Gespräch mit DFG-Vorständen „Rendite entsteht nicht immer vor der eigenen Haustür“

DAS INVESTMENT: Die USA sind gesellschaftlich ein gespaltenes Land, wirtschaftlich aber immer noch global die Nummer 1. Wie sieht die Entwicklung am Immobilienmarkt aus?
Sven Neubauer: Nach wie vor gut. Die USA verfügen als größte und dynamischste Volkswirtschaft der Welt über einen der bedeutendsten, transparentesten und professionellsten Immobilienmärkte und darüber hinaus über eine ausgesprochen eigentümerfreundliche Gesetzgebung. Für uns als internationale Investoren ist das von großer Bedeutung. Laut Schätzung soll die Bevölkerung in den USA bis Ende 2060 um 75 auf rund 405 Millionen Menschen wachsen. Daher sind die Prognosen für den Immobilienmarkt in den USA aus demografischer Sicht langfristig sehr positiv. Darüber hinaus erzielten US-Investments in der Vergangenheit im Vergleich zu Europa erheblich höhere Renditen.
Auch nach Abzug der Kosten für die Währungsabsicherung?
Neubauer: Ja, auch dann. Diese Kosten sind ja zuletzt aufgrund der Zinssenkungen durch die US-Zentralbank ohnehin stark zurückgegangen. Während es 2018 noch rund 3,5 Prozent kostete, wenn Euro-Anleger den Wechselkurs des Dollar absicherten, geht das mittlerweile für weniger als ein Prozent. Das hat einen unmittelbaren positiven Effekt auf die Höhe der Rendite, was die Nachfrage nach US-Immobilien zusätzlich fördern dürfte. Im Ergebnis sollten deren Preise in einem stabilen ökonomischen Umfeld mittelfristig weiter steigen.
Wo schauen Sie bei der Vielzahl der US-Immobiliensegmente und -teilmärkte derzeit verstärkt hin?
Thomas Oliver Müller: Aktuell, und vor allem auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie, zeichnen sich neue Immobilienarten ab, die künftig im Fokus von institutionellen Investoren stehen dürften. Dazu zählen sogenannte Lab-Offices, also Labor- und Verwaltungsflächen, die aufgrund der weltweit steigenden Forschungsaktivitäten für Impfstoffe und Arzneimittel besonders stark nachgefragt werden. Bereits 2019 hat die Deutsche Finance Group mit der Entwicklung institutioneller Club-Deals in der amerikanischen Wissensmetropole Boston begonnen und frühzeitig den sich abzeichnenden Trend erkannt. Für 2021 planen wir mehrere Investitionen in diesem Bereich und konzipieren gerade institutionelle Club-Deals, bei denen auch Privatanleger investieren können.
Als international ausgerichtetes Haus: Verstehen Sie den Hang der hiesigen Anleger zu heimischen Objekten?
Müller: Bei einigen deutschen institutionellen Investoren ist der sogenannte Home Bias bei Immobilien-Portfolios immer noch ausgeprägt. Das ist anders als beispielsweise bei Aktien und Anleihen, die mittlerweile bei vielen Investoren weltweit diversifiziert sind. Einerseits gibt es bei Immobilien für den Home Bias durchaus nachvollziehbare Gründe wie lokale Marktkenntnisse, Nähe zum Objekt und ein bekanntes rechtliches Umfeld bei Investitionsstrukturen. Andererseits gehen aufgrund der derzeitigen Marktlage – Niedrigzinsumfeld und Zielrendite – institutionelle Anleger bei ihren Immobilien- Investitionen neue Wege und richten ihr Portfolio international aus. Das ist auch gut so. Denn Fakt ist: Rendite entsteht nicht immer vor der Haustür.
Neubauer: Immobilien werden langfristig auch von Megatrends wie Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und wachsender Mittelschicht bestimmt. Bereits im Jahr 2009 lebten erstmals weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Laut einer Schätzung wird der Anteil der Einwohner in den Städten bis 2050 auf rund 70 Prozent steigen. Ein wichtiges Argument für eine globalere Immobilien-Allokation besteht zudem auf beiden Seiten der Rendite-Risiko-Betrachtung. Das größere Anlage-Universum ermöglicht es, in internationale Immobilien mit höheren Rendite-Erwartungen zu investieren und gleichzeitig das Risiko durch geringe Korrelationen zwischen Wirtschaftsräumen zu verringern beziehungsweise gleichzuhalten. Das wäre bei einem inländischen Immobilien-Portfolio nicht möglich.
Wachsen die Korrelationen aufgrund der Globalisierung denn nicht zusammen?
Neubauer: Trotz der wachsenden wirtschaftlichen Vernetzung weisen die internationalen Immobilienmärkte weiterhin relativ moderate Korrelationen bei den jährlichen Renditen aus. Hinzu kommt der zeitliche Diversifikationsvorteil, denn Immobilienmärkte befinden sich in der Regel in verschiedenen Zyklen, was für ein ausgewogenes Portfolio sehr wichtig sein kann. Bei der Entscheidung für ein globales Immobilien-Portfolio ist dann aber ein fundamentaler Due-Diligence-Prozess von größter Bedeutung. Neben politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen alle Erfolgsfaktoren eines Immobilien-Investments in Bezug auf den jeweiligen Markt überprüft werden – auch Auslandsinvestitionen sind in erster Linie ein lokales Geschäft.