Quirlige Vielfalt Anleihen aus Südostasien – was die Region zu bieten hat
Am 1. Februar 2022 läutete China das Jahr des Tigers ein. Ein Jahr lang ist im chinesischen Tierkreiskalender dann jenes Tier Trumpf, das bildhaft für Kraft und schnelles Wirtschaftswachstum steht – für den Sprung über die Schwelle vom Agrarland zu einem modernen Industriestaat.
Das trifft auf eine ganze Reihe südostasiatischer Volkswirtschaften zu. Etwa die Staaten, die sich zur Asean-Gemeinschaft zusammengeschlossen haben. Als der Verbund im Jahr 1967 zusammenfand, strebten die fünf Gründerstaaten gemeinsamen Fortschritt an, wirtschaftlich, politisch und auf sozialer Ebene. Neben Thailand, Indonesien, Malaysia, Philippinen und Singapur sind seither noch weitere fünf Staaten Südostasiens beigetreten.
Die gesamte Region durchlebt eine quirlige Dynamik, die den westlichen Industrieländern in dieser Form fremd ist. Nicht wenige Ökonomen sehen Asien als globales Zentrum von morgen an, mit der Wirtschaftssupermacht China in seiner Mitte. Das bevölkerungsreichste Land der Erde sah im neuen Jahrtausend einen märchenhaften Boom. In den Nullerjahren stieg Chinas Bruttoinlandsprodukt von Jahr zu Jahr teils im zweistelligen Prozentbereich an (Grafik unten) – Werte, von denen man in Europa oder den USA nur träumen kann.
Auch die umgebenden Länder dürften vom Aufstieg Chinas profitieren, meint Robert Horrocks, Investmentchef der auf Asien spezialisierten Fondsboutique Matthews Asia. Er verweist auf Chinas Demografie: Die chinesische Bevölkerung altere deutlich, daher sei die Großmacht zunehmend auf Arbeitskräfte aus anderen Weltregionen angewiesen. „China wird einen Teil seiner industriellen Basis nach außerhalb seiner Grenzen verlagern“, sieht Horrocks für die Zukunft voraus. Südostasien hält er für den Hauptnutznießer dieser Entwicklung.
Wo lässt sich China einordnen?
Während Enthusiasten China fasziniert als rührigen Wettbewerber ansehen, gibt es auch kritische Stimmen. Sie warnen vor strategischer Hinterlist. China könne andere Staaten in ungesunde Abhängigkeiten bringen wollen, etwa durch gigantische Infrastrukturprojekte wie die Neue Seidenstraße. Das aggressive Auftreten des Staates in der Sonderverwaltungszone Hongkong und der deutlich vorgebrachte Anspruch auf das abtrünnige Taiwan ließen nichts Gutes erahnen.
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Die USA hat das selbstbewusste Auftreten Chinas längst auf den Plan gerufen. Die beiden Staaten wetteifern mittlerweile um die globale Wirtschaftsvorherrschaft – auch, indem sie einander Handelsschranken auferlegen.
Anlagespezialist Horrocks mag bei China kein zerstörerisches Kalkül nach außen erkennen. Er meint: Das Reich der Mitte sei vor allem an guten Beziehungen zu seinen Nachbarn interessiert. Ebenso strebe China eine stabile Partnerschaft mit den westlichen Staaten an. Das gelte selbst für den Fall einer neuen Weltordnung mit zwei politisch-wirtschaftlichen Einflusssphären – einer rund um die Vereinigten Staaten von Amerika und einer rund um China.
Das Klima des ungebrochenen Wachstums in China und Umgebung wird aber auch aus anderen Gründen rauer: In der Corona-Krise tun sich Lücken in internationalen Lieferketten auf. Rohstoffe werden rar, viele Länder kämpfen mit steigenden Inflationsraten. Hinzu kommt seit Ende Februar der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Weil China sich nicht deutlich dagegen positioniert und Sanktionen gegen Russland nicht unterstützen will, haben viele Investoren jüngst Geld aus chinesischen Wertpapieren abgezogen. Nicht zuletzt sorgen Chinas rigide Anti-Corona-Maßnahmen in dem Land und der Region für Unsicherheit. Es ist mithin viel passiert, seitdem Anfang Februar der Tiger seine Top-Position im chinesischen Horoskop eingenommen hat.