Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge Versicherungsvermittler müssen raus aus dem Graubereich
Razzia in den Zwillingstürmen: Die Medienberichte über Durchsuchungen bei der Deutschen Bank haben auch bei Mitbewerbern so manchen Risikomanager „extrem aufgescheucht“, erinnert sich ein Verantwortlicher vertraulich. Denn der Verdacht, dem die Staatsanwaltschaft Frankfurt vor knapp einem halben Jahr nachgegangen war, könnte leicht auch auf viele andere Anbieter von Fonds und Fondspolicen fallen: Greenwashing.
Das heißt ins Deutsche übersetzt Grünfärberei und beschreibt Tim Ahrens zufolge erstens Werbemaßnahmen für Produkte, die unwahr als nachhaltig angepriesen werden. Oder zweitens Falschangaben in den Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen, so der Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Deutschland.
So weit, so klar. Aber: „Wie sich Rechtsprechung und Gesetzgebung diesbezüglich entwickeln werden, bleibt abzuwarten“, merkt Ahrens an. Kein Wunder, denn noch ist völlig ungewiss, was konkret dauerhaft als nachhaltig gelten soll. In diesem Frühjahr bewirkte beispielsweise der russische Angriff auf die Ukraine, dass viele Menschen in Deutschland ihre bisherige Position zu Investitionen in die Rüstungsbranche hinterfragt haben. Während ältere Menschen zwar tendenziell eher an ihrem bisherigen Werturteil festhalten, änderten vor allem Jüngere ihre Meinung radikal (siehe Grafik unten).
Lassen die Brüsseler Gesetzgeber zukünftig also auch Wertpapiere von Waffenproduzenten als Grünanlage durchgehen? Das fordert zumindest der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie mit Verweis auf ihre Nachschubdienste zur „Verteidigung der Werte liberaler Demokratien und zur Schaffung einer Abschreckung, die den Frieden und die globale Stabilität bewahrt“.
Hallo, Herr Kaiser!
Falls er sich damit durchsetzt, genießen auch die erst noch festzulegenden Sozialstandards bereits vor ihrer Bekanntgabe einen zweifelhaften Ruf. Denn die sogenannte EU-Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen schließt ja seit Jahresbeginn sogar Investitionen in Erdgas und Atomkraft ein.
Deren Aufnahme in die EU-Taxonomie hat die Branche mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, wie Daniel Knörr bestätigt. „Mich persönlich hat das stark irritiert“, sagt der Leiter des Produktmanagements für Publikumsfonds und das Geschäft mit fondsgebundenen Versicherungen bei der Talanx-Tochter Ampega Investment.
Für die Reputation des politischen Rahmenwerks ist diese Entscheidung nach Knörrs Meinung kontraproduktiv. Anlageentscheidungen seines Arbeitgebers tangiere sie jedoch ohnehin kaum: „Firmen aus den Branchen Erdgas und Atomkraft finden aufgrund der hohen Umweltrisiken kaum den Weg in unsere Portfolios. Und kontroverse Waffenhersteller schließen wir gänzlich aus.“