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Rechtsanwalt erklärt „Dieses BGH-Urteil wird in vielen Kapitalanlage-Haftungsprozessen relevant sein“

Eingang zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe
Eingang zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe | Foto: H.D.Volz / pixelio.de
Daniel Blazek ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in der Kanzlei BEMK Rechtsanwälte

Risikohinweise in Zeichnungsscheinen sind ein Dauerbrenner in Haftungsprozessen. Sie haben sich in unterschiedlichen Formen etabliert: Als Kleingedrucktes, als nicht besonders optisch hervorgehobener Textblock in normal großer Schrift, mit abgesetztem Rahmen und/oder gesonderter Überschrift, mit inhaltlich verklausuliertem Verlustrisiko, mit klar beschriebenem Maximalrisiko, mit separaten Unterschriftsfeld oder ohne. Beklagte Finanzanlagen- oder Versicherungsvermittler rekurrieren in der Rechtsverteidigung auf die Risikohinweise zum ergänzenden Beleg dafür, dass der Interessent vorher über die Risiken des Anlage- oder Versicherungsvertrages aufgeklärt wurde sowie dafür, dass er seit Zeichnung in grob fahrlässiger Weise die betreffenden Risiken verkannt hat, weswegen eine entsprechende Aufklärungspflichtverletzung verjährt wäre.

I. Zum aktuellen BGH-Urteil

Am 23. März 2017 urteilte der III. Zivilsenat des BGH, dass einem Anleger keine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des Paragrafen 199 Absatz 1 Nummer 2 BGB vorgeworfen werden kann, wenn ihm nach Abschluss der Beratung kurz der Zeichnungsschein zur Unterschrift vorgelegt wird und er beim (formalen) Vollzug der Anlageentscheidung den Text des Scheins nicht durchliest (Aktenzeichen: BGH III ZR 93/16, Leitsatz).

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Der BGH hat sich schon früher mit der Frage der grob fahrlässigen Unkenntnis als Beginn der Regelverjährungsfrist im Sinne von Paragraf 199 Absatz 1 Nummer 2, 2. Fall BGB beschäftigt, im Zusammenhang mit dem Lesen von Verkaufsprospekten. Im Zusammenhang mit Zeichnungsscheinen urteilte er nun, dass bei der Frage nach dem objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Kontext, in dem es zu den Zeichnungen gekommen ist, nicht ausgeblendet werden darf. Zwar gibt der Anleger mit dem Zeichnungsschein eine rechtsverbindliche Willenserklärung ab. Dies reiche aber für sich allein nicht aus, um zum Nachteil des Anlegers automatisch den Vorwurf grober Fahrlässigkeit bei unterlassener Lektüre des kleingedruckten Inhalts der Zeichnungsscheine zu rechtfertigen. Eine andere Beurteilung kann etwa dann in Betracht kommen, wenn der Berater den Anleger ausdrücklich darauf hinweist, er solle den Text vor Unterzeichnung durchlesen, und er dem Kunden die hierzu erforderliche Zeit lässt oder wenn in deutlich hervorgehobenen, ins Auge springenden Warnhinweisen auf etwaige Anlagerisiken hingewiesen wird oder wenn der Anleger auf dem Zeichnungsschein gesonderte Warnhinweise zusätzlich unterschreiben muss.

II. Zu erwartende Argumentation

Nach wie vor werden Vermittler und Berater in Haftungsprozessen mit der eingangs genannten Rechtsverteidigung aufwarten. Immerhin gibt es Zeichnungsscheine mit Risikobelehrungen, und diese können nun nicht per se wertlos sein. Über Risiken wurde aufgeklärt, entsprechende Pflichtverletzungen sind wenigstens aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis verjährt. Anleger und Anlegeranwälte werden genau das Gegenteil anführen: Risikobelehrungen in Zeichnungsscheinen seien doch wertlos, nichts sei verjährt und über Risiken sei nie gesprochen worden. Vielleicht wird die Diskussion noch ausgeweitet auf Bestätigungen über den Prospekterhalt und Verweise auf die dortigen Anlagebedingungen im Zeichnungsschein. Auch das sei ebenfalls nicht/ebenfalls doch wertlos.

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