servicegebühren für einige Berater kein einfacher Schritt. Das Mindset muss überarbeitet werden und die erste Hürde ist die Einstellung zu diesen Themen. Kann ich Servicegebühren meinen Kunden gut vermitteln und kann er auch bei Seitwärtsmärkten damit umgehen? Sobald die Mehrwerte des Beraters auch in seinem Kopf klar werden, ist der Weg über die laufenden Entgelte ein einfacher.

Mit stark steigendem Anteil sind mittlerweile 72 Prozent unseres Umsatzes wiederkehrend, wobei hiervon circa 20 Prozent noch auf Bestandsprovisionen aus Fonds entfallen. Es ist aber auch hervorzuheben, dass etwa 28 Prozent der Berater und Kunden auch weiterhin Depots und Betreuungsmodelle wünschen, die nicht laufend oder anlassbezogen pauschal bepreist werden, sondern transaktionsbezogen. Heißt: Wir sitzen somit genau zwischen den Stühlen. Einerseits wären wir gut vorbereitet und würden höchstwahrscheinlich von einer großen Wechselwelle von Bankern profitieren, die aus den Instituten in das eigene Unternehmen unter dem Haftungsdach wechseln würden. Dies haben wir bei den vergangenen großen Gesetzesänderungen immer erfahren. Andererseits würden sowohl unsere Partner als auch wir einen Teil des Geschäftsmodells anpassen müssen. Wir fühlen uns somit in der Lage, eine Diskussion in alle Richtungen zu führen, auch wenn wir eine starke Meinung haben.

Provisionsverbot könnte eine Lücke ins Beratungsangebot reißen

Ich vertrete grundsätzlich die Auffassung, dass wir in einer sozialen Marktwirtschaft den Kunden den Entscheidungsspielraum nicht nehmen sollten. Der Kunde ist mündig genug, die Gestaltung der Preismodelle und auch der Chance- und Risikoverhältnisse selbst einschätzen zu können. Das ist ein essentieller Grundstein für die Gesellschaft, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen. Die damit verbundene Vertragsfreiheit ist eines der höchsten Güter in einer freien Marktwirtschaft und ein Garant für Innovation. In Bezug auf ein mögliches Provisionsverbot können wir die Auswirkungen mehr als vorhersagen, da es mit Ländern wie dem Vereinigten Königreich oder Holland langfristige Beispiele gibt. Es lässt sich an den Märkten erkennen, dass Beratung für kleinere Anlagebeträge und Vorsorgeverträge fast ausschließlich über standardisierte Angebote meist online abgedeckt wird.

 

Das ist per se nichts Schlechtes, aber nimmt Kunden die Möglichkeit individuelle Lösungen zu erhalten, denn Beratung wird nicht mehr wirtschaftlich darstellbar sein. Der Kunde wird somit nur noch Zugang zu bestimmten Produkten mit Beratung gewährt, aber die Unterstützung eines neuen Anlegers bei der ersten Investition in eine Aktie oder einen Aktienfonds wird verwehrt. Auch KPMG kommt in einer aktuellen Studie zu dem Thema zu dem Ergebnis, „dass die sachgerechte Heranführung der Retail-Kunden und deren fachkundige Begleitung bei der Investition in Wertpapiere nur durch den Erhalt der provisionsbasierten Beratung gewährleistet werden kann. Ein Verbot dieser Form der Beratung würde eine Betreuungslücke der Gruppe der besonders betreuungsbedürftigen Retail-Kunden führen."

Kosten sind nicht das Problem, sondern die Qualität der Beratung 

Es steht somit außer Frage, dass die Art und Weise der Beratung, der Umfang sowie das effektive Servicelevel ausschlaggebend sind. Berater und Kunden müssen sich gemeinsam auf passende und angebrachte Vergütungssysteme einigen können, damit eine individuelle Beratungsbeziehung wirtschaftlich aufrechterhalten werden kann. Reine „Verkäufer“ ohne Beratungsleistung sollte man erst gar nicht der Provision verwehren, sondern vom Markt ausschließen. Hier können aber keine Gebührendeckelung, Quoten oder sonstige Regelungen helfen, sondern ausschließlich die Qualifizierung der Berater Abhilfe schaffen.

Meiner Meinung nach liegt hier der große Fehler innerhalb der Debatte, denn die bedingte Kausalität in dem Kernargument für oder gegen ein Provisionsverbot zielt nicht auf die wirkliche Qualität der Beratungsdienstleistung ab. Es wird angenommen, dass Berater von Provisionen profitieren und aus diesem Grund gezielt Produkte mit den höchsten Provisionen auswählen. Diese Annahme entbehrt jeglicher Seriosität und langfristigen kaufmännischen Denkens. Berater, die nicht den langfristigen Anlageerfolg der Kunden an erster Stelle sehen, sind Verkäufer. Über die letzten Jahrzehnte haben diese Verkäufer dem Berufsbild des gewissenhaften Finanzberaters enormen Schaden zugefügt.

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