83 Prozent doppelt besteuert Zu bürokratisch, zu teuer: Studie zeigt den Frust mit der Quellensteuer
„Verfahren zur Erstattung von Quellensteuern auf grenzüberschreitende Zahlungen haben sich für Anleger und Steuerverwaltungen als langwierig und kostspielig erwiesen, da die Steuerverwaltungen die Ansprüche auf ermäßigte Quellensteuersätze nur schwer nachprüfen können und elektronische Verfahren fehlen.“ Diese durchaus selbstkritischen Worte stammen aus einem EU-Konsultationsentwurf des vergangenen Jahres.
Nun zeigen Ergebnisse der am Mittwoch veröffentlichten Studie „Quellensteuer in der Europäischen Union: Der harte Kampf für Privatanleger“ der europäischen Verbraucherorganisation Better Finance und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dass der damalige Befund auch heute noch nah an der Wirklichkeit ist.
Quellensteuer: 83 Prozent werden de facto doppelt besteuert
So versuchen nur rund 30 Prozent der befragten rund 3000 Anleger in Europa, die in Aktien aus einem anderen Land investiert sind, ihre zu viel entrichtete Quellensteuer auf Dividenden zurückzubekommen. Von diesem Anteil sind weniger als die Hälfte dabei auch erfolgreich (46 Prozent).
Im Ergebnis werden damit 83 Prozent der europäischen Anleger quasi doppelt besteuert, weil sie keine Rückerstattung anstreben oder den Weg erfolglos beschreiten.
Mehr als ein Fünftel der Anleger wartet länger als ein Jahr auf die Rückerstattung; 11,6 Prozent gar mehr als zwei Jahre. Von den 70 Prozent der Anleger, die gar nicht erst versuchen, ihre Quellensteuer zurückzuerlangen, sagen 58,6 Prozent, der Prozess sei ihnen zu langwierig und kompliziert; 16,7 Prozent nennen die hohen Kosten als Grund.
Insgesamt empfinden mehr als 90 Prozent den grenzüberschreitenden Prozess der Rückerstattung als schwierig.
Länder überbieten sich in Bürokratie
Kern des Problems ist eine fehlende Harmonisierung beim Thema Doppelbesteuerung. Die länderspezifischen Unterschiede lassen oftmals nicht zu, dass das in den Abkommen festgelegte Recht auf Anwendung eines ermäßigten Quellensteuersatzes oder eine Befreiung von der Quellensteuer vollumfänglich in Anspruch genommen werden kann.
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Dabei sind die Möglichkeiten der EU beim Thema Steuern begrenzt, die Hoheit haben die Mitgliedsländer. „Wir wollten der EU mit der Studie die länderspezifischen Unterschiede noch einmal deutlich machen", sagt DSW-Geschäftsführerin Christiane Hölz und hofft auf Verbesserungen bei Bürokratie und mangelnder Digitalisierung.
In Italien könne eine Rückerstattung derzeit auch mal sechs bis sieben Jahre dauern. Oft seien die Forderungen nach Dokumenten ein Problem, die den Vorgang in die Länge zögen. Als Beispiel nennt Hölz die deutschen Finanzämter, die teilweise nicht einmal wüssten, dass sie auf Anforderung Wohnsitzbescheinigungen ausstellen müssen. Hinzu kämen für Kleinanleger teilweise untragbare Kosten im Kontext der Dividendenbesteuerung.
Hölz erklärt, dass in der Bankenkette vom Emittenten bis zum Anleger jeder Verfahrensbeteiligte den Kapitaltransfer nachweisen müssen und dafür auch mal bis zu 500 Euro anfallen können.“
Quellensteuer: EU-Kommission ist jetzt am Zug
So verwundern die Zahlen der Studie nicht. 31 Prozent der befragten Anleger wollen in Zukunft nicht mehr grenzüberschreitend investieren, weil das Rückerstattungsprozedere eben zu kompliziert ist. „Wir streben, auch und gerade am Kapitalmarkt, ein stärkeres Zusammenwachsen innerhalb der Europäischen Union an. Grenzen sollen und sollten für Anleger keine Rolle spielen. Leider hinkt die praktische Umsetzung den hehren Ansprüchen und politischen Postulaten in vielen Punkten hinterher“, sagt Jella Benner-Heinacher, Hauptgeschäftsführerin der DSW.
Ein Kritikpunkt ist, dass nur sehr wenige Länder das sogenannte Vorabbefreiungsverfahren anbieten. Guillaume Prache, Geschäftsführer von Better Finance ergänzt: „Wenn wir es mit der Europäischen Kapitalmarktunion wirklich ernst meinen, muss die EU jetzt – endlich – konsequent handeln. Nur ein einfacher und einheitlicher Prozess der Rückerstattung von Quellensteuer auf ausländische Dividenden kann und wird grenzüberschreitende Investitionen ankurbeln. Es müssen alle administrativen Barrieren beseitigt und Kosten minimiert werden.“
Dabei ist Besserung wohl in Sicht. Ende Juni wird verspätet ein Richtlinienvorschlag der Kommission erwartet.