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Aktualisiert am 27.03.2020 - 12:51 Uhrin MärkteLesedauer: 3 Minuten

Rechtliches zur Griechenland-Krise Warum Juristen nicht an einen Grexit am Sonntag glauben

Die Gemengelage könnte bis auf weiteres fortbestehen. Die juristischen Implikationen sind für Unternehmen eine Last und dürften die Zweifel nähren, was Griechenlands wirtschaftliche Aussichten betrifft.

Der Grund liegt darin, dass es in den europäischen Verträgen keine Ausstiegsklausel gibt. Verfassungsrechtler zerbrechen sich derweil die Köpfe, wie dass Problem gelöst werden könnte, ohne Nachahmer auf den Plan zu rufen.

„Rechtlich gesehen, sehen wir keinen zügigen, einfachen Entscheidungsweg, der es Griechenland gestattet, den Euroraum freiwillig zu verlassen oder ausgeschlossen zu werden. Weder durch die übrigen Euro-Mitgliedsstaaten oder gar durch eine rasche, einstimmige Entscheidung aller Mitgliedsstaaten“, sagte Stefaan Loosveld, Partner bei der Kanzlei Linklaters LLP in Brüssel. Loosveld arbeitete als leitender Justiziar von 2003 bis 2006 für die Europäische Zentralbank.

Kommt es am Sonntag zwischen Griechenland und den europäischen Gläubigern zu keiner Einigung, könnte dies in einem ersten Schritt zur Folge haben, dass die EZB griechische Banken nicht länger mit der Gemeinschaftswährung Euro versorgt. Nur die EZB kann Euro ausgeben, deren Bestände in Griechenland begrenzt sind. Allmählich würde in Griechenland das Geld ausgehen.

Griechenland könnte dann in eine Lage geraten, die jener im Kosovo oder Montenegro ähnelt. Beide Länder sind außerhalb der Europäischen Union. Rechtlich gesehen gibt es keine Grundlage für die Verwendung des Euro. Aber wirtschaftlich haben die Länder ihre Volkswirtschaften auf den Euro abgestellt. Europas Spitzenpolitiker könnten der rechtlichen Fiktion anhängen, das Land sei im Euro während es faktisch nicht Teil ist.

Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEU-Vertrag) ist in Artikel 140 geregelt, nach welchen Regeln der Wechselkurs unwiderruflich festgelegt wird für Staaten, die der Währungsunion beitreten.

Die Gründer hätten nicht im entferntesten daran gedacht, den Rückwärtsgang einzulegen, sagte Graham Bishop, Berater bei EU-Institutionen zur Euro-Politik und Regulierung seit den Tagen der D-Mark und des französischen Francs.

Die Spekulationen konzentrieren sich auf den Artikel 352, der aktuellen Fassung der sogenannten Flexibilitätsklausel aus den Anfangstagen der EU. Der Artikel ermöglicht es europäischen Regierungen, tätig zu werden, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, wenn die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind.

Was möglich sein könnte auf Grundlage des Artikels 352, gibt derzeit unter Juristen Anlass zu Gedankenspielen. Der niederländische Finanzminister und Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, war am 22. Juni fotografiert worden, als er ein Dossier in Händen hielt, auf dem ‚vertraulich‘ und ‚352‘ zu lesen waren. Verfasser und Zweck des Dossiers waren unklar, aber ein Tätigwerden auf Grundlage von Artikel 352 würde vielfältige Fragen aufwerfen. Denn ein Auseinanderbrechen der Währungsunion ist kaum in Einklang zu bringen mit dem Ziel, die Verträge zu verwirklichen. Zudem sind alle 28 EU-Staaten und das Europäische Parlament zustimmungspflichtig. Damit verfügt Griechenland über ein Veto gegen den eigenen Rauswurf.

Selbst wenn Griechenland dazu bewegt werden könnte, haben andere Staaten Eigeninteressen, die einer Zustimmung entgegenstehen dürften. In Spanien ringt die Zentralregierung mit Katalonien, das sich lossagen will. Deshalb hat die Regierung in Madrid kein Interesse, Auflösungstendenzen Vorschub zu leisten. In Großbritannien müsste sich das Unterhaus mit der Sache befassen, wo jegliche Diskussion zur EU in einem vergifteten Klima stattfindet.

Während die EU einen Weg aus dem Dilemma suchen würde, wäre in Griechenland die Frage, welche Währung nun gesetzliches Zahlungsmittel ist - der Euro, vom Staat ausgegebene Schuldscheine oder die Drachme.

Wenn nicht feststeht, in welcher Währung Geschäfte abgewickelt werden, oder in welcher Verträge abgerechnet werden, die vor einem Grexit geschlossen worden sind, wäre dies ein Nährboden für rechtliche Unsicherheit, selbst wenn sich Griechenland und die Regierungen der Euro-Mitgliedsstaaten auf einen Austrittsmechanismus verständigen, sagte Stephen C. Mavroghenis, Anwalt bei der Kanzlei Shearman & Sterling LLP in Brüssel. „Es könnte zivilrechtliche Klagen geben, in dieser Hinsicht. Das wird ein Schlamassel“, sagte Maghrovenis.

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