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„Vietnam ist die China-Story von morgen“ (Interview)

DAS INVESTMENT: Herr Sidani, Ihr Frontier-Markets-Fonds hat in den vergangenen 12 Monaten eine beeindruckende Performance von 30 Prozent erzielt und die Benchmark deutlich übertroffen. Was war der Grund für diesen Erfolg?
Rami Sidani: Es gibt mehrere Gründe. Zum einen haben wir ein sehr erfahrenes Team, das diese Märkte seit Jahren intensiv beobachtet und analysiert. Wir sind nicht nur Zahlenjongleure, sondern reisen regelmäßig in diese Länder, um uns vor Ort ein Bild zu machen. Zum anderen profitieren wir von einigen starken Trends in den Frontier Markets.
Welche Trends meinen Sie konkret?
Sidani: Der wichtigste Trend ist die globale Suche nach Alternativen zu China. Viele internationale Unternehmen wollen ihre Lieferketten diversifizieren, und da kommt ein Land wie Vietnam ins Spiel. Es bietet eine junge, gut ausgebildete Bevölkerung, politische Stabilität und eine investitionsfreundliche Regierung. Das führt zu massiven ausländischen Direktinvestitionen – letztes Jahr waren es rund 25 Milliarden Dollar, dieses Jahr erwarten wir 28 Milliarden.
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DAS INVESTMENT: Herr Sidani, Ihr Frontier-Markets-Fonds hat in den vergangenen 12 Monaten eine beeindruckende Performance von 30 Prozent erzielt und die Benchmark deutlich übertroffen. Was war der Grund für diesen Erfolg?
Rami Sidani: Es gibt mehrere Gründe. Zum einen haben wir ein sehr erfahrenes Team, das diese Märkte seit Jahren intensiv beobachtet und analysiert. Wir sind nicht nur Zahlenjongleure, sondern reisen regelmäßig in diese Länder, um uns vor Ort ein Bild zu machen. Zum anderen profitieren wir von einigen starken Trends in den Frontier Markets.
Welche Trends meinen Sie konkret?
Sidani: Der wichtigste Trend ist die globale Suche nach Alternativen zu China. Viele internationale Unternehmen wollen ihre Lieferketten diversifizieren, und da kommt ein Land wie Vietnam ins Spiel. Es bietet eine junge, gut ausgebildete Bevölkerung, politische Stabilität und eine investitionsfreundliche Regierung. Das führt zu massiven ausländischen Direktinvestitionen – letztes Jahr waren es rund 25 Milliarden Dollar, dieses Jahr erwarten wir 28 Milliarden.
Aber ist Vietnam nicht schon ein alter Hut? Man hört seit Jahren von den Chancen dort.
Sidani: Das mag auf den ersten Blick so erscheinen, aber wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Denken Sie an China vor 20 Jahren – damals sprach auch jeder von den Chancen dort, und wer investiert hat, wurde reich belohnt. Vietnam durchläuft gerade eine ähnliche Entwicklung. Vor ein paar Jahren wurde das Land von der Weltbank von einem Land mit niedrigem Einkommen zu einem Land mit niedrigem mittleren Einkommen hochgestuft. In den nächsten Jahren könnte der Sprung in die Kategorie der Länder mit hohem mittleren Einkommen folgen. Das bedeutet: steigende Löhne, eine wachsende Mittelschicht, mehr Konsum. Wir erwarten ein BIP-Wachstum von 6-7 Prozent pro Jahr für die nächsten 5 bis 7 Jahre.
Vietnam macht etwa 28 Prozent Ihres Portfolios aus. Ist das nicht ein sehr hohes Klumpenrisiko?
Sidani: Das ist eine berechtigte Frage. Wir sind uns des Risikos bewusst, sehen aber die Chancen als deutlich größer an. Zudem sind wir in Vietnam breit diversifiziert - von Banken über Immobilienunternehmen bis hin zu Konsumgüterherstellern.
Fast die Hälfte Ihres Portfolios entfällt auf die Sektoren Finanzen und Immobilien. Können Sie das erklären?
Sidani: Wir investieren in Länder, die eine wirtschaftliche Transformation durchlaufen. Das sind oft bevölkerungsreiche Staaten mit jungen Bevölkerungen – im Gegensatz zu alternden Gesellschaften in der entwickelten Welt. Der Finanzsektor profitiert am stärksten vom BIP-Wachstum, daher ist er ein Schlüsselsektor für uns. Im Immobilienbereich sehen wir attraktive Dynamiken durch die expandierende Mittelschicht. In Vietnam beispielsweise gibt es einen Mangel von 1 Million Wohneinheiten in den Großstädten, weil junge Paare erstmals eigene Wohnungen nachfragen.
Frontier Markets bieten ein hohes Wachstumspotenzial, aber auch Risiken. Wie finden Sie in Ihrem Fonds die richtige Balance?
Sidani: Wir suchen nach den richtigen Märkten mit investitionsfreundlichen Regierungen, die Reformen umsetzen und ein förderliches Umfeld für ausländische Investoren schaffen. Länder mit fragilen politischen Verhältnissen oder geschlossenen Volkswirtschaften meiden wir. Ein Negativbeispiel ist Nigeria, das wir seit Jahren als nicht investierbar einstufen, weil es Kapitalverkehrskontrollen eingeführt und die Währung künstlich hochgehalten hat.
Eine Ihrer größten Positionen ist Kaspi.kz aus Kasachstan. Was fasziniert Sie an diesem Unternehmen?
