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Rechtsanwalt erläutert Entscheidung des OLG Karlsruhe Gilt bei MS-Erkrankung eine spontane Anzeigepflicht?

Von in AnalysenLesedauer: 6 Minuten
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Das Gericht nahm damit eine Offenbarungspflicht als sogenannte „spontane Anzeigepflicht“ an, denn beim Abschluss von Verträgen besteht grundsätzlich eine Offenbarungspflicht über solche Umstände, hinsichtlich derer der Vertragspartner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicher Weise Aufklärung erwarten durfte. Auf den Versicherungsvertrag bezogen bedeutet dies, dass jedenfalls diejenigen Umstände offenbart werden müssen, die ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer für gefahrerheblich, das heißt für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, für bedeutsam halten muss.

Nach diesem Maßstab soll es sich bei der MS-Erkrankung des Klägers im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung um einen gefahrerheblichen und damit offenbarungspflichtigen Umstand handeln, da es einem an multipler Sklerose erkrankten Versicherungsnehmer bekannt sei, dass die MS eine nicht heilbare Krankheit mit in der Regel fortschreitendem Verlauf sei, mit der ein stark erhöhtes Risiko der Berufsunfähigkeit einhergehe. So war zumindest die Rechtsansicht des LG Heidelberg. Die Kanzlei hatte die rechtliche Würdigung des LG Heidelberg kontrovers diskutiert und hierzu eine andere Auffassung vertreten.

Die Sach- und Rechtslage in zweiter Instanz (OLG Karlsruhe)

Die Richter des OLG Karlsruhe verneinten jedoch ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers wegen der Nichtangabe der multiplen Sklerose, gaben der Klage jedoch dennoch nicht statt, denn der Versicherungsnehmer habe eine Berufsunfähigkeit „mitgebracht“. Die Berufung des Klägers hatte damit im Ergebnis keinen Erfolg, denn das LG Heidelberg sei zu Recht von einer wirksamen Anfechtung ausgegangen. Anders als das LG sieht das OLG jedoch den Anfechtungsgrund nicht darin, dass es der Kläger unterlassen hat, die Beklagte auf die multiple Sklerose hinzuweisen.

Eine Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers kann sich im vorvertraglichen Bereich insbesondere aus seiner Anzeigeobliegenheit gemäß § 19 Abs. 1 VVG ergeben. Denn auch wenn deren Missachtung dem Versicherer die Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG eröffnet, steht dies gemäß § 22 VVG der Möglichkeit der Arglistanfechtung nicht entgegen. § 19 Abs. 1 VVG sei hier indes jedoch nicht einschlägig, weil die Beklagte dem Kläger in Form der vorformulierten Erklärung unstreitig nur spezifische Fragen zu seinem Gesundheitszustand gestellt hat, die seine bestehende Erkrankung überhaupt nicht erfassten (siehe oben).

Auch im Übrigen war der Kläger nicht verpflichtet, die Beklagte von sich aus auf die bei ihm diagnostizierte multiple Sklerose hinzuweisen. Zwar ist juristisch sehr umstritten, ob nach der VVG-Reform auch ohne entsprechende Frage des Versicherers auf gefahrerhebliche Umstände hinzuweisen sei. Jedoch sei hier nach allen vertretenen Rechtsauffassungen eine Anzeigepflicht des Klägers hinsichtlich seiner Erkrankung zu verneinen. Denn selbst vor der VVG-Reform hätte vorliegend eine Anzeigepflicht nicht bestanden, da der Versicherer mit den in seinen Antragsformularen gestellten Fragen an den Antragsteller zu erkennen gab, was er für seine Entscheidung als wesentlich ansieht.

Scheut sich ein Versicherer aus geschäftstaktischen Gründen, eine Frage zu stellen, deren wahrheitsgemäße Beantwortung nach seiner Darstellung maßgeblich für seine Entscheidung war, ob er den angetragenen Vertrag überhaupt schließt, so liefere der Versicherer selbst den Beweis dafür, dass er die unaufgeforderte Offenbarung des betreffenden Sachverhalts nicht erwarten konnte und durfte. Hieran habe sich durch die Einführung des neuen § 19 VVG, der die berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers besser schützen soll als der frühere § 16 VVG, nichts geändert.

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