DIW-Ökonomin Claudia Kemfert
Risiken der Atomkraft
Leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin): Claudia Kemfert Foto: DIW Berlin
Seit Kernkraft kommerziell genutzt wird, kommt es immer wieder zu größeren Unfällen in Kraftwerken. Claudia Kemfert und Christian von Hirschhausen vom DIW Berlin zeichnen mit Ben Wealer, Fabian Präger und Björn Steigerwald von der Technischen Universität Berlin die Vorfälle der Nachkriegszeit nach.
Jenseits der Unfallgefahren sind Kernkraftwerke auch bei regulärem Betrieb störanfällig und stehen nicht dauerhaft zur Verfügung. Historisch gesehen sind über ein Drittel der verfügbaren Kapazitäten nicht genutzt worden. Selbst in den 2000er Jahren wurden immer noch mehr als ein Fünftel der Kapazität nicht genutzt. Frankreich, ein Land mit weit über 50 Kernreaktoren und dem höchsten Anteil von Kernkraft an der Stromerzeugung, leidet besonders unter der unzuverlässigen Verfügbarkeit von Kernkraftwerken, die zum kommerziellen Misserfolg beiträgt.
Wiederum sind die von der IAEO etablierten Metriken der Stochastizität unzureichend: Insbesondere ist ein Großteil der geplanten Ausfallzeiten...
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Jenseits der Unfallgefahren sind Kernkraftwerke auch bei regulärem Betrieb störanfällig und stehen nicht dauerhaft zur Verfügung. Historisch gesehen sind über ein Drittel der verfügbaren Kapazitäten nicht genutzt worden. Selbst in den 2000er Jahren wurden immer noch mehr als ein Fünftel der Kapazität nicht genutzt. Frankreich, ein Land mit weit über 50 Kernreaktoren und dem höchsten Anteil von Kernkraft an der Stromerzeugung, leidet besonders unter der unzuverlässigen Verfügbarkeit von Kernkraftwerken, die zum kommerziellen Misserfolg beiträgt.
Wiederum sind die von der IAEO etablierten Metriken der Stochastizität unzureichend: Insbesondere ist ein Großteil der geplanten Ausfallzeiten in Wirklichkeit nicht planbar, sondern unterliegt unvorhersehbaren Ereignissen, die die Ausfallzeiten zum Teil erheblich verlängern können. Eine genauere Darstellung und Quantifizierung von Unsicherheitsfaktoren kann zu einem besseren Verständnis dieses Phänomens beitragen. Mit geringen Auslastungstagen, insbesondere aufgrund geplanter und übermäßig langer ungeplanter Ausfälle, benötigt Kernkraft hohe Backup-Kapazitäten, wodurch ihr ökonomischer Wert weiter sinkt.
Auch in Deutschland hat es seit den 1960er Jahren eine Vielzahl von Störfällen gegeben, unter anderen in den Kernkraftwerken Greifswald, Unterweser, Philippsburg und Krümmel. Die Ausfallzeiten sind zwar geringer als in anderen Ländern, dennoch liegen diese sehr hoch, selbst bei den jüngeren Kraftwerken, die 2021 und 2022 vom Netz genommen werden.
Die hohen Sicherheitsrisiken und fluktuierende Fahrweise von Kernkraftwerken ist in der energiewirtschaftlichen Analyse bisher weitgehend vernachlässigt worden. Demzufolge weisen Energiesystemmodelle der Kernkraft eine besondere und in Zukunft teilweise sogar steigende Bedeutung zu und widersprechen damit der empirischen Beobachtung des wirtschaftlichen Niedergangs kommerzieller Kernkraft. Hier besteht methodischer Forschungsbedarf zur Abbildung der stochastischen Verfügbarkeit als auch der damit zusammenhängenden zusätzlichen Reservekapazität.
Insbesondere die integrierten Energie- und Klimamodelle (Integrated Assessment Models, IAM), die im Weltklimarat eine wichtige beratende Funktion haben, sollten einer kritischen Analyse ihrer Modellannahmen bezüglich Kernkraft unterzogen werden. Auch die Auswirkungen von größeren Unfällen mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, zum Beispiel vom Typ Fukushima und der Ausfall der gesamten Kernkraftwerksflotte in Japan 2011, sollte durch die Anwendung robuster Modellbildung genauer untersucht werden.
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