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Aktualisiert am 29.01.2020 - 09:06 Uhrin MärkteLesedauer: 4 Minuten

Raus oder rein: Welche Risiken drohen Staatsanleihen?

Harald Preißler ist Chefvolkswirt
Harald Preißler ist Chefvolkswirt
beim Anleihespezialisten Bantleon

DAS INVESTMENT.com: Eine der wohl wichtigsten Fragen für die Rentenmärkte dürfte die sein, wann die Europäische Zentralbank den Leitzins wieder erhöht.

Harald Preißler: Das ist wahr. Ich denke, dass es im zweiten Quartal so weit sein wird. Dann werden die Zinsen um 0,5 Prozentpunkte erhöht. Ein Quartal später dürfte ein weiterer halber Prozentpunkt auf einen neuen Stand von 2 Prozent folgen.

DAS INVESTMENT.com: Und dann heißt es ‚Raus aus langlaufenden Staatsanleihen’?

Preißler: Im Gegenteil. Dann heißt es ‚Rein in langlaufende Staatsanleihen’. Raushalten aus solchen Papieren sollten Sie sich dagegen jetzt. Wenn die EZB den Leitzins erhöht, ist das Schlimmste schon durch.

DAS INVESTMENT.com: Warum?

Preißler: Die Zentralbank erhöht erst die Zinsen, wenn die Konjunkturdynamik weiter stark bleibt. Sie reagiert also nachträglich auf die dann stärkere Wirtschaft. Die Staatsanleihenrenditen sind da schneller. Sie bewegen sich in Echtzeit mit dem Konjunkturzyklus mit und nehmen daher die künftige Politik der EZB vorweg. Da die konjunkturellen Frühindikatoren aber ab dem zweiten Quartal wieder auf ein nachlassendes Wachstumstempo hindeuten werden, wäre ein Rückgang der Renditen langlaufender Anleihen ab Sommer alles andere als überraschend. Bevor es soweit ist, muss die EZB allerdings erst einmal einen Anstieg der Renditen zulassen. Bislang wirkt die Zentralbank dem entgegen, indem sie mit ihrer Politik des billigen Geldes eine künstliche Mehrnachfrage nach Staatsanleihen erzeugt.

DAS INVESTMENT.com: Was sich demnächst aber ändern wird?

Preißler: Es muss. Die Marktteilnehmer werden auf die deutlich bessere Wirtschaftslage reagieren müssen, gleichzeitig hat die EZB bereits erste Maßnahmen ergriffen, um der Geldschwemme Einhalt zu gebieten. In der Folge werden die Renditen anziehen und die Kurse sinken. Und dann sind Sie besser woanders.

DAS INVESTMENT.com: Wo?

Preißler: In den Kurzläufern oder sogar im Geldmarkt. Da sind die Kursrisiken gering.

DAS INVESTMENT.com: Reden wir einmal über die Unmengen an Geld, das die Zentralbanken derzeit über die Märkte schütten. Stichwort Inflation. Bereitet Ihnen das als Volkswirt nicht Kopfzerbrechen?

Preißler: Nein, nicht so sehr. Trotz des ‚All you can eat’-Buffets, das die Notenbanken bereitgestellt haben, ist die Geldmenge insgesamt zuletzt geschrumpft. Ich bin daher überzeugt, dass die Inflationsrisiken nicht so groß sind, wie sie gemeinhin dargestellt werden.

DAS INVESTMENT.com: DWS-Chef Klaus Kaldemorgen hat einmal gesagt, mit dem Geld sei es wie mit Zahnpasta. Es kommt leicht aus der Tube, geht aber nur schwer wieder rein.

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