Robert Halver über das italienische Wahlergebnis Ein weiterer Schritt hin zur Euro-Sklerose?
Die Italiener haben „Italia First“ und – wenn überhaupt – „Europe Second“ gewählt. Mit einem noch schwächeren Euro und steigenden Renditen italienischer Staatspapiere zeigen die Finanzmärkte ihren Unmut deutlich. Wie geht es jetzt weiter mit Italien, Europa und natürlich der EZB, die bislang bereits die ultimative Schutzheilige aller europäischen Schuldensünder war?
Es gab Zeiten, da waren die Zustimmungsquoten für Europa nirgendwo höher als in Italien. Heute dagegen sind die Italiener mehrheitlich große Europa-Kritiker. Zugegebenermaßen hat Europa viele Fehler gemacht. Langatmige Entscheidungsprozesse mit Kompromisseinigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner haben oft genug nur die Symptome bekämpft, aber nicht die Ursache der Probleme.
Unabhängig davon ist Italien jedoch der größte Profiteur Europas: Die einst bei der Euro-Einführung vereinbarten schmerzhaften Stabilitätskriterien haben nur noch Museumscharakter: Cremiges italienisches Stracciatella statt hartes deutsches Schwarzbrot!
„Die Hand, die gibt, ist die erste, die gebissen wird“
Immerhin, die italienischen Schockwellen für die europäischen Finanzmärkte werden nicht annähernd an die Niveaus von 2011 oder 2018 heranreichen. Damals setzten italienische Rechtspopulisten Brüssel die Pistole auf die Brust: Entweder ihr kommt uns gewaltig entgegen oder wir gehen gewaltig von der Euro-Fahne. Heute dagegen ist man schlauer. Die neue römische Regierung weiß ähnlich wie Marine Le Pen in Frankreich die Leistungen der Euro-Mitgliedschaft mit ihrer finanz- und geldpolitischen Vollkaskoversicherung zu schätzen.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Und die Gegenleistung? Gegenüber den Nehmer- fallen Italiens Geberqualitäten dramatisch ab. Das rechtspopulistische Trio Infernale aus dem designierten Ministerpräsidentin Meloni, dem Polit-Raufbold Salvini und dem wiederbelebten Strahlemann Berlusconi hat durchaus Sympathie für den russischen Staatspräsidenten. So kann der an der Wand stehende Putin doch noch einmal Morgenluft wittern und hoffen, dass sich die europäischen Gesellschaften in einem hoffentlich kalten Winter bei hohen Energiepreisen erheben. Doch statt die umfangreiche europäische Solidarität zu nutzen, um den italienischen Vorgarten vom Unkraut der krankhaften Verschuldung und maroden öffentlichen Verwaltung sowie Schwarzgeldwirtschaft zu befreien, wird die Malattia Italiana, die italienische Krankheit, vermutlich noch schlimmer.
Das neue italienische „Dream Team“ wird der Bevölkerung keine nennenswerten Reformen zumuten. Heute schon an morgen – an die nächste Wahl – denken. Lieber wird man weiter die Schuldigen für die italienische Krise nicht bei sich selbst, sondern bei Europa suchen. Vor allem Deutschland eignet sich als Sündenbock bestens. Dabei haben wir immer wieder das Portemonnaie aufgemacht und den willfährigen Schuldenbürgen gespielt.
Brüssels antiautoritäre Erziehung oder wenn aus der europäischen Stabilitäts- die romanische Schuldenunion wird
Leider, um des lieben Europa-Friedens willen und um bloß keine italienische Schuldenkrise zu riskieren, die schließlich weit in die gesamte EU streut, lässt Brüssel immer wieder „alternativlos“ Gnade vor Recht ergehen. Brüssels Nachgiebigkeit gegenüber einer italienischen Innovations-, Wettbewerbs- und Reformunwilligkeit macht selbst Gummimatten in Turnhallen Konkurrenz. Da Sanktionen nie durchgezogen werden, lassen sie Italien kalt wie eine Hundeschnauze.