Altersvorsorge in Deutschland „Die Regierung stößt Riester-Sparern vor den Kopf“

DAS INVESTMENT: Eine Reform der Riester-Rente stand zwar im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung, wurde aber in der nun abgelaufenen Legislaturperiode nicht umgesetzt. Wie geht es hiermit nun weiter?
Sebastian Mentel: Meiner Ansicht nach wurde die Riester-Reform nicht verschoben, sondern faktisch abgeblasen. Das ist ein falsches Signal und droht, eine Art Vorsorge-Verdrossenheit auszulösen: In den vergangenen 20 Jahren haben Millionen von Sparern ihre Riester-Verträge bedient und werden jetzt vor den Kopf gestoßen. Leider erscheint es schwer, in der Politik Mitstreiter für eine Reform zu gewinnen. Deshalb halte ich es für wahrscheinlicher, dass es bald ein komplett neues Produkt zur staatlich geförderten Altersvorsorge geben wird.
Als Alternative zur Riester-Rente fordern Verbraucherschützer jetzt wieder einen Staatsfonds nach schwedischem Vorbild. Was halten Sie davon?
Mentel: Es...
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DAS INVESTMENT: Eine Reform der Riester-Rente stand zwar im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung, wurde aber in der nun abgelaufenen Legislaturperiode nicht umgesetzt. Wie geht es hiermit nun weiter?
Sebastian Mentel: Meiner Ansicht nach wurde die Riester-Reform nicht verschoben, sondern faktisch abgeblasen. Das ist ein falsches Signal und droht, eine Art Vorsorge-Verdrossenheit auszulösen: In den vergangenen 20 Jahren haben Millionen von Sparern ihre Riester-Verträge bedient und werden jetzt vor den Kopf gestoßen. Leider erscheint es schwer, in der Politik Mitstreiter für eine Reform zu gewinnen. Deshalb halte ich es für wahrscheinlicher, dass es bald ein komplett neues Produkt zur staatlich geförderten Altersvorsorge geben wird.
Als Alternative zur Riester-Rente fordern Verbraucherschützer jetzt wieder einen Staatsfonds nach schwedischem Vorbild. Was halten Sie davon?
Mentel: Es ist schon interessant, dass bei der Rente ausgerechnet Schweden als Vorbild gilt. In Fragen der Impfpolitik führt niemand dieses Land an, was ich zumindest bemerkenswert finde. Die beste Lösung kam hier von dem privaten Unternehmen Biontech aus Mainz – größtenteils finanziert durch private Geldgeber und eben nicht durch den Staat. Mit Blick auf die staatlichen Fehlentscheidungen beim Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg ist meiner Ansicht nach ebenfalls Skepsis angebracht, ob eine staatliche Behörde wirklich ein besserer Fondsmanager sein wird als ein privater Anbieter.
Von dem Konzept des Staatsfonds halte ich dementsprechend zwar nicht besonders viel, die damit angestoßene Diskussion über das Thema der kapitalmarktorientierten Altersvorsorge finde ich jedoch gut. Bei den Zielen für die zukünftige Rentenpolitik sehe ich auch durchaus Chancen, einen Kompromiss zu finden. Denn wir Riester-Anbieter sehen die gleichen Schwachpunkte des bisherigen Systems wie die Verbraucherschützer und begrüßen sinnvolle Änderungen wie flexiblere Garantien, die dringend nötig wären.
Anders als über Riester spricht über die Rürup-Rente derzeit kaum jemand. Erwarten Sie im Rahmen der geplanten Altersvorsorgepflicht für Selbstständige und Freiberufler auch dort Diskussionen über Reformen, etwa bei der fehlenden Kündigungsmöglichkeit?
Mentel: Diese Möglichkeit fehlt auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Aber dafür ist bei der Rürup-Rente immerhin ein Anbieter- beziehungsweise Tarifwechsel möglich. So können unsere Kunden beispielsweise von der Basisrente Premium, die eine 95-prozentige Teilgarantie vorsieht, in die garantiefreie Komfort-Variante wechseln. Auch Basisrenten von Drittanbietern übernehmen wir gerne, sofern der bisherige Rürup-Anbieter dem Wechselwunsch des Kunden zustimmt. Die Basisrente ist für mich dennoch der sprichwörtliche Einäugige unter den Blinden.
