DIW-Ökonomin Claudia Kemfert
Risiken der Atomkraft
Leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin): Claudia Kemfert Foto: DIW Berlin
Seit Kernkraft kommerziell genutzt wird, kommt es immer wieder zu größeren Unfällen in Kraftwerken. Claudia Kemfert und Christian von Hirschhausen vom DIW Berlin zeichnen mit Ben Wealer, Fabian Präger und Björn Steigerwald von der Technischen Universität Berlin die Vorfälle der Nachkriegszeit nach.
Seit dem Beginn der Nutzung der Kernkraft stehen Fragen der Reaktorsicherheit im Mittelpunkt des kritischen Umgangs mit dieser Technologie. In Kernreaktoren werden nicht nur während des Produktionsprozesses große Mengen an Energie und radioaktiver Strahlung erzeugt, sondern dieser Prozess hält lange nach dem Ende der kommerziellen Nutzung noch an. Daher müssen drei Schutzziele über sehr lange Zeiträume beachtet werden:5 der Einschluss der radioaktiven Brennelemente und anderer Stoffe, die Kontrolle der Leistung („Reaktivität“) sowie die Abführung der im Reaktorkern entstehenden Wärme und die Kühlung der Brennelemente.
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Trotz...
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Seit dem Beginn der Nutzung der Kernkraft stehen Fragen der Reaktorsicherheit im Mittelpunkt des kritischen Umgangs mit dieser Technologie. In Kernreaktoren werden nicht nur während des Produktionsprozesses große Mengen an Energie und radioaktiver Strahlung erzeugt, sondern dieser Prozess hält lange nach dem Ende der kommerziellen Nutzung noch an. Daher müssen drei Schutzziele über sehr lange Zeiträume beachtet werden:5 der Einschluss der radioaktiven Brennelemente und anderer Stoffe, die Kontrolle der Leistung („Reaktivität“) sowie die Abführung der im Reaktorkern entstehenden Wärme und die Kühlung der Brennelemente.
Trotz der offensichtlichen Notwendigkeit, die Entwicklung kommerzieller Kernkraftwerke mit Sicherheitsaspekten zu koordinieren, wurden Fragen der Reaktorsicherheit zu Beginn des Kernkraft-Zeitalters getrennt von Fragen der kommerziellen Nutzung diskutiert6. Zudem wurden grundlegende Fragen zu den kerntechnischen Risiken durch eine schlichte Sozialisierung der Unfallrisiken verdrängt. Sowohl die Energie- als auch die Versicherungswirtschaft gingen bei der Entwicklung der kommerziellen Kernkraft davon aus, dass diese Risiken von der Gesellschaft getragen werden mussten7. Dieser Tatbestand ist bis heute gelebte Praxis: Risiken von Kernkraft sind nicht versicherbar, sodass die Haftpflicht der Kernkraftwerksbetreibern eher symbolischen Charakter trägt8.
Seit Beginn der Nutzung der Kernenergie kam es tatsächlich immer wieder zu Störungen mit teilweise erheblichen Auswirkungen auf Menschen und die Umwelt. Zwar sind die als „katastrophal“ klassifizierten Unfälle wie in Fukushima oder Tschernobyl selten, jedoch gibt es eine Vielzahl von Zwischenfällen – sowie in jedem Jahrzehnt auch größere Unfälle (Abbildung 3).
5 Vergleiche Julia Mareike Neles und Christoph Pistner (2012): Kernenergie: eine Technik für die Zukunft? Technik im Fokus. Berlin.
6 Dies galt auch in Deutschland, wo bis Mitte der 1960er Jahre die Reaktorsicherheit im Bundeshaushalt weniger als ein Prozent der Gesamtausgaben für die Kerntechnik ausmachte. Vergleiche Joachim Radkau (1983): Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945–1975: Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklearen Kontroverse. Reinbek bei Hamburg, insb. Kapitel IV: „Die Enthüllung der Sicherheitsproblematik und die verspätete Reaktion der Gesellschaft“.
7 Vergleiche Radkau (1983), a.a.O., 389.
8 Siehe für eine frühe Analyse C. T. Highton (1959): Die Haftung für Strahlenschäden in Grossbritanien. Die Atomwirtschaft: Zeitschrift für wirtschaftliche Fragen der Kernumwandlung, sowie Jochen Diekmann (2011): Verstärkte Haftung und Deckungsvorsorge für Schäden nuklearer Unfälle – Notwendige Schritte zur Internalisierung externer Effekte. Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht 34 (2), 119–126.
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