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Risikoparität statt Renditeprognose

Stefan Lecher
Stefan Lecher
Die Idee der Risikoparität ist mittlerweile etabliert. Ursprünglich eine wenig bekannte Multi-Asset-Strategie, hat die Risikoparität in den vergangenen Jahren zu zahlreichen Fondsauflegungen geführt und zeichnet sich durch ein starkes Wachstum der verwalteten Volumen aus.

Und das mit gutem Grund: Die Risikoparität stellt eine Alternative zu einem traditionellen ausgewogenen Ansatz dar, der beispielsweise zu 60 Prozent in Aktien und zu 40 Prozent in Anleihen investiert. Eine zentrale Unterscheidung besteht darin, dass die Risikoparität mit Risikoallokationen arbeitet, im Gegensatz zur Allokation des Kapitals oder einer nominellen Gewichtung nach Anlageklassen.

Diese Unterscheidung mag komplex und technisch klingen und dem widersprechen, was die Investmentbranche in der Vergangenheit getan hat. Warum also die Perspektive wechseln und im Rahmen der Anlageaufteilung  mit Risikoeinheiten statt mit Geldbeträgen arbeiten?

Eine Investition von 100 Euro in Aktien weist (vor allem kurzfristig) größere Gewinnchancen und Verlustrisiken auf als eine Investition von 100 Euro in hochwertige Staatsanleihen, weshalb ein nominell ausgeglichenes Portfolio nicht zu einem Portfolio führt, dessen Risiken ausgeglichen sind. Im Gegensatz hierzu zielt ein Risikoparitätsansatz speziell darauf ab, das Gewinn- und Verlustpotenzial der verschiedenen Anlageklassen auszugleichen.

Daher verwendet die Risikoparität Risikoeinheiten als Maßstab für die vorzunehmenden Allokationen. Zum Beispiel würde eine Investition in etwa 67 Euro in Aktien und 143 Euro in Anleihen zu der gleichen Anzahl von Risikoeinheiten aus jeder Anlageklasse führen. Beide Anlageklassen sollten damit gleichermaßen zu möglichen Gewinnen und Verlusten im Portfolio beitragen.

Das Portfoliomanagement mit ausgewogenen Risikoallokationen ist damit besser an die Zeithorizonte vieler Anleger angepasst. Die Risikoparität verringert mögliche Renditeschwankungen für Investoren, die sich nicht nur über das Endziel, sondern auch über den Weg dorthin – die Renditen in kürzeren Zeiträumen – Gedanken machen.

Der traditionelle Ansatz hat sich über jene Zeiträume ebenfalls als wirksam erwiesen, in denen sich kurzfristige Marktschwankungen tendenziell ausgleichen und die fundamentalen Renditen einer Aktienanlage zum Vorschein kommen. Über kürzere Zeiträume kann eine hohe Aktiengewichtung jedoch ein signifikantes Verlustpotenzial bedeuten.

Anleger, die diese Bewertungsänderungen möglichst gering halten wollen, können in einem Risikoparitätsansatz, der sich stärker mit dem gezielten Einsatz und Management von Risiken beschäftigt als mit dem Versuch von Renditeprognosen, eine bessere Alternative finden.

Der Risikoparitätsansatz zeigt drei große Stärken: Erstens hilft er dem Portfoliomanager, sich auf die Treiber von Anlagerisiken zu konzentrieren. Wer sich als Portfoliomanager auf die verschiedenen Risikofaktoren konzentriert, wird viel seltener auf die Illusion hereinfallen, in nominellen Beträgen diversifiziert zu sein, während der Großteil des Risikos zum Beispiel aus Aktienpositionen stammt.

Zweitens kann eine strategische Anlageaufteilung nach ausgewogenen Risikofaktoren das Portfolio besser auf eine ungewisse Zukunft vorbereiten. Traditionelle ausgewogene Ansätze funktionieren gut, wenn Risiken, Korrelationen und insbesondere die erwarteten Renditen genau abgeschätzt werden können.

Die vergangenen 15 Jahre haben allerdings gezeigt, dass das Unerwartete – im positiven wie im negativen Sinne – erwartet werden muss. Die Risikoparität beinhaltet eine gewisse Skepsis, was die Fähigkeit zu Renditeprognosen betrifft.

Drittens wird es immer wichtiger, Risiken im Kontext des Gesamtportfolios bewusst und präzise zu managen. Das liegt daran, dass Privatanleger den Kapitalerhalt wichtiger nehmen und institutionelle Investoren mit niedrigeren Risikobudgets und der verminderten Fähigkeit, Kapitalverluste auszugleichen, zu kämpfen haben.

Eine ernst zu nehmende Kritik an Risikoparitätsansätzen ist, dass sie stark auf hohe Anleiherenditen angewiesen sind. Die hohen Anleiherenditen der Jahre 1981 bis 2012 dürften sich jedoch kaum wiederholen. Daher verringert sich die Chance, dass fallende Renditen potenzielle Verluste am Aktienmarkt ausgleichen. Dies sollten moderne Risikoparitätsansätze berücksichtigen, und einige tun dies bereits.

Sowohl traditionelle Multi-Asset-Ansätze als auch Risikoparitätsansätze haben ihre Berechtigung und haben sich in verschiedenen Marktphasen als effektiv erwiesen. Es kann keine einzelne Anlagestrategie als Allheilmittel angesehen werden. Es ist zu erwarten, dass auch weiterhin eine Vielzahl von Anlagestrategien attraktiv für Multi-Asset-Investoren sein wird.

Risikoparität sollte als übergeordneter Begriff verstanden werden, der eine breite Palette von Managementtechniken und -philosophien abdeckt, die jedoch klar Risikoallokationen als Ausgangspunkt haben. Bei der Auswahl einer Risikoparitätsstrategie sollten Anleger prüfen, ob die Strategie sich an wechselnde ökonomische Szenarien und Marktbedingungen anpassen kann, und sicherstellen, dass sie nicht zu stark vom Zinsniveau abhängt, um zukünftig aktive Renditen zu erzielen.

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