Kritik an Top-Ökonomen Rente mit 70 wieder Streitthema
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagiert mit scharfer Kritik auf einen aktuellen Vorschlag drei deutscher Top-Ökonomen: Arbeitnehmer hierzulande sollten nicht nur aufgrund der angespannten Finanzlage der gesetzlichen Rentenkasse länger im Job bleiben, fordern jetzt die Wirtschaftsprofessoren Bernd Raffelhüschen und Gunther Schnabl von den Universitäten Freiburg beziehungsweise Leipzig sowie Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).
Laut der Bild-Zeitung empfehlen die Wissenschaftler ein um drei Jahre erhöhtes gesetzliches Renteneintrittsalter, das aktuell noch 67 Jahren für alle ab 1964 Geborenen liegt, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Außerdem helfe ein späterer Rentenbeginn gegen die gestiegene Inflation: Laut Deutscher Bundesbank erwarteten die privaten Haushalte hierzulande im April, dass die Preise innerhalb der nächsten zwölf Monate um durchschnittlich 6,9 Prozent anziehen.
„Das Renteneintrittsalter muss steigen. Deutschland hat schon heute ein riesiges Fachkräfteproblem, Hunderttausende Stellen sind unbesetzt“, zitiert die Bild-Zeitung beispielsweise Schnabl. Das führe dazu, dass unter anderem die Löhne in den nächsten Jahren kräftig steigen müssten und damit Waren noch teurer würden, so der Leipziger Wirtschaftswissenschaftler. Dass immer mehr Rentnern immer weniger Beschäftigte gegenüber stünden, könne also zu immer weiter steigenden Preisen führen.
Streit um höheres Rentenalter
„Das ist nichts weiter als mutlose Leistungskürzung auf dem Rücken der Beschäftigten. Die Inflation bekämpft man damit aber nicht“, sagt dagegen Anja Piel im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Ein höheres Rentenalter heiße real mehr Arbeitslose, so das Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sie betont, dass schon Beschäftigte zwar auch schon heute freiwillig über das 67. Lebensjahr hinaus arbeiten könnten.
Hallo, Herr Kaiser!
Auch Ökonomen sollten aber wissen: „Das schaffen nur die wenigsten. Rund jeder Siebte scheidet früher aus dem Erwerbsleben aus - wegen Krankheit, fehlender altersgerechter Arbeitsplätze oder krank machender Arbeitsbedingungen.“ Viele Menschen werden nach den Worten der Gewerkschafterin auch vor Erreichen der Rente arbeitslos, weil Arbeitgeber sich trotz Fachkräftemangels immer noch gern ihrer älteren Beschäftigten entledigten.
Piel verweist zugleich auf andere Vorschläge, wie Staatsverschuldung und Energiewende in Deutschland sozial gegenfinanziert werden könnten: Konkret fordert sie, große Vermögen und Erbschaften „endlich angemessen“ zu besteuern. Zudem müsse prekäre Beschäftigung eingedämmt werden, „statt sie durch Anheben der Minijobgrenze auszuweiten“. Außerdem sollten „mehr Arbeitgeber gute Löhne mit den Gewerkschaften aushandeln, statt aus der Tarifbindung zu fliehen. Denn gute Löhne bedeuten ein Plus bei den Einnahmen der Rentenversicherung, und sie stärken die Kaufkraft.“