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Rechtsanwalt Esfandiar Khorrami Vermögensabgabe ist auch keine Lösung

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Dass diese Voraussetzungen momentan erfüllt sind, kann ich nicht erkennen. Es ist zudem noch nicht absehbar, wie hoch die durch Corona verursachten Kosten sein werden. Völlig unklar ist, ob und wenn ja, in welcher Höhe staatliche Bürgschaften oder Darlehen überhaupt zu Ausfällen führen werden. Wir wissen Stand heute auch nicht, ob und wenn ja, wann Corona vorbei sein oder ob das Virus nicht in jedem Jahr wiederkehrend unser Begleiter sein wird. Spätestens, wenn Corona wiederkommt, kann von einem historisch einzigartigen Ereignis nicht die Rede sein. Das aber wäre wesentliche Bedingung für die Erhebung einer Vermögensabgabe. Nicht ausgeschlossen werden kann zudem, dass der Staat möglicherweise mit seinen Hilfs- und vor allem Kreditprogrammen in der langfristigen Betrachtung der Krise aus seinem Engagement sogar Gewinne erzielen könnte.

Wirtschaft braucht schnelle Liquiditätshilfe

Eine Vermögensabgabe ist aber nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sie ist volkswirtschaftlich betrachtet auch unvernünftig. Denn statt der Suche nach neuen Geldquellen für den Staatshaushalt, muss jetzt zuerst dafür gesorgt werden, dass Unterstützungsleistungen schnell bei den Unternehmen landen. Was die Wirtschaft zu ihrer Belebung braucht, sind neben konkreten und verlässlichen Handlungslinien schnelle Finanzhilfen, um die Corona-Schließungen zu überstehen. Und sie braucht die Zuversicht, schnell wieder ans Netz gehen zu können. Was bringt beispielsweise die Aussicht auf Aufstockung des Kurzarbeitergeldes, wenn an der Verwaltungsbasis zum Teil die Leute fehlen, um entsprechende Anträge kurzfristig zu bearbeiten? Bis Ende April haben deutschlandweit rund 750.000 Unternehmen für 10,1 Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet. Das ist knapp ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland. Ist der Staat bei der Antragsbearbeitung zu langsam, können Millionen Arbeitnehmer weder ihren Lebensunterhalt bestreiten noch ihre Miete zahlen.

Stillgelegte Unternehmen und Einkommensverluste bei den Beschäftigten lassen am Ende nicht nur Dienstleister, Gastronomen oder Hoteliers in finanzielle Schieflage geraten. Es trifft genauso Vermieter von Gewerbeflächen und Wohnraum, und zwar die kleinen genauso wie die großen. Alle Marktakteure zusammen tragen dieses Problem wiederum weiter zu den finanzierenden Banken, und es kommt eine gefährliche Spirale in Gang, an deren Ende nahezu jede Branche und weite Teile der Bevölkerung in diesem Land einen Rettungsschirm bräuchten. So enthüllt die Forderung nach einer Vermögensabgabe eben auch das Paradox, dass sowohl Privatpersonen als auch große und kleine Unternehmen, die das Rückgrat unserer Marktwirtschaft bilden, aktuell mit erheblichen Verlusten oder Einkommensausfällen umgehen müssen und gleichzeitig bei einem ohnehin durch die Krise verminderten Vermögen mit einer neuen Abgabe konfrontiert werden.

Mit Investitionen der Krise begegnen

Eine Vermögensabgabe würde den gesamten wirtschaftlichen Erholungsprozess gefährden, denn sie verringert bei den Unternehmen Kapital für Investitionen und dringend notwendige Finanzierungsmöglichkeiten, mit denen die Corona-Krise bewältigt und möglichst viele Marktteilnehmer erhalten werden könnten. Statt einer neuen Abgabe, mit der Vermögen – sowohl privates als auch Betriebsvermögen – abgeschöpft würde, sollte der Staat gerade jetzt dafür sorgen, dass das Geld im System bleibt. Denn nur so kann investiert werden, und die Wirtschaft hat eine Chance, sich zu erholen und wieder zu wachsen.

Zur Finanzierung der Hilfsprogramme oder möglicher Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung hat Deutschland als eines bonitätsstärksten Länder der Welt nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, kurzfristig Staatsanleihen auszugeben. Die derzeitige Negativzinsphase bietet hier sogar die Chance, weniger zurückzahlen zu müssen, als man mit Staatsanleihen eingenommen hat. Im Zuge wirtschaftlicher Gesundung werden die regulären Steuereinnahmen wieder ansteigen und können zur Finanzierung der Krisenkosten herangezogen werden. Als Vorbild kann hier auch die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 dienen, die ohne Erhöhung der Steuern erfolgreich durchgestanden werden konnte.


Über den Autor:
Esfandiar Khorrami ist Rechtsanwalt und Partner bei der Berliner Kanzlei Bottermann Khorrami.

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