LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
Lesedauer: 4 Minuten

Robeco Marktausblick „Die ‚Boom-Bust‘-Angst könnte sich auf die Realwirtschaft auswirken“

Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions
Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions
„Die schlechteste Januar-Performance an den Aktienmärkten seit vielen Jahren basierte auf fehlerhaften Annahmen über China, Öl und den Hochzins-Anleihemarkt. Dies könnte zu einer „Boom-Bust“-Angst führen, die die Dinge noch schlimmer macht“, fürchtet Daalder. Entwicklungen an den Finanzmärkten könnten sich quasi verselbstständigen und auf die Realwirtschaft übertragen. „Wir reden nicht über die Vermögensverluste durch die Aktienmarktkorrektur – die stehen erst an zweiter Stelle. Das größere Risiko ist ein Kreditereignis, das (vorübergehend) die Kreditmärkte lahmlegen könnte“, so der Robeco-Anlagestratege. Als Auslöser hierfür kämen ein Ölpreiseinbruch oder eine starke (unerwartete) Bewegung an den Finanzmärkten infrage.

Der Ölpreiseinbruch könnte zur Zahlungsunfähigkeit von Ölfirmen führen. Das wäre aktuell keine allzu große Überraschung. Er könnte aber auch Ölförderländer in die Pleite reißen, was unerwarteter wäre. „Starke Bewegungen an den Finanzmärkten können immer zur Insolvenz eines Hedgefonds oder eines Asset Managers führen – wie wir es im Dezember mit Third Avenue erlebt haben. Mit solchen Ereignissen kann die Liquidität aus den Märkten verschwinden, etwa aus dem US-Markt für Unternehmensanleihen. Das würde sogar gesunde Unternehmen in Bedrängnis bringen“, sagt Daalder und befürchtet, dass in einem solchen Szenario die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleiten könnte.

Korrekturen sind nichts Besonderes

Daalder will die schmerzlichen Kursbewegungen der ersten Wochen dieses Jahres nicht herunterspielen. „Korrekturen gibt es aber häufiger, als man denkt. Auch Kurseinbrüche von 10 oder 15 Prozent sind nicht selten. Und es hat keine tiefere Bedeutung, dass dieser Einbruch zum Jahresanfang stattfand. Ein Hinweis, den ich in vielen Research-Berichten, in der Presse oder in Blogs manchmal vermisse“, so Daalder. Bei dem vielen Gerede über eine harte Landung der chinesischen Wirtschaft oder einer Rezession in den USA, überrascht es ihn wenig, dass gewisse Investoren in Angst vor dem nächsten großen Knall aus dem Markt flüchten. Daalder: „Die ‚Boom-Bust‘-Angst ist heute größer als vor dem Jahr 2000. Bewegungen sind daher oft stark übertrieben, stärker als in der Vergangenheit.“

Es gibt keinen Januar-Effekt

An den „Januar-Effekt“ glaubt Daalder nicht. Dieser besagt, dass bei einem negativen Auftakt auch der Rest des Jahres schlecht verläuft. „Es gibt viele Beispiele für Jahre, in denen nach einem schwachen Januar später Monate mit exzellenter Performance folgten. Es ist die Zukunft und nicht der Januar, die das Schicksal der Finanzmärkte bestimmt“, sagt Daalder. Dennoch fühlt sich für viele Investoren ein Januar-Crash anders an als beispielsweise ein September-Crash. Das liegt auch daran, dass die Performance seit Jahresbeginn der Wert ist, mit dem Investoren und Börsenhändler in der Regel jeden Morgen aufwachen.

„Durch die pessimistischen Berichte hat der Großteil der Investoren den Eindruck, wir haben gerade den größten Einbruch seit dem Debakel von 2007 bis 2009 erlebt. Das ist jedoch nicht der Fall“, sagt Daalder. In den USA gleicht der aktuelle Ausverkauf in etwa dem von September 2015. Beim MSCI World gab es vergleichbare und noch stärkere Einbrüche in den Jahren 2010, 2011 und 2012.

Warum ist ein niedriger Ölpreis schlecht?

Die gesamtwirtschaftlichen Daten deuten nach Daalders Überzeugung – auch wenn sie nicht ideal sind – nicht auf eine bevorstehende Rezession hin. Und die Ansicht, dass ein niedriger Ölpreis für alle schlecht ist, bleibe falsch. „Aus fundamentaler Sicht hat der Ölpreisrückgang ganz klar Chancen geschaffen. Der Markt betrachtet diese Entwicklung viel zu einseitig. Wir glauben weder, dass die USA an der Rezessionsschwelle stehen, noch, dass China kollabiert. Die chinesischen Aktienmärkte sollten nicht als Indikator für die Wirtschaft fehlgedeutet werden“, so Daalder. Er ist überzeugt, dass die Finanzmärkte übers Ziel hinausgeschossen sind.

Aufgrund der schlechten Stimmung im Markt ist er allerdings wenig zuversichtlich, dass diese Überreaktion schnell ein Ende findet. „Die Unsicherheit ist allgemein gestiegen, daher haben wir uns entschlossen, unser Risiko leicht zu senken. Da wir das Risiko-Rendite-Profil von Hochzinsanleihen auf dem aktuellen Spread-Niveau für sehr interessant halten, haben wir das Risiko durch eine noch stärkere Untergewichtung von Emerging-Markets-Aktien reduziert. Zudem setzen wir bei Aktien aus Industrieländern stärker auf defensive Titel. Insgesamt behalten wir jedoch die Nerven und bleiben übergewichtet in risikotragenden Anlagen“, so Daalder.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion