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Rätsel gelöst Führen niedrige Leitzinsen zu Inflation oder Deflation?

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Und Gabaix erhält aufsehenerregende Ergebnisse. An erster Stelle wird der Kampf zwischen Neo-Fisherismus und traditionellem Monetarismus beigelegt - niedrige Leitzinsen beschleunigen die Inflation für eine Weile und dämpfen sie dann langfristig. Also sind beide Theorien richtig. Das Ergebnis scheint den Erfahrungen in Japan zu entsprechen, wo die Leitzinsen seit Jahrzehnten bei null liegen, ohne dass es zu einem nachhaltigen Anstieg der Verbraucherpreise kommt. Anders als in Standardtheorien gibt es bei Gabaix’ Modell keine Unklarheit über den künftigen Kurs der Wirtschaft - im Fachjargon heißt das, es gibt ein eindeutiges Gleichgewicht. Und sein Konzept könnte auch das Konsum- und Sparverhalten genauer erklären als die vorherrschende Lehre, der zufolge Menschen ihre heutigen Sparentscheidungen darauf basieren, wie viel sie ihrer Meinung nach in zwei Jahrzehnten verdienen dürften.

Gabaix löst auch ein seit langem bestehendes Rätsel. Der üblichen makroökonomischen Theorie zufolge sollte die Forward Guidance, mit der die Zentralbanken ihre Einschätzung bezüglich des langfristigen Zinskurses kommunizieren, einen ungeheuren Einfluss auf die Wirtschaft haben. Tatsächlich sollte der Effekt umso größer sein, je weiter in der Zukunft eine Notenbank ihre Handlung in Aussicht stellt. Doch so läuft das einfach nicht im wahren Leben. Es macht auch absolut keinen Sinn: Wenn die Federal Reserve verspricht, ihren Leitzins in 30 Jahren anzuheben, sollte das die Wirtschaft nicht ins Schleudern bringen. In dem Modell von Gabaix verliert die Forward Guidance jedoch die magischen Kräfte, die ihr in Standardtheorien zugesprochen werden.

Zu guter Letzt scheint sich Gabaix’ Konzept mit unserer Erfahrung der Nullzinsen zu decken. Nominale Zinsen können nie sehr weit unter null gehen. In üblichen Theorien stürzt das eine Volkswirtschaft in eine deflationäre Spirale. In Wirklichkeit erfahren Volkswirtschaften, die - wie zuerst Japan und nun die USA - seit Jahren niedrige Zinsen haben, offenbar ein langsames Wachstum und eine niedrige Inflation, aber keinen Crash. In Gabaix’ Modell passiert genau das.

Was also würde der Theorie von Gabaix zufolge die Wirtschaft am besten voranbringen? Fiskalpolitische Impulse. Wenn Verbraucher kurzsichtig Handeln, werden sie mehr von dem zusätzlichen Geld ausgeben, dass sie durch Steuergeschenke oder auf anderen Wegen unverhofft erhalten. Das steigert die Schlagkraft von Ausgabenerhöhungen und Steuersenkungen, um das Wachstum anzukurbeln.

Wie alle makroökonomischen Theorien sollte das Arbeitspapier von Gabaix, das noch gar nicht in seiner endgültigen Form veröffentlicht wurde, als ein Gedankenspiel betrachtet werden. Es scheint aber eine Menge der größeren Fragen zu beantworten, über die Ökonomen und Entscheidungsträger streiten. Und das macht es mit einem bemerkenswert einfachen Kniff - einem, der auch den Traum verwirklicht, Rezessionen und Boom-Phasen anhand der Verhaltensökonomie zu erklären. Ich bin gespannt, ob diese Abhandlung das Gebiet der Makroökonomie aufrütteln wird, das dringend neue Ideen braucht.

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