Anlagespezialist Stefan SchmittRebalancing:unterschätzt,überbewertetoderunterschwelligrevolutionär?
Eine Verwaltungsroutine, bestenfalls Pflichtübung für Juniors: Rebalancing genießt im Investmentprozess wenig Ansehen. Das muss sich dringend ändern, meint Stefan Schmitt.
Rebalancing wird vielerorts eher als lästige Pflichtübung denn als Renditebringer angesehen, sagt Stefan Schmitt| Foto: Midjout´rney
In vielen Investmenthäusern hat Rebalancing keinen hohen Stellenwert. Ganz im Gegenteil: Erfahrene Portfoliomanager neigen dazu, das Thema zu belächeln. In vertraulichen Gesprächen heißt es oft: „Ein bisschen Rebalancing – das macht der Praktikant, wenn nichts Wichtiges ansteht.“ Für viele Senior Professionals ist Rebalancing eher Verwaltungsarbeit als aktives Risikomanagement – mechanisch, ein...
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In vielen Investmenthäusern hat Rebalancing keinen hohen Stellenwert. Ganz im Gegenteil: Erfahrene Portfoliomanager neigen dazu, das Thema zu belächeln. In vertraulichen Gesprächen heißt es oft: „Ein bisschen Rebalancing – das macht der Praktikant, wenn nichts Wichtiges ansteht.“ Für viele Senior Professionals ist Rebalancing eher Verwaltungsarbeit als aktives Risikomanagement – mechanisch, eindimensional und bestenfalls kosmetisch.
Rebalancing als Verkaufsargument
Rebalancing ist heute ein stiller Grundpfeiler moderner Investmentprozesse, vor allem bei Robo-Advisors und Modellportfolios. Wo keine Meinungen zählen und Algorithmen entscheiden, braucht es eine klare Methode zur Gewichtungskontrolle. Die Antwort: Rebalancing – regelbasiert, automatisiert, nachvollziehbar. Was früher Pflichtübung war, ist heute Verkaufsargument: Es steht für Disziplin, Risikokontrolle und Systematik.
Besonders gut funktioniert das bei ETF-Strategien. Warum? Weil ETFs skalierbar, liquide, kosteneffizient und strukturell homogen sind. Allokationen lassen sich mit wenigen Bausteinen steuern, ohne Einzeltitelrisiken, Bilanzsorgen oder Newsflow. Ein 60/40-Portfolio aus Aktien- und Renten-ETF ist in Minuten auf Zielgewichtung zurückgesetzt – automatisch und dokumentiert. Bei Einzelaktien ist das anders: Dort muss jedes Mal geprüft, gewichtet und steuerlich abgeglichen werden. Kein Wunder, dass Rebalancing in ETF-Mandaten floriert und bei aktiven Strategien oft links liegen bleibt.
Regelbasiertes Rebalancing
Kalenderbasiert: Rebalancing erfolgt in festen Intervallen: monatlich, vierteljährlich oder jährlich. Vorteil: Disziplin und Planbarkeit. Investoren reduzieren automatisch übergewichtete Werte und stocken untergewichtete auf. Das Portfolio bleibt auf Kurs, das Risiko im Rahmen. Nachteil: Der Rhythmus ignoriert Marktvolatilität. Studien zeigen: Für denselben Tracking Error ist der Handelsaufwand höher als bei flexibleren Methoden. Laut Dimensional fiel der Umschichtungsaufwand in einem 60/40-Portfolio bei vierteljährlichem Rebalancing doppelt so hoch aus wie bei jährlichem. Die Abweichung von der Zielallokation lag dagegen nur bei der Hälfte.
Schwellenwertbasiert: Umgeschichtet wird nur, wenn Toleranzbänder verletzt werden, also bei klarer Abweichung von der Soll-Allokation. Der Vorteil: Flexibilität. In ruhigen Phasen bleibt das Portfolio unangetastet, unnötige Trades entfallen. Laut Dimensional sind solche Modelle effizienter: Geringere Abweichung pro Trade, besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Stellschraube liegt in der Bandbreite: Enge Bänder sichern Zielnähe, verursachen aber häufigere Trades. Weite Bänder lassen mehr Spielraum – und senken die Transaktionskosten.
Dynamisches Rebalancing
Volatilitätsbasiert: Hier richtet sich das Rebalancing nach der Marktvolatilität. In turbulenten Phasen wird häufiger angepasst, in ruhigen seltener. Der Vorteil: Flexibilität und Nähe zum Marktgeschehen. Experten wie Schwab empfehlen, Volatilitätsindikatoren als Auslöser zu nutzen – um Übertreibungen gezielt zu kontern.
