LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in Politik & GesellschaftLesedauer: 10 Minuten

Daten, Tiefe, Maßeinheiten „Rating-Anbieter messen Klimafolgen noch unzureichend“

Seite 3 / 4

Fallstudie: First Quantum – physische Risiken

Der Vergleich der Ergebnisse für ein Unternehmen bei verschiedenen Anbietern zeigt die Unterschiede bei den Klimamodellen wohl am anschaulichsten. First Quantum ist ein kanadisches Unternehmen, das weltweit Kupfer- und Goldminen (mit bedeutenden Anlagen in Sambia) betreibt – und erhielt von zwei Anbietern deutlich unterschiedliche Ergebnisse für die Szenarioanalyse.

Anbieter A betrachtete zwölf Unternehmensstandorte, als er die physischen Risiken des Klimawandels für First Quantum bewertete. Er ermittelte, dass das Unternehmen bei extremer Kälte um 0,22 Prozent profitieren, bei extremer Hitze jedoch um 2,21 Prozent geschädigt werden würde, was einem physischen Nettorisikowert von -1,96 Prozent entspricht. Anbieter A berücksichtigte keine Auswirkungen von extremem Niederschlag, starkem Schneefall, starkem Wind, Überschwemmungen an der Küste oder tropischen Wirbelstürmen. Im Gegensatz dazu maß das Modell von Anbieter C die physischen Risiken von Küstenüberschwemmungen (-1,13 Prozent), Flussüberschwemmungen (-0,70 Prozent) und chronischen Auswirkungen (-0,28 Prozent). Dabei handelt es sich um langsam eintretende Folgen wie etwa die beobachteten Veränderungen bei den Kosten und der Produktivität von Arbeitskräften bei erhöhtem Hitzestress. Außerdem wurde ein Nutzen aus der Anpassung (+0,55 Prozent) berücksichtigt, sodass der physische Nettorisikowert bei -1,56 Prozent lag. Obwohl jeder Anbieter das Problem aus einer anderen Perspektive betrachtete und unterschiedliche Faktoren bewertete, war der Nettorisikowert einigermaßen vergleichbar.

Unsere Portfoliomanager, Analysten und das ESG-Team stellten jedoch fest, dass beide Anbieter die anhaltende Dürre in Sambia nicht in ihre Analyse einbezogen haben. Etwa 90 Prozent der Stromerzeugung in Sambia erfolgt durch Wasserkraft, und es gibt routinemäßige Stromrationierungen, die sich bei anhaltender Dürre nur noch verschlimmern werden. Das ist eine erhebliche Bedrohung für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens in diesem Land.

Fallstudie: First Quantum – Übergangsrisiken und Chancen

1.200% Rendite in 20 Jahren?

Die besten ETFs und Fonds, aktuelle News und exklusive Personalien erhalten Sie in unserem Newsletter „DAS INVESTMENT Daily“. Kostenlos und direkt in Ihr Postfach.

Die Berechnungen des Netto-Übergangsrisikos zeigten ebenfalls signifikante Unterschiede. Beide Anbieter berücksichtigten direkte Treibhausgasemissionen aus unternehmenseigenen Stromquellen (Scope-1-Emissionen), aber nur ein Anbieter berücksichtigte Emissionen aus zugekauften Stromquellen (Scope-2-Emissionen) und nachgelagerte Emissionen in der Wertschöpfungskette des Unternehmens (teilweise Scope 3). Bei den meisten Unternehmen stammt der Großteil der Treibhausgasemissionen aus Scope 3.

Anbieter C, der First Quantum einen Gesamtscore für das Übergangsrisiko von -62,81 Prozent zuwies, verteilte den Score auf verschiedene Elemente seiner Übergangsrisikofaktoren wie etwa Minderung, Scope-Emissionen sowie Nachfragezerstörung und Reaktion. Anbieter A hingegen bemaß das Übergangsrisiko mit nur einem Gesamtscore von -72,35 Prozent. Dieser ermittelte die zugrunde liegenden Elemente des Betriebs- und Geschäftsmodellrisikos, Scope-Emissionen und „einen im Laufe der Zeit global steigenden Preis“ für diese Emissionen, schlüsselte aber weder die Scores in diesen Bereichen auf noch erläuterte er, wie sie zum Gesamtscore für das Übergangsrisiko beitrugen.

Die beiden Modelle stimmen auch weniger gut überein, wenn es um die Messung der Chancen durch den Klimawandel geht. Anbieter A betrachtet speziell Unternehmenspatente, um zukünftige Chancen zu messen, und gesteht First Quantum aufgrund fehlender Patente keinerlei potenziellen Nutzen aus dem Klimawandel zu. Im Gegensatz dazu beinhaltet die Bewertung von Anbieter C einen erwarteten Anstieg der Kupfernachfrage um +10,7 Prozent aufgrund der fortschreitenden Umstellung auf Elektrofahrzeuge, und geht von einer Weitergabe der Kohlenstoffkosten im Umfang von 65,6 Prozent aus. Das ergibt eine Gesamtchance von +76,3 Prozent. Beim Vergleich der Gesamtsummen für das Netto-Übergangsrisiko weist Anbieter C einen Netto-Risikowert von +11,9 Prozent zu, gegenüber -2,0 Prozent bei der eingeschränkteren Chancen-Bewertung von Anbieter A. Ein aktiver Manager mit grundlegenden Kenntnissen über das Unternehmen ist wahrscheinlich in der Lage, diese beiden Bewertungen in Einklang zu bringen, um zu einer angemesseneren Einschätzung des Übergangsrisikos und der Chance zu kommen.

Tipps der Redaktion