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Reformstau
Steckt Deutschland in der Falle?
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Reformstau Steckt Deutschland in der Falle?

Von in DeutschlandLesedauer: 4 Minuten
Finanzminister Christian Lindner (von links), Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz
Finanzminister Christian Lindner (von links), Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz: Das Festhalten an der Schuldenbremse hierzulande verwundert viele Experten. | Foto: Imago Images / Political-Moments

„Das Pfeifen einer Lokomotive prägt unsere Vorstellung eines ganzen Bahnhofs.“ Als der französische Filmemacher Robert Bresson seine „Notizen zum Kinematographen“ verfasste, konnte er sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass man seine Äußerung zum Gegenstand einer ökonomischen Allegorie machen könnte, in der die Eurozone für die Welt der Eisenbahn steht und Deutschland die Rolle der Lokomotive innehat.

 

 

Eine Lokomotive, deren Pfeifen etwas Wehleidiges hat. Denn die deutsche Wirtschaft bläst Trübsal; und diese niedergeschlagene Stimmung wirkt sich auf die gesamte Eurozone aus. Mit einem BIP-Wachstum von -0,4 Prozent im Jahr 2023 – die, abgesehen von der Coronakrise, schwächste Leistung seit der Krise von 2008 – bildet Deutschland das Schlusslicht in der Währungsunion. Die Arbeitslosigkeit ist zwar sehr gering, nimmt jedoch seit einem Jahr zu, während sie in den südlichen Ländern noch weiter sinkt, insbesondere in Italien und Spanien. 

Industrie- und Immobilienbranche massiv beeinträchtigt 

Der größte Belastungsfaktor für das Land ist die Industrie, die bedeutendste Triebkraft der Bundesrepublik. Der hier eingesetzte Energiemix, der seit dem Ausstieg aus der Kernenergie im Wesentlichen aus Gas und Kohle besteht, wurde vom Konflikt zwischen Russland und der Ukraine massiv beeinträchtigt, sodass die Kosten für die Unternehmen des Sektors explodierten.

Parallel hierzu verschlechterten sich die Exportmöglichkeiten, hauptsächlich aufgrund der Konjunkturflaute in China. So war bei den Aufträgen in der Industrie über zwei Jahre der stärkste Rückgang seit 2009 zu verzeichnen, wenn man die Coronakrise ausklammert. 

Auch der Immobiliensektor befindet sich in großen Schwierigkeiten. Über die vergangenen zehn Jahre hat sich in Deutschland nach und nach eine Wohnimmobilienblase gebildet. Seit Ende 2013 ist der durchschnittliche Preis für Bestandsimmobilien aufgrund des strukturellen Wohnungsmangels, der sich durch den Zustrom von Migranten ab 2015 noch zuspitzte, stark gestiegen. Dieser Anstieg erreichte Mitte 2022 einen Spitzenwert von 100 Prozent, gegenüber beispielsweise 20 bis 25 Prozent in Frankreich.

In ihrer unbeugsamen ordoliberalen Haltung gelingt es der deutschen Regierung nicht, sich auf die Aufhebung der Schuldenbremse zu einigen. Deren Aussetzung würde es dem Land ermöglichen, 2024 Schulden im Umfang von mehr als 0,35 Prozent des BIP aufzunehmen. 

Seither sind die Preise angesichts des starken Zinsanstiegs, des Rückgangs der Realeinkommen und der Konjunkturabkühlung um über 15 Prozent gefallen. Diese Spirale hatte massive Auswirkungen auf den Bausektor, der den stärksten Rückgang in seiner Geschichte verzeichnet, schlimmer als im Jahr 2008. Damit verbunden sehen wir derzeit die ersten Insolvenzen von Immobilienentwicklern. 

Handlungsspielräume wären vorhanden, nur Schuldenbremse im Weg

Angesichts dieser Widrigkeiten verfügt Deutschland zunächst einmal über großzügige Handlungsspielräume. Das Defizit ist mit einer Verschuldung von lediglich 60 Prozent des BIP sehr begrenzt. Damit zählt Deutschland zu den Musterschülern unter den Industrieländern.

Diese Betrachtung lässt jedoch eine Schwäche außer Acht: In ihrer unbeugsamen ordoliberalen Haltung gelingt es der deutschen Regierung nicht, sich auf die Aufhebung der Schuldenbremse zu einigen. Deren Aussetzung würde es dem Land ermöglichen, 2024 Schulden im Umfang von mehr als 0,35 Prozent des BIP aufzunehmen.

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So hätte die infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entstandene Lücke in Höhe von 60 Milliarden Euro überbrückt werden können. Das tatsächliche Ergebnis: Deutschland steuert zu einer Zeit, in der die heimische Wirtschaft Unterstützung braucht, auf Haushaltskürzungen zu. Auf den Fluren der Europäischen Zentralbank setzen sich die deutschen Vertreter zudem für die Beibehaltung hoher Zinssätze über einen längeren Zeitraum ein und entziehen der Wirtschaft damit auch geldpolitische Unterstützung.

Angesichts der derzeitigen Herausforderungen wäre es angebracht, wenn Deutschland flexibler agieren würde, ohne dabei die traditionelle Strenge im Umgang mit den eigenen Finanzen gänzlich über Bord zu werfen. Dies wäre für die gesamte Eurozone heilsam. Denn wenn die Lokomotive ins Stottern gerät, kann der gesamte Zug entgleisen.

 


Über den Autor:

Enguerrand Artaz ist Fondsmanager bei der französischen Fondsgesellschaft LFDE mit Sitz in Paris.

 

 

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