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Eckhard Schulte zur Bundestagswahl Richtungswahl für Deutschland, nicht für den Aktienmarkt

Wahlplakate zur Bundestagswahl
Wahlplakate zur Bundestagswahl: Eine SPD-geführte Ampel-Koalition ist für Mainsky das derzeit wahrscheinlichste Szenario. | Foto: imago images / Manngold

Das waren noch Zeiten, als allein die zwei Volksparteien die politische Ausrichtung der Bundesrepublik mehr oder weniger prägten. Während die Liberalen nach einer Bundestagswahl die Mehrheit der Union komplettierten, schien ein rot-grünes Bündnis die einzig mögliche Alternative dazu. Die letzte von der scheidenden Kanzlerin Merkel angeführte große Koalition war eine Notlösung nach dem Abstieg der einstigen Volksparteien. Bei der nun anstehenden Bundestagswahl gibt es keine dominanten Parteien mehr, der Wahlausgang ist so offen wie nie, gleiches gilt für Frage nach den möglichen Regierungskoalitionen. 

Ampel ist das wahrscheinlichste Szenario

Nur eines steht heute schon fest: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir schon am Wahlabend erfahren, wer in welcher Konstellation Deutschland durch die nächste Legislaturperiode führen wird, ist sehr gering. Verlässt Angela Merkel voraussichtlich erst Anfang 2022 das Kanzleramt, ist für uns das wahrscheinlichste Szenario eine vom Wahlsieger SPD angeführte Ampel mit der FDP und den Grünen. Rot-Grün-Rot mit den Linken als Mehrheitsbeschaffer bleibt aus unserer und der Sicht der Finanzmärkte in jedem Fall ein Risiko-Szenario. Rückfall-Option ist eine erneute Große Koalition, auch wenn sich in der Union nach einer potenziellen Wahlniederlage die Stimmen für eine Regenerierung in der Opposition gegen die als Juniorpartner auf der Regierungsbank durchsetzen dürften.  

Steigende Ausgaben ohne Steuererhöhungen

Für die Finanzmärkte dürften vor allem die geld- und fiskalpolitischen Implikationen nach der Wahl interessant sein. Mit Ausnahme von AfD und Linken haben alle Wahlprogramme dem Klimaschutz höchste Priorität eingeräumt. Entsprechend wurden, wie eigentlich auch üblich, die meisten und konkretesten Versprechen auf der Ausgabenseite gemacht. Zur Finanzierung bleiben auch wie so oft alle Beteiligten nur vage und beziehen meist nur wenig oder nur in allgemeiner Art Stellung. Überall sieht man große, nicht erklärte Lücken und damit letztendlich große Inkonsistenzen. 

In der politischen Praxis dürfte man sich deshalb, egal in welcher Regierungskoalition, relativ zügig auf Ausgabenprogramme einigen und dabei das Minenfeld Steuererhöhungen versuchen zu meiden. Sollte es im Bundestag doch einen mehrheitlichen Beschluss zur Erhöhung irgendwelcher Steuern geben, stünde diesem angesichts der Farbenvielfalt eine Blockade im Bundesrat entgegen. 

Vermögenssteuer dürfte im Bundesrat scheitern

Deshalb dürfte es auch die vieldiskutierte und vor allem vom Mittelstand gefürchtete Wiedereinführung einer Vermögenssteuer schwer haben. Diese ist in den Wahlprogrammen der SPD, der Grünen, am radikalsten natürlich bei den Linken zu finden. Sie wurde vom Bundesverfassungsgericht 1995 in ihrer damaligen Form als unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz erklärt. Der Aufforderung zur grundgesetzkonformen Reform ist die Regierung nicht nachgekommen und verzichtet stattdessen auf deren Erhebung. Vorher wurde der Satz aber auf Initiative von Finanzminister Waigel noch von 0,5 auf ein Prozent verdoppelt.

Als Ländersteuer mit Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist eine Zustimmung im Bundesrat für eine solche Substanzsteuer allerdings nahezu ausgeschlossen. Die Union sitzt aktuell in elf Landesregierungen, und Rheinland-Pfalz wird von einer Ampel mit der FDP regiert, die wohl am weitesten weg von einer solchen Steuer ist. Die 35 Stimmen für ein Ja aus der Länderkammer sind damit so gut wie unmöglich. 

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Ende der „schwarzen Null“ 

Die künftige Regierung dürfte, egal in welcher Zusammensetzung, eher den Weg des geringsten Widerstands gehen und mit gezielten Ausgabenprogrammen und Subventionen den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft und des privaten Verbrauchs voranbringen. Ein solches massives Konjunkturprogramm sollten Wirtschaft und Aktienmarkt positiv aufnehmen, auch wenn zunächst die Unsicherheit über die neue Regierung für eine kurzfristige Belastung sorgen könnte. Schäubles „schwarze Null“ dürfte mit einer Ampel-Koalition endgültig der Vergangenheit angehören.

Die Finanzierung der neuen Schulden würde weiterhin die Europäische Zentralbank ganz im Sinne der Modern Monetary Theory (MMT) übernehmen. Nach dem „offiziellen“ Auslaufen des PEPP im März dürfte die Notenbank entweder das bestehende APP aufstocken oder ein neues Anleihekaufprogramm auf den Weg bringen. Die dadurch ausgelöste Deckelung der Renditen am Anleihemarkt wäre ein weiterer positiver Faktor für Sachanlagen, zu denen auch Aktien gehören.  

Euro-Stabilitätskriterien vor dem Aus

Mit einer neuen Regierung in Berlin dürfte sich auch auf europäischer Ebene der Fokus weg von einer Konsolidierung der Haushalte hin zu einer langfristig expansiven Fiskalpolitik verschieben. In dieses Bild passt dann auch der Vorschlag von Italiens Regierungschef Mario Draghi und EU-Kommissar Paolo Gentiloni, die europäischen Konsolidierungsvorgaben aufzuweichen. Wenn eine neue Bundesregierung als Schlüsselspieler im Europäischen Rat dies unterstützen würde, wäre dies dann wohl das formale Ende sowohl der für 2021 und 2022 bereits ausgesetzten strengen Euro-Stabilitätskriterien als auch einer nur maßvollen Neuverschuldung innerhalb der Europäischen Union. Ein positiver Ausblick für die peripheren Anleihenmärkte, die Renditeaufschläge gegenüber Bundesanleihen dürften sich weiter reduzieren.

 

Über den Autor: Eckhard Schulte ist Gründungspartner und Vorstandsvorsitzender der Mainsky Asset Management. Seit Gründung der Gesellschaft im Jahr 2001 (bis 2016 G&P Institutional Management) verantwortet der promovierte Volkswirt den Bereich Portfoliomanagement.

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