Warum?
Mentel: Attraktiv ist sie vor allem wegen der steuerlichen Absetzbarkeit in der Ansparphase und der hohen förderfähigen Beträge. Das gilt bereits bei einem Bruttoeinkommen von 35.000 Euro bei Singles beziehungsweise 70.000 Euro bei Ehepaaren. Ich erwarte aber, dass die Basisrente künftig wieder relevanter im Vertrieb wird, und zwar auch für Arbeitnehmer oder den jeweils weniger verdienenden Ehepartner.
Gegenüber der Riester-Rente müssen Rürup-Kunden zwar auf die Grundzulagen und eventuelle Kinderzulagen verzichten. Doch dafür profitieren sie von den unbürokratischeren Regeln und der Möglichkeit einer aktienorientierten Kapitalanlage. Die Niedrigzinsen am Anleihemarkt und vor allem der ab dem kommenden Jahr von 0,90 auf 0,25 Prozent sinkende Höchstrechnungszins erschweren es Versicherern hingegen, Riester-Verträge mit der gesetzlich geforderten Bruttobeitragsgarantie überhaupt noch anzubieten.
Auch Ihr Haus verabschiedete sich aus diesem Geschäftsfeld. Welche Alternativen bieten Sie Vorsorgesparern?
Mentel: Wir haben dafür gleich zwei andere Produkte im Angebot. In der dritten Schicht der Altersvorsorge bieten wir unser Komfort Depot an, in dem der Kunde sowohl aktiv als auch passiv gemanagte Fonds verwalten kann. Das angesparte Vermögen kann man sich mit der Investmentrente regelmäßig über einen oder mehrere Entnahmepläne auszahlen lassen. Anders als bei einer Fondspolice gibt es bei diesem Produkt keinen Versicherungsmantel.
Hinzu kommt die bereits genannte garantiefreie Basisrente Komfort, die wir seit 2018 in der ersten Schicht der Altersvorsorge anbieten. Mit 25 Produkten halten wir die Fondsauswahl dort bewusst überschaubar. Enthalten sind vor allem breit diversifizierte Portfolios, keine Satelliten- oder Nischen-Investments. Wählbar sind bis zu zehn Fonds, die Laufzeit beträgt mindestens fünf Jahre. Im jeweils angestrebten Rentenalter zwischen 62 und 85 Jahren beginnt eine lebenslange Leibrente, bei der wir mit der Alten Leipziger zusammenarbeiten. Den Vertrag können die Kunden auch über die Vermittler-Software von Softfair und per E-Signatur abschließen.
Anders als solche Policen sollen klassische Fondssparpläne nicht in das geplante digitale Rentenkonto aufgenommen werden. Denn der Kunde kann das angesparte Vermögen ja auch schon vor dem Ruhestand entnehmen und verjubeln. Hat die Versicherungslobby da im Vorfeld ganze Arbeit geleistet?
Mentel: Das muss man so sagen. Mit der Herausnahme von klassischen Fondssparplänen transportiert die Politik die Botschaft, dass Investmentsparen nicht der Altersvorsorge dienen kann. Gegen diese Sichtweise werden wir auch weiterhin argumentieren. Wir sehen die digitale Übersicht nämlich als Schritt in die richtige Richtung an. Es ist aber wenig verbraucherfreundlich und schlecht für die Akzeptanz, wenn dort ein Flickenteppich entsteht und wichtige Informationen fehlen.
Außerdem ist die Begründung der Assekuranz weder fair noch nachvollziehbar, da sich auch eine Fondspolice kündigen lässt. Zumindest sollen nun auch solche Fondssparpläne in das digitale Rentenkonto aufgenommen werden können, die eine feste Anspardauer vorsehen. Konkret darf die Sparsumme dazu frühestens ab einem Alter von 60 Jahren ausgezahlt werden. Denn dann gilt sie als rentennah und soll als Altersvorsorge anzusehen sein. Diese Änderung spielt uns in die Karten, denn auch bei unserem DWS Komfort Depot müssen Neukunden eine gewünschte Vertragslaufzeit angeben. Bei den Bestandskonten müssen wir das nachträglich erfassen, falls der Kunde seinen Vertrag auch im neuen Rentenkonto wiederfinden will.