Rober Halver macht Anlegern Mut Kapitalmarkt 2023 – neues Spiel, neues Glück
Tatsächlich legen die Konjunkturerwartungen gemäß Sentix für Schwellenländer, die Eurozone und Deutschland eine klar positive Trendwende nahe. Die wieder frohere Konjunktur-Botschaft überbringt auch der Welt-Frühzykliker Caterpillar, der zuletzt ein neues Allzeithoch erreichte. Weniger positiv sind die Prognosen für Amerika. Aber auch deswegen wird die Fed zinspolitisch bald beidrehen, um den konjunkturellen Overkill zu verhindern.

Vor diesem Konjunkturhintergrund ist nach einem vorübergehenden, nicht gewaltigen Gewinnrückgang mit einer allmählich Aktien-freundlichen Stabilisierung zu rechnen. Ohnehin bläht die Inflation Umsätze und Gewinne nominell beträchtlich auf. Das mag zwar nur fauler Zauber sein. Dennoch wirkt er auf die Psychologie der Anleger wegen ihrer schwachen Erwartungshaltung wie Salbe auf eine Wunde.
Gespaltenes Börsenjahr: Erst mehr pfui, dann mehr hui
Im ersten Halbjahr 2023 wird es noch zu Frustphasen kommen, da die Geldpolitik noch nicht liefert und die Konjunktur zunächst aprilwetterhaft verläuft. Da sich aber im zweiten Halbjahr die Wogen zunehmend glätten, sollte diese Zeit als Investitionsphase betrachtet werden.
Am Anfang der Erholungsphase werden Blue Chips der großen Aktienindizes bevorzugt. Denn wie bei einer früheren Waschmittel-Werbung gilt die Maxime: „Da weiß man, was man hat“. Das gilt ebenso für exportorientierte Dax-Titel, die sich aufgrund ihrer Weltgeltung von einer deutschen Wirtschaftspolitik emanzipieren können.
Denn leider hat diese oft eine ähnliche Wirkung wie Saft und Limonade auf einen Junggesellenabschied. Über alles wird viel Moralsoße gegossen. Man fragt sich, warum Vater Staat, der in puncto Steuerbelastung schon Weltspitze ist und Rekordsteuern vereinnahmt, keine wettbewerbsfähigen Standortbedingungen schaffen kann. Wie gelingt das der Schweiz mit deutlich weniger Steuerstaat. Es ist zu vermuten, dass Deutschland auch mit 200 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen nicht über die Runden kommt. Der Staat ist ein verfressener Nimmersatt. Und leider zeigt die Finanz-Geschichte ohne Ausnahme immer eines. Immer mehr Staat ist nicht die Lösung des Problems, immer mehr Staat ist das Problem.
Auch Tech-Werte kommen wieder, wenn auch etwas später. Bei ihnen beweist sich die alte Börsenweisheit, dass jüngsten Kursentwicklungen eine zu hohe Bedeutung für die Zukunft beigemessen werden. Und so klebt das Schicksalsjahr 2022 an Technologie-Titeln wie Kaugummi am Schuh.
Hier muss dringend Lösemittel her. Denn da sich die Welt innovativ und virtuell immer weiterdreht, geht an Technologie-Unternehmen grundsätzlich kein Weg vorbei, wie an Hessen, wenn man von Norden in den Süden oder umgekehrt will. „Burggraben“-Titel, die mit robustem Eigenkapital ausgestattet sind, daher weniger teures Fremdkapital brauchen und so insgesamt auch weniger Risiko bergen, sind jetzt schon kaufenswert.
Und noch eine Hoffnung, vielleicht eine Vision zum Schluss. Ja, es ist noch kein Ende im Ukraine-Krieg in Sicht. Doch wird sich Putin längst eingestanden haben, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist. Sollte es, durch welchen glücklichen Umstand auch immer, zumindest zu einem eingefrorenen Konflikt, einem nachhaltigen Waffenstillstand kommen, könnte dies für die Aktienmärkte speziell in Europa aufgrund der geografischen Nähe eine ähnlich positive Entwicklung haben wie das Ende des Vietnams-Kriegs für die US-Börse.
Und da Börsen gerne in die Zukunft schauen, gilt wie im Casino: Mesdames et Messieurs, Faites Vos Jeux, Ihre Einsätze bitte, machen Sie Ihre Börsen-Spiele. Am besten in den Jahresanfangsmonaten, bevor die Kurse zu hoch sind und es heißt: Rien Ne Va Plus, nichts geht mehr.
Über den Autor:
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse der Baader Bank in Frankfurt und ist damit für die Einschätzung der internationalen Finanzmärkte zuständig. Der erfahrene Kapitalmarkt- und Börsenkommentator ist durch seine regelmäßigen Medienauftritte bei Fernsehsendern und Radiostationen einem breiten Anleger- und Finanzpublikum bekannt.