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Rhion Digital zieht sich aus Wohngebäudegeschäft zurück

Die Rhion Digital, die als Marke zur Rheinland-Versicherungsgruppe gehört, will sich bis spätestens 2026 von Teilen des Wohngebäudebestandes trennen, das bisher zu den erfolgreichsten Geschäftsfeldern des Unternehmens gehört haben soll. Man habe sich für diejenigen Bestände entschieden, die bei Maklern, Maklerpools und Finanzvertrieben liegen. Die betroffenen Partner seien bereits informiert worden.
Mail an Vertriebspartner schon vor Wochen
Das passierte offenbar bereits im September, denn DAS INVESTMENT liegt exklusiv eine Nachricht des Versicherers an einen der Vertriebspartner vor. Darin heißt es: „Unsere regelmäßigen Analysen haben ergeben, dass die Ertragskraft der gesamten Gruppe einen ausgewogenen Portfoliomix über alle angebotenen Sparten und Geschäftsfelder benötigt. In den vergangenen Jahren hat unser Portfolio durch massiven Erfolg in der Wohngebäudesparte eine Unwucht bekommen. Der Bestandsanteil der Wohngebäudesparte ist über unsere Zielgröße hinausgewachsen.“
In einer aktuellen Mitteilung des Unternehmens heißt es zudem, dass der Kurswechsel auch auf eine Risikoträgerveränderung in dieser Sparte in diesem Jahr zurückzuführen sei. Ein größerer Risikoanteil im Wohngebäudegeschäft sei demnach bei der Rhion Digital verblieben.
Man habe bisher keine versicherungstechnischen oder schadenquotenbasierten Probleme, der Vertragsbestand sei grundsätzlich auskömmlich. Eine Verkleinerung des Portfolios sei dennoch unabwendbar. Hintergrund sind offenbar aus Unternehmenssicht unkalkulierbare Risiken in der zukünftigen Entwicklung der Sparte durch Einflüsse wie den Klimawandel und die Inflation. Gestartet wird die Maßnahme laut der internen Nachricht mit Fälligkeit 04/2025, sodass die ersten Umdeckungen noch in diesem Jahr erfolgen müssen, sofern nicht gekündigt werden soll.
Anbieter spricht von gezielter Sanierung und Reduzierung des Bestands
Das Unternehmen spricht von einer gezielten Sanierung und Reduzierung des Bestands. Aufgegeben wird das Geschäft mit Wohngebäudepolicen aber nicht. Lars Fuchs, Bereichsleiter Maklervertrieb, sagt: „Ich werbe dafür, gemeinsam mit uns offensiv ins Gewerbegeschäft einzusteigen.“ Bei allen Maßnahmen zur Verringerung von Wohngebäudebeständen will die Rhion Digital nach eigenen Angaben zudem die Vertriebspartner unterstützen. Die Freigabe von Bestandsverträgen, auch vor den Hauptfälligkeiten sei möglich. Wie viele Kunden und Verträge betroffen sind, wollte die Gesellschaft auf Nachfrage von DAS INVESTMENT nicht beantworten.
Branchenkenner lobt die Rhion-Maßnahme
Branchenexperte Stephan von Heymann, der als Underwriter für einen Maklerpool tätig ist, sieht die Neuausrichtung positiv: „Man fürchtet weniger die tatsächlich eingetroffenen Schäden, als vielmehr die Schäden, die im Zuge des Klimawandels zukünftig noch eintreten könnten“. Zudem verweist er auf verschärfte Anforderungen der Bafin an Schadenversicherer bezüglich der dauerhaften Erfüllbarkeit aller in Deckung genommenen Versicherungsverträge als möglichen Grund der Maßnahme.

„Ich gehe daher von einer sehr vorausschauenden und verantwortungsvollen Entscheidung bei den Verantwortlichen aus. Gerade kleinere Versicherer sind von dem überproportionalen Schadensaufkommen in der Gebäudesparte bedroht. Ich begrüße daher sogar diese Entscheidung der Rhion. Dies ist besser, als bei zukünftigen Kumulschäden gegebenenfalls auf Kosten der Kunden in Schieflage zu geraten.“
Sparte weiter unter Druck
Die Entscheidung eines kleinen Anbieters wie der Rhion Digital wirft dennoch Fragen auf. Die Situation in der Sparte ist angespannt. In den vergangenen Monaten waren bereits Teilrückzüge namhafter Versicherer bekannt geworden. Zwar rechnet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für 2024 mit einem Beitragswachstum in der Wohngebäudeversicherung von knapp 13 Prozent und für 2025 mit einem weiteren Anstieg von 5 bis 7 Prozent, wie man unserer Redaktion auf Nachfrage mitteilte. Ob das reicht, die seit Jahren durch Lohn- und Baukosten gestiegenen Preise aufzufangen, ist unklar. Zur Frage der Prämienentwicklung oder zu möglichen weiteren Bestandsveräußerungen äußerte sich der GDV auf Nachfrage von DAS INVESTMENT nicht.
Wird die Wohngebäudeversicherung zum Luxus?
Langfristig sind die Perspektiven aus Sicht von Experte von Heymann nicht gut. „Der deutsche Gebäudebestand ist im Schnitt vergleichsweise alt. Viele Häuser sind nicht auf die heutigen Anforderungen an Energieeffizienz und Widerstandsfähigkeit gegen extreme Wetterereignisse ausgelegt. Sanierungsstau verschärft diese Problematik zusätzlich. Ältere Gebäude sind anfälliger für Schäden und damit für Versicherer risikoreicher“, so seine Einschätzung. Die Wohngebäudeversicherung drohe zum Luxus zu werden.
Lösungsansätze: Prävention, Produktanpassung und Eigenvorsorge
Doch wie kann die Branche langfristig auf diese Herausforderungen reagieren? Von Heymann sieht mehrere Ansatzpunkte: Prävention steht ganz oben auf der Liste. Zudem seien Investitionen in Hochwasserschutz, Gebäudesanierung und Klimaanpassung unerlässlich. Gleichzeitig müssten Versicherer ihre Produkte an die neuen Risiken anpassen. Eine stärkere Differenzierung der Prämien nach individuellen Risiken könnte dabei zu einer gerechteren Kostenverteilung führen.
Der GDV, der gern im großen Stil politische Forderungen in Sachen Klimafolgenprävention oder nach Bauverboten in hochwassergefährdeten Gebieten erhebt, wollte sich zur Frage nach Empfehlungen für den Endkunden bezüglich Präventionsmaßnahmen fürs Eigenheim nicht äußern.