Drawdown-basiert: Umschichtungen erfolgen bei klaren Rücksetzern. Beispiel: Fällt der Markt mehr als 10 Prozent unter sein Hoch, wird antizyklisch zugekauft – „Buy the Dip“. Der Nutzen zeigte sich im Corona-Crash: Wer nicht rebalancierte, war vor dem Absturz übergewichtet und am Tiefpunkt zu defensiv. Drawdown-Trigger zwingen zur Disziplin, genau dann, wenn die Masse verkauft.
Trend-/Momentum-basiert: Diese Modelle orientieren sich an Markttrends. Bei starkem Aufwärtstrend wird das Rebalancing verzögert oder temporäre Übergewichtung werden toleriert: Man will Gewinner laufen lassen. Backtests einer US-Pensionskasse zeigten rund plus 1 Prozent p.a. Mehrertrag. Doch: Viele dieser Modelle sind komplex, manche bleiben im Rückblick wirkungslos.
Auswirkungen auf Rendite und Risiko
Rebalancing beeinflusst Rendite und Risiko messbar. Es reduziert Klumpenrisiken und glättet die Volatilität, was das Risiko-Rendite-Profil verbessert. Eine Analyse von HQ Trust zeigt: Ein 60/40-Portfolio erzielte von 2000 bis 2024 mit jährlichem Rebalancing 4,7 Prozent p.a., ohne Rebalancing nur 4,3 Prozent. Noch auffälliger ist der Risikounterschied: Ohne Anpassung schwankte der Aktienanteil zwischen 32 Prozent und 70 Prozent, mit Rebalancing nur zwischen 46 Prozent und 66 Prozent.
Doch Vorsicht: Mehr ist nicht automatisch besser. Zu häufiges Rebalancing kann Rendite kosten – etwa durch unnötige Transaktionen oder das vorzeitige Kappen laufender Trends. In Bullenmärkten schneiden nicht rebalancierte Portfolios oft besser ab, weil sie Gewinner ungebremst weiterlaufen lassen. Ein frisch ausbalanciertes Portfolio hingegen bremst diese Dynamik – und verzichtet kurzfristig auf mögliche Mehrerträge. Der Preis für Buy-and-Hold: deutlich höheres Risiko und potenziell schmerzhafte Rückschläge im nächsten Abschwung.
Praktische Herausforderungen
In der Umsetzung gilt es, einige Stolpersteine zu vermeiden:
Transaktionskosten: Häufiges Rebalancing erhöht die Handelskosten und kann Performance auffressen. Hier gilt es, einen Kompromiss zu finden.
Steuern: Umschichtungen können steuerpflichtige Gewinne realisieren. In der Praxis wird daher steueroptimiert rebalanciert, z.B. über steuerbegünstigte Vehikel oder Cashflow-Rebalancing, bei dem Zuflüsse/Abflüsse zum Ausgleich genutzt werden.
Timing-Risiko: Starre Regeln können zum falschen Zeitpunkt greifen. Rebalancing kurz vor einer Rally mindert die Rendite. Zögern kann Verluste vertiefen. Dynamische Ansätze mindern dieses Risiko, doch Markt-Timing lässt sich nie ganz vermeiden.
Disziplin: Anspruchsvollere Modelle erfordern Daten und strikte Umsetzung. Die Strategie muss auch in Stressphasen durchgehalten werden und zum Anlageziel passen.
Fazit
Rebalancing in der Praxis ist ein Balanceakt zwischen Einfachheit und Flexibilität. Regelbasierte Ansätze wie Kalender- oder Toleranzband-Modelle bieten klare Leitplanken, um das Portfolio auf Kurs zu halten und Risiken zu kontrollieren. Dynamische Strategien passen die Regeln an die Marktlage an; sie können Rendite und Risiko optimieren, erfordern aber mehr Expertise.
Es gibt keine Einheitslösung. Jeder Anleger muss einen Ansatz wählen, der zu seinen Zielen und Rahmenbedingungen passt. Zu seltenes Rebalancing lässt Risiken wachsen, zu häufiges erzeugt unnötige Kosten. Die Kunst liegt im Gleichgewicht, das konsequent umgesetzt werden muss, um die Ziele der Anleger zu erreichen.
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