LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in ZielgruppenLesedauer: 6 Minuten

Rechtsanwalt Björn Thorben Jöhnke Nur dann darf der BU-Versicherer die Leistung einstellen

Seite 2 / 2

Materielle Voraussetzung einer Leistungseinstellung

Materielle Voraussetzung einer Leistungseinstellung ist der Nachweis, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten derart gebessert hat, dass er bedingungsgemäß wieder berufsfähig ist. Nachgewiesen werden musste vom Versicherer vorliegend also, dass sich die Schmerzen der Versicherungsnehmerin bei Belastung des linken Fußes seit dem Leistungsanerkenntnis so gebessert hatten, dass sie zu mehr als 50 Prozent wieder ihrer früheren Tätigkeit nachgehen konnte.

Das OLG stellt klar, dass eine Berufsfähigkeit nicht darauf gestützt werden kann, dass eine Versicherungsnehmerin ihrer Tätigkeit weiter nachgehen kann, indem sie Schmerzen aushält und Schmerzmedikamente einnimmt. Einem Versicherten sind das ständige Ertragen von Schmerzen bei der Arbeitstätigkeit und die dauerhafte Schmerzmitteleinnahme unzumutbar. Vom Versicherten kann nicht verlangt werden, dass er sich in gesundheitlicher Hinsicht überfordert. Er ist berufsunfähig, wenn die festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen die Fortsetzung seiner Tätigkeit vernünftigerweise und im Rahmen der Zumutbarkeit nicht mehr gestatten. Voraussichtlich dauernde erhebliche Schmerzen braucht er nicht zu ertragen.

Diese Gesamtbetrachtung der in diesem Verfahren angeführten Beweise – unter anderem auch die Anhörungen medizinischen Sachverständigen - fällt in diesem Rechtsstreit zum Nachteil der beweispflichtigen Versicherung aus.

In der mündlichen Anhörung haben nämlich alle Sachverständigen erhebliche Nebenwirkungen der von der Klägerin eingenommenen Schmerzmittel erläutert und dargelegt. Auch wenn die Sachverständigen erklärt haben, dass aus medizinischer Sicht selbst eine langjährige Einnahme dieser Medikamente zur Schmerzreduzierung gut verträglich sein kann, so betonten sie zum einen die unterschiedlichen Auswirkungen bei jedem Patienten und zum anderen die Gefahr einer Leberschädigung. Wenn bei ausreichender Verträglichkeit eine Abwägung der Nachteile mit den Vorteilen der Schmerzreduzierung zum Ergebnis führt, dass der Einsatz medizinisch sinnvoll ist, bedeutet dies aber nicht, dass in der Berufsunfähigkeitsversicherung der Versicherte erhebliche Nebenwirkungen auf sich nehmen muss, um seine Tätigkeit zu bewältigen.

Der OLG war also nicht davon überzeugt, dass seit dem Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der Schmerzintensität bei der Klägerin eine so deutliche Verbesserung eingetreten ist, dass diese ihrer Berufstätigkeit auch nur halbschichtig ohne unzumutbare Schmerzen nachgehen kann.

Fazit und Praxishinweis

Eine Leistungseinstellung des Versicherers nach Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens unterliegt formalen und materiellen Voraussetzungen. Im Rahmen der materiellen Voraussetzung trägt der Versicherer die Beweislast für den Wegfall der Berufsunfähigkeit. Der Beweis ist dem Versicherer im vorliegenden Fall nicht gelungen.

Für die Praxis ist festzustellen, dass es sinnvoll ist, jede Leistungseinstellung eines Berufsunfähigkeitsversicherers anwaltlich überprüfen zu lassen, selbst in einem Nachprüfungsverfahren. Wie man an dieser Entscheidung sieht, ist nicht jede Leistungseinstellung des Versicherers rechtlich haltbar und hält einer gerichtlichen Überprüfung stand. Gerade, wenn der Versicherte wieder neue Tätigkeiten aufnimmt und diese tatsächlich ausübt, könnte der Versicherer im Zweifel auch im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens eine konkrete Verweisung aussprechen.

Diese natürlich nur, wenn die neue Tätigkeit der vormaligen Lebensstellung entspricht (vgl. OLG Jena v. 21.12.2017 – Az. 4 U 699/13) und zum Beispiel keine unzulässige Verweisung auf neu erworbene Fähigkeiten im Nachprüfungsverfahren vorliegt (vgl. LG Nürnberg-Fürth v. 14.12.2017 - Az. 2 O 3404/16). Dieses sollt wiederum im Einzelfall genauestens juristisch überprüft werden, da sonst die vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten vereitelt werden könnten.

Der Autor
Björn Thorben M. Jöhnke ist Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Die Kanzlei wird zu diesem Themenbereich 2019 auf mehreren Vermittler-Seminaren referieren: Düsseldorf (07.05.2019), Kassel (08.05.2019), Leipzig (09.05.2019), Nürnberg (21.05.2019), Stuttgart (22.05.2019), Frankfurt (23.05.2019).

Informationen zur Agenda und eine Anmeldemöglichkeit finden Sie hier >>

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion