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Rechtsanwalt rät Enterbte Angehörige – so lässt sich Ärger vermeiden

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Erhöhte Vorsicht ist bei gemeinschaftlichen Testamenten gefragt. Zwar erben die Kinder erst nach dem Tod beider Partner. Was viele nicht wissen: Jedes Kind hat schon beim ersten Todesfall Anspruch auf einen Pflichtteil. Zum Schutz können die Eltern eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel in ihren letzten Willen einbauen. Die Folge: Macht ein Kind beim Tod des ersten Elternteils bereits den Pflichtteils geltend, bekommt es auch beim zweiten Erbfall nur den Pflichtteil.

Erblasser sollten ihre Familiensituation und Vorstellungen mit einem erfahrenen Spezialisten für Familien- und Erbrecht diskutieren. So lassen sich böse Überraschungen vermeiden und tragfähige Lösungen entwickeln. 

Rechte von enterbten Angehörigen

Enterbte Kinder, Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner haben einen Geldanspruch auf einen Teil des Nachlasses. Sie dürfen aber nicht untätig bleiben. Enterbte Nachkommen müssen spätestens zum Ende des dritten Jahres, welches dem Jahr der bekannt gewordenen Enterbung folgt,  ihren Pflichtteil einfordern. Andernfalls verjährt der Anspruch.

Damit nicht genug: Pflichtteilsberechtigte haben zudem Anspruch auf einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch, der sich auf alle Schenkungen des Erblassers in den letzten zehn Jahren bezieht. Mit jedem seit der Schenkung vergangenen Jahr reduziert sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch in Bezug auf den verschenkten Vermögenswert um zehn Prozent. Für Schenkungen, die beim Erbfall länger als zehn Jahre zurückliegen, besteht kein Ergänzungsanspruch mehr.

Für einige Schenkungen gelten besondere Regelungen. Bei Schenkungen unter Eheleuten beginnt die zehnjährige Frist erst mit der Auflösung der Ehe, also mit dem Tod des Erblassers. Schenkungen unter Nießbrauchvorbehalt lösen grundsätzlich keine Jahresfrist aus und sind voll zu berücksichtigen.

Um ihren Anspruch zu beziffern, haben enterbte Pflichtteilsberechtigte ein Auskunftsrecht über die genaue Höhe des gesamten Nachlasses zum Todestag. Zudem müssen die Erben die lebzeitigen Schenkungen des Erblassers offenlegen. Zu diesem Zweck wird in der Regel von einem Notar ein Vermögensverzeichnis erstellt. Alle in den letzten zehn Jahren verschenkten Vermögenswerte werden wieder „fiktiv“ einbezogen und zumindest anteilig berücksichtigt. Um ihre Rechte optimal zu wahren, sollte enterbte Pflichtteilsberechtigte  einen erfahrenen Berater zu Rate ziehen. So können sie kostspielige Fehler vermeiden und ein bestmögliches Ergebnis erzielen (siehe Infokasten „Den Pflichtteil richtig einfordern“).

Win-win-Modelle nutzen

Die Vorstellung, dass sich erbberechtigte und enterbte Angehörige in die Haare bekommen, bereitet vielen Erblassern schlaflose Nächte. Abhilfe kann eine lebzeitige Regelung schaffen. Der Königsweg ist ein Pflichtteilsverzicht. Dazu schließt der Erblasser mit dem zu enterbenden Angehörigen einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag ab. Darin erklärt der Pflichtteilsberechtigte  seinen Pflichtteilsverzicht und erhält im Gegenzug eine Abfindung. So kann der Erblasser seinen Nachlass frei von späteren Pflichtteilsansprüchen auf die von ihm gewünschten Erben verteilen. Auch für enterbte Pflichtteilsberechtigte  kann der Pflichtteilsverzicht vorteilhaft sein. Sie erhalten bereits zu Lebzeiten eine Abfindung, die unter Umständen höher ist als der gesetzliche Pflichtteil. Schließlich verringert sich das Vermögen des Erblassers bis zu seinem Tod häufig noch.

Zwar besteht bei einem Pflichtteilsverzicht kein Zwang zur Zahlung einer Abfindung an den Verzichtenden. Jedoch kann bei einer unterbleibenden Abfindung der Pflichtteilsverzicht als unangemessen gelten und damit unwirksam sein. Bei Unternehmern und sehr wohlhabenden Personen bietet sich auch ein sogenannter gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht an. In diesem Fall erstreckt sich der Verzicht nur auf einzelne Vermögensgegenständer des Erblassers, zum Beispiel auf seine Beteiligung am Familienunternehmen.

Seit einigen Jahren hat sich die Rechtsprechung deutlich verschärft. Deshalb ist bei Abschluss von Pflichtteilsverzichtsverträgen erhöhte Vorsicht gefragt und rechtlicher Rat dringend ratsam. Verträge sind nur rechtswirksam, wenn der Erblasser vor Vertragsschluss den Verzichtenden über Art und Umfang des Vermögens ausreichend aufklärt. Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, empfiehlt dem enterbten Nachkommen obendrein, den Vertragsentwurf von einem  unabhängigen Anwalt prüfen zu lassen. So sind denkbare Angriffspunkte gegen den Pflichtteilsvertrag meist ein für alle Mal vom Tisch.


Über den Autor:
Andreas Otto Kühne ist Fachanwalt für Erbrecht und Partner der Rechtsanwaltskanzlei BKL Fischer Kühne + Partner.

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