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Fehlallokationen vermeiden, robuste Portfolios bauen

Warum Robustheit heute wichtig ist: In Zeiten wie diesen wird eine Portfolioeigenschaft oft unterschätzt. Dabei ist sie wichtig, damit Anleger ihre Langfristziele erreichen, das Risikomanagement funktioniert und über den gesamten Konjunkturzyklus Erträge möglich sind. Wir nennen diese Eigenschaft „Robustheit“ oder auch „Resilienz“.
Robustheit wird allgemein als die Fähigkeit definiert, sich von Schocks, Verletzungen oder anderen Widrigkeiten schnell zu erholen. Ein Portfolio gilt dann als robust, wenn es mit dem Ziel konstruiert wurde, durch die Kombination verschiedener Techniken fundamental solide zu sein – sodass unvorhergesehene Ereignisse ihm nur wenig schaden und die Erträge zu den Langfristzielen der Anleger passen.
Die schöpferische Zerstörung, der zufolge schwache Unternehmen von stärkeren übernommen oder durch neue Unternehmen mit besseren Technologien ersetzt werden, gilt als wichtige Säule der Marktwirtschaft. Sie hat oft hohes Wirtschaftswachstum ermöglicht. Doch die internationale Finanzkrise veränderte viel. Statt dem Markt die Zeit für eine Korrektur zu geben, wurde in großem Umfang interveniert. Die Notenbanken kauften Staatsanleihen, senkten die Leitzinsen auf null (oder sogar darunter) und betrieben Quantitative Easing. Unternehmen, die sonst gescheitert wären, wurde damit neues Leben eingehaucht.
In den letzten 15 Jahren hat man mit Aktien deshalb viel verdient. Robustheit schien nicht mehr wichtig. Viele der heutigen Marktteilnehmer haben noch nie einen drastischen Kurseinbruch erlebt und daher auch noch nie die Konsequenzen einer falschen Kapitalallokation gespürt. Wir glauben, dass Investoren wegen dieser Illusion der Marktstabilität robuste Anlagen nicht mehr zu würdigen wissen. Viele Anleger gehen davon aus, dass Geld- und Fiskalpolitik es im Zweifel schon richten werden. Umso höhere Risiken gehen sie ein.
Robustheit und langfristiger Vermögensaufbau scheinen aus der Mode gekommen zu sein. Aber genau das ist eines unserer wichtigsten Anlageziele. Robustheit wird wieder wichtig, wenn die durch die lange Hausse verdeckten Risiken und Fehlallokationen plötzlich sichtbar werden. Nicht die Krise vernichtet Kapital, sondern die Fehlallokationen, die ihr vorausgehen.
Wir meinen daher, dass man sich die Bedeutung der Robustheit stets vor Augen halten muss. Mehr noch: Sie ist geradezu alternativlos. Sonst wird man mit den Komplexitäten des derzeitigen Marktumfelds kaum zurechtkommen. Im Folgenden beschreiben wir unsere sieben Grundsätze für robuste Portfolios.
1. Kenne deine Anlagen besser, als die Modelle sie kennen
Daten und Modelle sind zwar nützlich, aber wohl eher Hilfsmittel als Entscheider. Krisen sind letztlich nicht prognostizierbar. Wer sich zu stark auf Modelle verlässt, lebt riskant – denn Modelle scheitern meist dann, wenn ihre Informationen besonders wichtig wären. Wer robuste Portfolios konstruieren will, darf sich deshalb nicht allein auf Daten und Modelle verlassen. Man muss die wirtschaftlichen Realitäten der Unternehmen erkennen und mit gutem Urteilsvermögen und gemeinsamem Know-how kluge Entscheidungen treffen. So gilt stetiges Gewinnwachstum oft als Hinweis auf ein starkes Unternehmen. Diese Stetigkeit kann aber trügerisch sein, wenn sie zulasten von Kunden, Mitarbeitern oder der Qualität der angebotenen Produkte und Dienstleistungen geht.
Mitte der 2000er-Jahre war General Electric das wertvollste Unternehmen der Welt. Nach Jahren der Finanzakrobatik, mit komplexen Buchhaltungspraktiken zur Glättung der Gewinne, sah das Unternehmen finanziell sehr stabil aus. Aber diese Praxis und die dadurch entstehende Unternehmenskultur führten dazu, dass die Geschäftsleitung wesentliche Schwächen im Kerngeschäft – Industrie und Finanzdienstleistungen – übersah. Von September 2007 bis März 2008 brach der Aktienkurs um 80 Prozent ein. Oberflächlich betrachtet hatte General Electric finanziell gut dagestanden. Wer aber ein robustes Portfolio will, muss Schwachpunkte erkennen, die die Finanzberichterstattung verbirgt, und sich aller Risiken bewusst sein.
2. Robustheit durch Redundanz
In seinem Buch „Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen“ schreibt Nassim Nicholas Taleb, dass Robustheit eine gewisse Redundanz erfordert – so wie auch unser Körper mehrere Organe mit ähnlichen Funktionen hat. Redundanz ist der Schlüssel zu langfristigem Erfolg anstelle der Optimierung kurzfristiger Wachstumskennzahlen. Der echte Robustheitstest sind nicht die normalen Zeiten, sondern Sondersituationen. Was lange redundant schien, wird dann plötzlich unverzichtbar.
Die Coronakrise zeigte eindrucksvoll, dass übertriebene Just-in-time-Konzepte für bestimmte Bauteile und Zulieferer, um die Gewinnmargen um jeden Preis zu steigern, Unternehmen krisenanfällig machten. Gerade die für ihre komplexen Lieferketten bekannte Automobilindustrie litt sehr unter der Pandemie, weil sie selbst einfachste Bauteile nicht mehr beziehen konnte und dadurch die Produktion massiv gestört wurde. Unternehmen, die Redundanz ernst nehmen und flexible Lieferketten haben, erholten sich schneller. Das zeigt die Bedeutung einer strategischen Perspektive, um auch in schwierigen Zeiten stabil zu sein. Bewährt haben sich etwa Toyotas Resilienzstrategien. Das Unternehmen hielt eine gewisse Menge wichtiger Bauteile vor und kam daher mit Lieferkettenstörungen besser zurecht als viele Wettbewerber.
3. Innovationen schätzen
Forschungs- und Entwicklungsausgaben gelten oft als eher unwichtig, zumal viele Entwicklungsprojekte nicht greifbare Ergebnisse liefern. In schwierigen Zeiten gilt das umso mehr. In einer Welt mit immer neuen Risiken und Chancen kann mangelnde Innovationskraft einem Unternehmen aber langfristig schaden.
Nach der Fusion von Kraft Foods und Heinz im Jahr 2015 bemühte sich das neue Unternehmen um aggressive Kostensenkungen. Forschungs- und Entwicklungs- sowie Marketingbudgets wurden massiv eingedampft, um die Gewinne zu steigern. Das Unternehmen verlor daraufhin allmählich Marktanteile und fiel bei Marken- und Produktinnovationen zurück, als sich die Verbraucherwünsche änderten. Um Abhilfe zu schaffen, wollte man dann Unilever übernehmen, was aber scheiterte. Die Investoren erkannten, dass Kraft durch Übernahmen und nicht durch organische Markenentwicklung und Innovationen wachsen wollte. In den folgenden zwei Jahren brach die Aktie um 70 Prozent ein.