Sidani: Kasachstan ist eine faszinierende Turnaround-Story. Nach 23 Jahren unter einem Diktator hat ein neuer Technokrat die Macht übernommen, der Reformen umsetzt und Korruption bekämpft. Kaspi ist dabei eine Super-App, die E-Commerce, digitales Banking und Zahlungsdienste kombiniert. Von 18 Millionen Einwohnern nutzen 13 Millionen aktiv diese App. Wir sind beim Börsengang eingestiegen und haben seitdem fast das Dreifache verdient.
Sie leben und arbeiten in Dubai. Wie wichtig ist die Arbeit vor Ort für Sie? Reisen Sie oft in die Frontier Markets?
Sidani: Das ist extrem wichtig. Frontier Markets mangelt es oft an Transparenz, daher müssen wir nah dran sein an den Unternehmen und Stakeholdern. Ich besuche Vietnam ein- bis zweimal im Jahr, Saudi-Arabien regelmäßig, ebenso Afrika und Osteuropa. Diese persönlichen Besuche sind unerlässlich, um die operativen Bedingungen, das Wettbewerbsumfeld und die Strategien der Unternehmen wirklich zu verstehen.
Was war die gefährlichste Situation auf Ihren Reisen?
Sidani: Der schwierigste Ort, den ich besucht habe, ist Lagos in Nigeria. Wenn Sie noch nie dort waren - sorgen Sie dafür, dass es so bleibt! Die Sicherheitslage ist problematisch, die Infrastruktur primitiv. Nigeria hat es leider versäumt, ein investitionsfreundliches Umfeld zu schaffen. Die meisten anderen Orte, die ich besuche, sind dagegen wunderbar. In Vietnam gibt es inzwischen hochmoderne Einkaufszentren, die Konsumenten kaufen internationale Marken – etwas, das es vor 10-15 Jahren so nicht gab. Es ist faszinierend, Teil dieser rasant wachsenden, dynamischen Volkswirtschaften zu sein.
Sie managen den Schroder ISF Frontier Markets Equity Fonds seit 2011. Wie haben sich die Märkte seitdem verändert?
Sidani: Die meisten Länder, in die wir investieren, haben sich in die richtige Richtung entwickelt. Sie haben sich geöffnet und Reformen umgesetzt. Wir haben eine klare Expansion der Mittelschicht gesehen, besonders in Ländern wie Vietnam. Man muss aber verstehen: Die Entwicklung von Nationen geschieht nicht über Nacht. Vietnam ist eine strukturelle Wachstumsstory, die sich über die nächsten 5-7 Jahre fortsetzen wird.
Als Sie den Fonds 2011 aufgelegt haben, waren Länder wie Saudi-Arabien und Katar noch reine Öl-Staaten. Heute versuchen sie sich als Technologie-Hubs zu positionieren. Wie beurteilen Sie diese Bemühungen?
Sidani: Die Geschichte ist faszinierend, besonders in Saudi-Arabien, der größten Volkswirtschaft der Region. Das Land durchläuft eine massive wirtschaftliche Transformation und soziale Liberalisierung, angetrieben von der neuen Führung unter Kronprinz Mohammed bin Salman.
Was heißt das konkret?
Sidani: Lassen Sie mich ein paar Beispiele geben: Erst 2018 wurde Frauen das Autofahren erlaubt. Stellen Sie sich vor: In einem Land mit 30 Millionen Einwohnern erhalten plötzlich 8,5 Millionen erwachsene Frauen Mobilität. Heute machen Frauen mehr als 36 Prozent der Arbeitskraft in Saudi-Arabien aus. Das erste Kino wurde erst 2019 eröffnet – so früh in der Entwicklung steht Saudi-Arabien noch. Die Regierung investiert 800 Milliarden Dollar in neue Sektoren, etwa den Tourismus. Saudi-Arabien veranstaltet die Formel 1, Konzerte, wird 2029 die Asienspiele ausrichten, 2030 die Weltausstellung und bewirbt sich für die Fußball-WM 2034.

Wie profitieren Sie als Investor von dieser Entwicklung?
Sidani: Wir investieren in Sektoren, die von der sozialen Liberalisierung profitieren. Zum Beispiel in Lebensmitteleinzelhändler wie Americana, den Besitzer von Pizza Hut und KFC. Denn jetzt gehen Teenager ins Kino, zum Bowling und essen dabei Burger und Pizza. Oder in ein Autovermietungsunternehmen, weil Frauen jetzt Autos mieten, um zu Konzerten oder Formel-1-Rennen zu fahren.
Was ist für Sie wichtiger: Das Lesen der Tageszeitung, um diese Trends aufzuspüren oder das Bloomberg-Terminal?
Sidani: Um den „First Mover Advantage“ zu nutzen, müssen wir schneller als die Zeitung und vor Ort sein. Ich besuche Saudi-Arabien alle paar Monate und sehe, wie sich das Land verändert. Früher durften Männer und Frauen nicht einmal zusammen in der Öffentlichkeit sein. Heute ist Riad, die Hauptstadt, ein pulsierender Ort voller Möglichkeiten.
Welche Rolle werden Frontier Markets in 10 Jahren im Anlageuniversum spielen?
Sidani: Ich glaube, der Trend zur Diversifizierung von Lieferketten und weg von China wird sich fortsetzen. Die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China werden nicht verschwinden. Das bedeutet mehr Investitionen in Frontier Markets. Vietnam wird seine Position als wichtige Alternative zu China festigen. Wir erwarten auch mehr Börsengänge, besonders im Technologiesektor. Als ich vor 20 Jahren anfing, in diese Märkte zu investieren, gab es nur Banken, Immobilien und ein paar Telekommunikationsunternehmen. Heute ist das Universum viel breiter - wir investieren in Konsumgüter, Technologie, Logistik und vieles mehr. Das sind strukturelle Wachstumsgeschichten, die meiner Meinung nach weiterhin starke Renditen liefern werden.



