DIW-Ökonomin Claudia Kemfert
Risiken der Atomkraft
Leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin): Claudia Kemfert Foto: DIW Berlin
Seit Kernkraft kommerziell genutzt wird, kommt es immer wieder zu größeren Unfällen in Kraftwerken. Claudia Kemfert und Christian von Hirschhausen vom DIW Berlin zeichnen mit Ben Wealer, Fabian Präger und Björn Steigerwald von der Technischen Universität Berlin die Vorfälle der Nachkriegszeit nach.
Bereits während der Entwicklung der Atombombe in Los Alamos (USA, Project Manhattan) kam es 1945/46 zu tödlichen Unfällen im Kontakt mit radioaktiven Brennstoffen9. Dies setzte sich auch bei der Entwicklung kommerzieller Kernkraft beziehungsweise von Forschungsreaktoren in den 1950er Jahren fort: In Chalk River (Kanada) gab es 1952 einen größeren Unfall mit einer partiellen Kernschmelze10. 1957 geriet der Graphitkern des KKW Windscale (Großbritannien) in Brand und konnte erst nach mehreren Tagen gelöscht werden11. Ebenfalls 1957 explodierte in der Wiederaufarbeitungsanlage Majak (bei Tscheljabinsk, Sowjetunion) ein Tank mit radioaktiver Flüssigkeit, wobei eine erhebliche Menge an Strahlung freigesetzt...
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Bereits während der Entwicklung der Atombombe in Los Alamos (USA, Project Manhattan) kam es 1945/46 zu tödlichen Unfällen im Kontakt mit radioaktiven Brennstoffen9. Dies setzte sich auch bei der Entwicklung kommerzieller Kernkraft beziehungsweise von Forschungsreaktoren in den 1950er Jahren fort: In Chalk River (Kanada) gab es 1952 einen größeren Unfall mit einer partiellen Kernschmelze10. 1957 geriet der Graphitkern des KKW Windscale (Großbritannien) in Brand und konnte erst nach mehreren Tagen gelöscht werden11. Ebenfalls 1957 explodierte in der Wiederaufarbeitungsanlage Majak (bei Tscheljabinsk, Sowjetunion) ein Tank mit radioaktiver Flüssigkeit, wobei eine erhebliche Menge an Strahlung freigesetzt wurde12.
1961 explodierte der Reaktordruckbehälter des Forschungsreaktors SL-1 in Idaho Falls (USA) bei einer Fehlmanipulation der Moderatorenstäbe13. Der Fermi-Brutreaktor bei Detroit schmolz 1966 teilweise durch, ebenfalls aufgrund von Kühlproblemen14. 1975 kam es im KKW Leningrad (Sowjetunion) zur Freisetzung radioaktiver Substanzen durch die teilweise Zerstörung des Reaktorkerns. Analog ereignete sich 1977 auch im Druckröhrenreaktor Belojarsk (Sowjetunion) ein schwerer Unfall durch eine Teilschmelze des Reaktorkerns15. Im Kernkraftwerk Three Mile Island in Harrisburg (TMI, Pennsylvania, USA) fielen 1979 zwei Hauptspeisepumpen aus, durch Bedienungsfehler bei der Reaktorkühlung kam es zu einer Teil-Kernschmelze und der Freisetzung großer Mengen radioaktiver Gase16.
Neben Fukushima ist auch der Unfall in Tschernobyl von der IAEA als katastrophal klassifiziert (INES-Skala 7). Dort kam es am 26. April 1986 im Testbetrieb zu einem drastischen Leistungsanstieg, der zur Explosion des Reaktors Nummer Vier und anschließenden langanhaltenden Bränden führte. Tausende von „Liquidatoren“ wurden bei den Rettungsarbeiten stark verseucht; die radioaktive Wolke breitete sich über die Nordukraine, Weißrussland und bis nach Mittelund Westeuropa aus17.
1999 kam es in der japanischen Brennelementefabrik in Tokaimura (Japan) zu einer unkontrollierten Kettenreaktion, als Arbeiter einen Vorbereitungstank mit einem zu stark angereicherten Urangemisch befüllten18. Im April 2003 ereignete sich in der Paks-2-Anlage in Ungarn ein „ernster Störfall“ (INES-Stufe 3), als 30 Brennelemente in einem Reinigungstank aufgrund unzureichender Kühlung schwer beschädigt wurden19. 2006 ereignete sich im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark ein elektrischer Kurzschluss, der zum Ausfall von zwei Notstromsystemen führte20.
9 Vergleiche Edith C. T Ruslow und Ralph Carlisle Smith (1947): Manhattan District History. Project Y. The Los Alamos Project. Los Alamos.
10 Vergleiche W. B. Lewis (1953): The accident to the NRX reactor on December 12, 1952. Chalk River, Ontario (online verfügbar)
11 Vergleiche Walter C. Patterson (1986): Chernobyl: worst but not first. Bulletin of the Atomic Scientists 42 (7), 43–45.
12 Vergleiche Paul Josephson (2002): Minatom: Dreams of glory. Bulletin of the Atomic Scientists 58 (5), 40 47.
13 Vergleiche Patterson, a.a.O.
14 Vergleiche John G. Fuller (1978): We Almost Lost Detroit. New York.
15 Vergleiche Minh Ha-Duong und V. Journé (2014): Calculating nuclear accident probabilities from empirical frequencies. Environment Systems and Decisions 34 (2), 249–258.
16 Vergleiche Samuel J. Walker (2005): Three Mile Island: A Nuclear Crisis in Historical Perspective. Berkeley.
17 Vergleiche Adriana Petryna (2011): Chernobyl’s survivors: Paralyzed by fatalism or overlooked by science? Bulletin of the Atomic Scientists 67 (2), 30–37.
18 Vergleiche Edwin Lyman und Steven Dolley (2000): Accident prone. Bulletin of the Atomic Scientists 56 (2), 42–46.
19 World Nuclear Association (2021): Nuclear Power in Hungary (online verfügbar).
20 Analysgroup (2007): The Forsmark incident 25th July 2006 (online verfügbar).
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